Vier verschiedene Hubräume zwischen 690 und 1200 Kubikzentimetern, ein Zentner liegt zwischen der Leichtesten und der Schwersten: KTM 690 Duke, MV Agusta Brutale 800, Triumph Speed Triple S und Ducati Monster 1200 R. Ein Eintopf, ein V-Twin und zwei Dreizylinder. Werden hier etwa Äpfel, Birnen und Wassermelonen verglichen? Ja und nein. Denn die Eckdaten der hier verglichenen Naked Bikes mögen grundverschieden sein, aber alle eint: Sie sind neu, sie sind nackt, und sie sind heiß auf Kurven. Was zählt mehr auf der Sella-Runde? Leichtigkeit des Singles, Twin-Power oder Drillings-Schub? Triumph-Stabilität oder Vareser Handlichkeit? Wie immer gelten in den Alpen ganz eigene Regeln, daher haben alle vier auch echte Siegchancen. Enge und engste Kehren, teils extremes Gefälle, hier feinster Grip, dort seifig polierter Beton, Wellen, Knicks, Rillen und Löcher – unsere Runde stellt höchste Ansprüche ans Material. Hier sticht in erster Linie ein ausgewogenes, bedienerfreundliches Konzept – sprich Fahrbarkeit, wie der Vorjahressieg der braven BMW F 800 R gegen echte Boliden eindrücklich belegt.
An sich beste Voraussetzungen für die fliegengewichtige KTM 690 Duke der fünften Generation, die zudem noch ab Werk mit Metzelers feinem Sportec M7 RR besohlt daherkommt – eine vielversprechende Kombination. In der Tat, und wenig verwunderlich markiert der Austria-Single dann auch die Benchmark in Sachen Handlichkeit am Pass. In diesem Feld kommt kein anderes Motorrad da ran, im ganzen Wettbewerb zirkeln nur Honda CB 500 und Yamaha MT-03 noch ein wenig fluffiger. Dazu addieren sich Bestmarken bei Schaltung und Kupplung, die beinahe so leichtgängig wie bei einer 125er arbeiten.
KTM 690 Duke mangelt es deutlich an Stabilität
Im markanten Gegensatz allerdings zur von MOTORRAD zuletzt getesteten edlen R-Variante der KTM 690 Duke mangelt es dem Basis-Herzog deutlich an Stabilität. Die Fahrwerkskomponenten federn weich und dämpfen lasch, lassen, abgesehen von der hinteren Vorspannung, sämtliche Einstellmöglichkeiten vermissen. Das wirkt sich auf die Lenkpräzision aus, auf schlechtem Belag mag die wuselige Duke einfach keine Linie finden, erfordert ständige Korrekturen und ein hohes Maß an Einsatz. Klar außerdem: Auch wenn der im jüngsten Euro 4-Update auf glorreiche 78 Prüfstands-PS erstarkte Einzylinder das Nonplusultra in Sachen Serien-Single darstellt, muss er bei den Durchzügen fast zwangsläufig die rote Laterne tragen. Er will für zügiges Vorankommen viel Vollgas, Drehzahl und fleißige Schaltarbeit. Fahrspaß-Enthusiasten können darin ihre Erfüllung finden, auch wenn gerade ihnen die deutlich knackigere, schärfere Duke R nachdrücklich empfohlen sei. Wer aber Wert legt auf ein Mindestmaß an motorischer Souveränität, macht in den Alpen besser einen Bogen um die 690 Duke.

Und geht weiter, vielleicht zur neuen MV Agusta Brutale 800? Immerhin bietet der Vareser Drilling in Sachen Fahrleistungen Erstaunliches. Unerhört, mit welchem Zorn der 800er durchs Drehzahlband fetzt. Dank niedrigen Gewichts, kurzer Übersetzung und dreizylindertypisch kräftigen Durchzugs sitzt die Brutale der Triumph Speed Triple S und Ducati Monster 1200 R trotz erheblichen Hubraumnachteils bergauf bissig im Nacken. Ein weiterer Vorteil der kompakten Bauweise (sehr kurzer Radstand, relativ steiler Lenkkopf): Auch die Brutale gibt sich handlich, verspielt, winkelt mit regelrechtem Enthusiasmus ab. Ganz enges Gewurschtel, Spitzkehre nach Spitzkehre, etwa den Pordoi hinauf, gelingt auf ihr mit großer Leichtigkeit. Dazu arbeiten voll einstellbaren Fahrwerkskomponenten straff bis hart, aber mit sämiger Wertigkeit. Nur, wo bei der KTM 690 Duke die weiche, komfortorientierte Abstimmung für Gautschen sorgt, frisst bei der MV Agusta Brutale 800 die altbekannte, stets weiter verbesserte, aber unterm Strich noch immer unzureichende Gasannahme das ohne Frage vorhandene Potenzial des Chassis. Die Brutale geht hart ans Gas, schiebt etwas nach, lastwechselt unwirsch. Auf der Rennstrecke vielleicht eher verschmerzbar, die Rückseite des Fedaia hinunter, eine knifflige Sektion, schlicht unangenehm.
Der Schaltautomat ist sehr begrüßenswert, er unterhält wunderbar und funktioniert, irgendwie typisch MV, am besten bei Volllast und so gerade vor dem Begrenzer. Die langen Schaltwege im knochigen Getriebe kann er aber schwerlich verbergen. Damit nicht genug gemeckert: Noch härter als die Gasannahme der MV Agusta Brutale 800 ist ihre Sitzbank. Eine MV muss kein Sofa sein, aber der schmale, unergonomisch-kantige Sitzkeil der Vareserin gibt sich regelrecht Mühe, Behaglichkeit schon im Keim zu ersticken. Und stellt damit klar, worum es bei der Brutale geht: Sie ist klein, wunderschön, irre sinnlich, verfügt über Sportgene und damit großes Potenzial. Sie will bewegen und bewegt werden, aber auf spießige Kompromisse oder konsequente Funktionalität pfeift sie mit sympathischer Grandezza. MV Agusta Brutale? Der Name ist Programm.
Triumph Speed Triple S vs. Ducati Monster 1200 R
Und damit zu den beiden verbleibenden Titelkandidaten. Fleischiger Hinckley-Dreier oder knallig-edler Bologna-Twin? Ein spannendes Duell und voll auf Augenhöhe. Triumph Speed Triple S und Ducati Monster 1200 R rollen beide auf Pirelli Supercorsa SP, insofern herrschen bei den Gummis gleiche Voraussetzungen. Allerdings handelt es sich bei der Monster R um das teure Spitzenmodell der Baureihe, während die Speed Triple in S-Variante die Basisversion darstellt. In harter Währung sind das satte 6000 Euro Preisunterschied. In den Fahrleistungen schlägt sich dieser kräftige Aufschlag nur bedingt nieder.
Zwar beschleunigt die Ducati Monster 1200 R oben heraus noch heftiger, in den Durchzugswerten aber schenken sich beide nur wenig. Einmal mehr zeigt sich: Verwertbare Power ist es, was beim Alpen-Masters zählt. Und von der haben sowohl die Duc als auch die Triumph Speed Triple S massig. Die Leistungsentfaltung beider Motoren ist vorbildlich, aber bei Lastwechseln, Kupplung und Getriebe liegt der 1050er-Speedy-Antrieb den entscheidenden Tick vorne, was ihm knapp den Sieg in der Motorenwertung einbringt. Nur so nebenbei: Im Motoren-Kapitel krallt sich der Zehnfuffziger-Drilling die zweithöchste Punktzahl im 2016er-Alpen-Masters. Schon eher lässt sich die preisliche Differenz beider Maschinen in den Fahrwerkskomponenten verorten. Wie besonders die feine Öhlins-Gabel der Monster R anspricht, das hat schon etwas Erhabenes. Die Abstimmung ist überraschend komfortabel, ohne darüber ins Unsportliche abzugleiten. So fährt das R-Monster mit langem Radstand neutral, harmonisch, präzise, rundum überzeugend.
Straffer, härter, sehr satt gedämpft dagegen rollt die Triumph Speed Triple S. Das kostet etwas Komfort, und die Handlichkeit ist, auch aufgrund des etwas höheren Gewichts bzw. des höheren Schwerpunkts, etwas weniger ausgeprägt. Aber die großen Reserven der Federung, die schlafwandlerische Stabilität der Engländerin, ihre bestechende Neutralität, all das bringt richtig Fahrbarkeit und entsprechend Zähler. Ihr hilft auch, dass die Duc zwar überragend verzögert, beim Bergab-Bremstest mit Sozius aufgrund der aggressiven ABS-Abstimmung aber schwindelerregende Stoppies produziert. Weil die Speedy obendrein für ein Naked komplett ausgestattet ist, viel Zuladung hat und sich sonst keinerlei Blöße gibt, gebührt der rundum ausgewogenen Engländerin damit der Sieg in der Kategorie Naked Bikes.
MOTORRAD-Fazit
Die KTM 690 Duke ist ein Motorrad für Freaks im besten Sinne, hat aber gegen die wesentlich stärkeren, vielseitigeren Mehrzylindermaschinen keine echte Chance. Die MV Agusta Brutale 800 ist ebenfalls ein extrem fahraktives, aber auch sehr anstrengendes Motorrad. Hier geht nichts von selbst. Die Ducati Monster 1200 R überzeugt mit sattem V2-Punch und einem hervorragend abgestimmten Fahrwerk, das Sport und Komfort sehr gelungen vereint. Nicht ganz so komfortabel, aber ausgesprochen satt, stabil, fahrbar, macht die Triumph Speed Triple S als unterm Strich ausgewogenste Maschine den Sieg klar.
Platz 1: Triumph Speed Triple S

Plus:
- geschmeidiger Antrieb, sauberes Ansprechen, tolle Dosierbarkeit
- Durchzug auf Spitzenniveau, extrem verwertbare Leistung
- fährt neutral und stabil
- für ein Naked Bike sehr komplette Ausstattung
Minus:
- recht sportliche Sitzposition, auf Dauer ermüdend
- schlechte Rücksicht
Platz 2: Ducati Monster 1200 R

Plus:
- druckvoller Vau-Zwei, satte Spitzenleistung
- Fahrwerk liegt goldrichtig zwischen Komfort und Sportlichkeit
- hervorragende Bremse
- gutes Elektronikpaket, tolle Traktionskontrolle
Minus:
- erreicht nicht ganz die Stabilität und Laufruhe der Triumph
- Stoppieneigung bergab
Platz 3: MV Agusta Brutale 800

Plus:
- feuriger Dreizylinder mit Sportgenen
- extreme Handlichkeit
- tolle Bremswirkung, sauber appliziertes ABS
Minus:
- unsaubere Gasannahme, starke Lastwechsel
- sehr unkomfortabel und ermüdend
Platz 4: KTM 690 Duke

Plus:
- spielerisches, fliegengewichtiges Handling
- ordentlicher Komfort, gelungene Ergonomie
Minus:
- unelastischer Motor, schlechter Durchzug, verlangt nach sehr viel Schaltarbeit
- federt und dämpft zu lasch, ausgeprägte Fahrwerksunruhe
Alpen-Masters-Wertung
Maximale Punktzahl | Ducati Monster 1200 R | KTM 690 Duke | MV Agusta Brutale 800 | Triumph Speed Triple S | Motor | 150 | 126 | 97 | 106 | 127 | Fahrverhalten | 180 | 128 | 109 | 118 | 134 | Alltag | 100 | 50 | 54 | 49 | 53 | Komfort | 70 | 25 | 27 | 16 | 25 | Gesamtwertung | 500 | 329 | 287 | 289 | 339 | Platzierung | 2. | 4. | 3. | 1. |
Daten Ducati und KTM
Hier sehen Sie einen Auszug der technischen Daten. Wenn Sie die kompletten, von uns ermittelten Messwerte inklusive aller Verbrauchs-, Durchzugs- und Beschleunigungswerte möchten, können Sie den Artikel als PDF zum Download kaufen.