BMW R 1200 R und Ducati Monster 1200 im Vergleichstest

BMW R 1200 R und Ducati Monster 1200 im Test Zweizylinder-Roadster im Vergleich

Mit dem wassergekühlten Boxer und einem komplett neuen Rahmen erstrahlt die BMW R 1200 R in neuem Licht. Zwei Zylinder, knapp 1200 cm³ Hubraum und 125 PS – mit diesen Eckwerten ruft die Bayerin die Ducati Monster 1200 auf den Plan.

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Sie trägt Schwarz, die BMW R 1200 R. Distinguiert, nobel, so als wollte sie sich bewusst zurücknehmen. Bloß nicht mehr prahlen. Schließlich ­hatten sie ihre Entwickler bereits auf den Herbst- und Frühjahrsmessen ins Rampenlicht geschoben. Ausgerechnet das seit Jahr und Tag so unscheinbare graue Mäuslein der BMW-Zweizylinder-Modellpalette wurde zum Trendsetter der Boxer-Abteilung gekürt. Dass sie nach der GS und dem Reisedampfer RT den neuen wassergekühlten Flat-Twin übernahm, war ja nur logisch. Doch mit der unspektakulären Nackten deuten die Bayern möglicherweise die nächste technische Richtungsänderung im Boxer-Milieu an: Adieu Telelever, servus Telegabel.

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Selbstverständlich durfte das Classic-Bike R nineT zuerst wieder ganz konventionell federn. Doch mit dem Wasser-Boxer ­reichen die technischen Konsequenzen bei der BMW R 1200 R weiter. So musste das Fahrwerk quasi von Grund auf neu konstruiert werden. Die tragende Säule des neuen Konzepts bildet nun ein Gitterrohrrahmen mit konventionellem Lenkkopf und angeschraubtem Rahmenheck. In den frei gewordenen Bauraum des Dreieckslenkers schlüpft nun der zentral und damit unauffällig angeordnete Wasserkühler, davor klemmt die Up­side-down-Gabel das Vorderrad zwischen ihre Holme. Dass eine Großserien-Gabel zudem deutlich kostengünstiger als die mit Kugelgelenken technisch aufwendige Telelever-Lösung sein dürfte, wird wohl ein willkommener Nebeneffekt gewesen sein.

Warum nicht der Vergleich mit Ducati Monster 1200 S?

Doch trotz all des Aufwands, angeben ist eben nicht das Ding der BMW R 1200 R. Immerhin hatte sich die R erst vor zwei Monaten in einem Konzeptvergleich mit der dreizylin­drigen Triumph Speed Triple und der Honda CB 1000 R mit dem Reihenvierer angelegt – und gewonnen. Die Ducati Monster 1200 hält in dieser Beziehung kräftiger dagegen. Erst im vergangenen Jahr wurde die Italienerin vorgestellt. Und zeigt sich mit zwei Zylindern, 1198 cm³ Hubraum und nominell 128 PS dem 1170er-BMW-Treibsatz mit 125 PS gewachsen. Ein Duell auf Augenhöhe.

Finanziell unterscheidet sich das Duo dennoch. 12.800 Euro kostet die BMW R 1200 R im Grundpreis. Doch eine lange Liste an Zubehör (siehe technische Daten) hievt die bayerische Testmaschine auf fast 16.000 Euro. Die preislich dazu passende, 16.250 Euro teure S-Ausgabe der Monster (Gabel und Federbein von Öhlins statt von Kayaba und Sachs, hochwertigere Bremsanlage, geschmiedete statt gegossene Räder) würde mit einer Nennleistung von 145 PS jedoch leistungsmäßig nach oben ausbrechen. Weshalb sich der neue Boxer mit der Standard-Version der Ducati Monster 1200 anlegen und von deren Tarif (13.490 Euro) um zweieinhalb Riesen unterbieten lassen muss.

Naked Bike

Ducati bollert sonor, BMW etwas dezenter

Immerhin, bereits vor der ersten Kurbelwellenumdrehung versprüht die BMW Hightech-Flair. Keyless Ride (Aufpreis 255 Euro) nennt sich neudeutsch die Transponder-Technik, die ab etwa zwei Meter Abstand die Zündung freischaltet. Schlüssel in der Jackentasche, das kann man bequem finden, doch ein Risiko bleibt: Wer den Sender versehentlich in der Garage liegen lässt, kann zwar losfahren, doch beim nächsten Stopp an Tanke oder Eisdiele wird’s peinlich. Moderne Zeiten. An welche die Ducati zunächst nicht erinnert. So zäh wie eh und je zieht der Anlasser die Kolben der Monster durch die Zylinder. Man kennt das. Doch wie alle V2 aus Bologna springt die Monster trotzdem zuverlässig an.

Das war’s aber schon mit der Zurückhaltung. Sonor bollert die Ducati Monster 1200 los, die BMW R 1200 R einen Hauch dezenter. Laut ist out, das war einmal. Also die Nachbarn nicht ärgern, Abfahrt. Bereits die Sitzposition deutet die Ausrichtung des Duos an. Ein relativ hoher Lenker und ein tiefer Sitz (Sitzhöhe 770 mm) positionieren den BMW-Reiter vergleichsweise aufrecht, erinnern daran, dass die R als lässiger Roadster konzipiert ist. Wer möchte, kann die Sitzhöhe über vier verschieden dick gepolsterte Sitzgelegenheiten (je 257 Euro) in einem Bereich von stattlichen acht Zentimetern individualisieren. Sportlicher, aber dennoch kommod sitzt es sich auf der Monster. Kein Vergleich zur übertrieben vorderradorientierten Sitzposition auf den Vorgänger-Modellen. Der um je vier Zentimeter höhere und näher zum Fahrer gerückte Lenker wirkt Wunder, ergänzt die fahraktive Haltung um genau den richtigen Schuss Entspannung. Wer höher oder niedriger sitzen möchte, kann die zweifach einstellbare Standard-Sitzbank in ihrer Aufnahme verschieben (Sitzhöhe 785 oder 810 mm) oder mit drei verschieden hohen Zubehörsitzen (190–225 Euro) um 65 Millimeter variieren. Fein.

BMW R 1200 R mit 1127 Gramm größerer Schwungmasse

Die ersten Schwünge kneten die Reifen warm und pumpen das Dämpferöl durch Gabel und Federbein, der bedachte Dreh am Gasgriff bringt die Motoren sacht auf Temperatur. Welch ein Unterschied! Geschmeidig wie ein wohlig schnurrender Hauskater geht der Boxer zu Werke. Die um 1127 Gramm größere Schwungmasse von Kurbelwelle und Primärrad, mit der die Münchner bereits der GS in diesem Modelljahr sanftere Manieren beibrachten, kultiviert auch die neue BMW R 1200 R. Bereits tief unten im Drehzahlkeller zieht der Boxer an, schüttelt unterhalb von 2500 Touren noch kaum merklich mit den Ohren, um über dieser Marke mit besten Manieren loszudrücken. Wie die Faust aufs Auge passt der optionale Schaltassistent (442 Euro) zu diesem unkomplizierten Charakter. Einem Automatikgetriebe gleich lassen sich die Gänge mit dem Zündunterbrecher fast ohne Zugkraftunterbrechung durchsteppen. Gar zum ­Erlebnis avanciert damit das Herunterschalten. Einfach auf den Schalthebel treten, und die Elektronik passt mit einem Stoß Zwischengas das Drehzahlniveau an. Vor allem in den höheren Gängen gelingt das mit diesem sogenannten Blipper seidenweich und fast übergangslos.

Überhaupt die Elektronik. Zauberwort Ride-by-Wire. Per Knopfdruck lassen sich Ansprechverhalten und Abstimmung der Traktionskontrolle verändern. Sanft und sicherheitsbewusst im Rain-Modus, spritzig und aggressiv in der Dynamic-Stufe, homogen und alltagstauglich in der Road-Abstimmung. So leicht, dass die meisten wohl nicht nur auf die individuell kombinierbare User-Variante verzichten werden, sondern auch das Potenzial des Boxers zunächst verkennen. Dass der Flat-Twin der BMW R 1200 R im praxisrelevanten Bereich unterhalb von 7000 Touren dem Ducati-V2 überlegen ist, offenbart bei diesem geschliffenen Auftritt erst der Blick auf die Leistungskurve.

Naked Bike

Monster 27 Kilogramm leichter als R 1200 R

Denn der Italo-Twin weiß sich äußerst gekonnt in Szene zu setzen. Die schlechte Laune unterhalb von 3000/min, der notwendige kräftige Zug am Kupplungshebel, die vergleichsweise lange Übersetzung, all das ist vergessen, wenn die Ducati Monster 1200 loslegt. Spritzig drückt der L-Motor dank kurzem Hub voran, peitscht sich wohlig massierend durchs Drehzahlband. Während sich die BMW R 1200 R betont zurückhaltend gibt, haben die Mannen aus Bologna eine hochemotionale Kombination aus Sportlichkeit und Effizienz punktgenau getroffen, allein durch diesen Motor der Monster einen ganz besonderen Erlebniswert implantiert.

Wobei sich die Ducati Monster 1200 nicht nur der Show verpflichtet fühlen. Denn mit gemessenen 138 PS liegt der Vau-Zwo erstens deutlich über seiner Nennleistung von 128 Pferden, zweitens in der Spitzenleistung klar über der 125 PS kräftigen BMW R 1200 R und damit drittens auch bei allen Fahrleistungen vor der Bayerin.

Imposant, auch wenn der Vollgas-Auftritt ­sicher nicht zu den Kernkompetenzen von Naked Bikes gehört. Doch selbst im Durchzug nimmt die vergleichsweise lang übersetzte Ducati Monster 1200 der BMW R 1200 R ein paar Zehntel ab, profitiert in erster Linie dabei von ihrer Sportsfigur. Immerhin 27 Kilogramm trennen die 215 Kilo leichte Monster von der 242 Kilo schweren BMW.

Naked Bike

BMW R 1200 R fühlt sich subjektiv leichter an

Dass die Ducati Monster 1200 auch elektronisch am Puls der Zeit ist, versteht sich von selbst. Ride-by-Wire? Klar. Traktionskontrolle? Selbstverständlich. Verschiedene Fahrmodi? Logisch. Am besten glättet denn auch das Touring-Mapping das im Sport-Modus noch bissige Ansprechverhalten. Wer’s noch sanfter mag, wählt die Urban-Abstimmung, genießt die weiche Gasannahme und bleibt auch mit den gemessenen 107 PS ausreichend motorisiert.

Und freut sich ebenfalls über das Fahrwerk. Vorne weich, hinten hart, selbst die ehemals für die Monster typische Federungsabstimmung ist längst Geschichte. Gut ausbalanciert wuselt sie dahin, kann gerade auf Landstraßen ihre Stärken ausspielen. Zugegeben, das Setup bleibt grundsätzlich sportlich, doch nicht über Gebühr straff. Und so liegt die Ducati Monster 1200 satt, bietet exzellente Rückmeldung und lenkt vor allem schnittig und präzise ein. Kein Wunder. Denn mit gut drei Grad steilerem Lenkwinkel, 32 Millimeter kürzerem Nachlauf und besagter statt­licher Gewichtsdifferenz profitiert die Duc auf winkligem Geläuf von ihren Anlagen.

Auch wenn dem Bayern-Roadster seine Speckrollen kaum anzumerken sind. Locker lässt er sich durch die Kehren schwingen, fühlt sich subjektiv deutlich leichter an. Liegt’s an der semiaktiven Federung? In Wechselkurven mag das sein. Dort justiert die von der geballten Informationsflut der Sensorik gefütterte Steuerelektronik die Dämpfungsventile an Gabel und Mono­shock offenbar penibel, erstickt mit straffer Dämpfung jeden Ansatz von Unruhe im Keim. Dennoch kommt die noch junge Technik oder zumindest deren Abstimmung auf Rumpelpisten an ihre Grenzen. Während die Gabel asphaltierten Unbill noch gut wegsteckt, gibt das Federbein harte Schläge trocken an den Piloten weiter. Doch davon abgesehen zieht die BMW R 1200 R blitzsauber um jeden Radius, stellt sich kaum auf und knüpft damit auch beim Fahrwerk formschlüssig an die Easy-Riding-Attitüde ihres Motors an.

Atemberaubende Verzögerungswerte von beiden

Selbst wenn es brennt. Die Kraft eines einzigen Fingers reicht, um die Bremsbeläge kraftvoll in die Scheiben beißen zu lassen. Und zwar bei beiden Bikes. Die Verzögerungswerte sind mit 10,3 m/s² (BMW R 1200 R) ­beziehungsweise 10,0 m/s² (Ducati Monster 1200) nicht nur für Naked Bikes atemberaubend, das Regelverhalten der ABS-Anlagen erstklassig. Doch nach dieser seltenen Einigkeit trennen sich die Wege des Duos wieder.

Nach den letztlich so grundverschiedenen Motoren und der ebenfalls so unterschiedlichen Fahrwerksausrichtung bleibt auch das tägliche Leben mit den Zweizylindern Geschmackssache. Hauptständer, Gang- oder Benzinstandsanzeige, damit kann, ja will die Ducati Monster 1200 nichts anfangen. Individualismus und Schönheit sind angesagt. Das an der Hinterradabdeckung befestigte Kennzeichen, das glasklare und farbige TFT-Display, die toll gezeichnete Einarmschwinge oder die optisch so mächtigen Auspuffkrümmer, damit will die Italienerin ihren prickelnden Charakter unterstreichen. Und tut es auch.

Dass sie in dieser Beziehung von der nüchternen Deutschen ausgehebelt wird, wen wundert’s. Das famose Licht, der wirkungsvolle Lenkungsdämpfer, der pfiffige Schaltassistent oder der besagte Hauptständer samt ausgetüfteltem Gepäcksystem, dagegen ist die Ducati machtlos. Und wahrscheinlich ist sie der BMW R 1200 R deshalb noch nicht einmal böse. Denn mit dem so emotionsstarken Motor und dem handlichen und unprätentiös ehrlichen Fahrwerk konzen­triert sich die Italienerin auf die Essenz des Motorradfahrens. Oder anders ausgedrückt: Der Sieg nach Punkten mag an die BMW R 1200 R gehen, doch für viele ist sicher die Ducati Monster 1200 Siegerin der Herzen.

Technische Daten

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Motorenkonzepte

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Geschmeidige Laufkultur und gleichmäßige Leistungsentfaltung beim BMW-Motor, hemdsärmeliger Auftritt im Drehzahlkeller und druckvoller Einsatz ab der Drehzahlmitte beim Ducati-Triebwerk. Die Charaktere der beiden Motoren unterscheiden sich erheblich. Der Grund: deren unterschiedliche Konzeption.

Der BMW-Boxer begründet seine Lauf­­kultur im Wesentlichen mit seinem symmetri­schen Aufbau. Durch den Hub­zapfen­ver­satz von 180 Grad erreichen beide Kolben gleichzeitig ihre unteren und oberen Totpunkte. Die Massenkräfte heben sich dadurch perfekt auf. Die nicht gleichzeitig, sondern im Wechsel von je 360 Grad zündenden Zylinder erzeugen zudem eine weitgehend homogene Leis­tungsentfaltung.

Unrhythmische Zündfolge bei V2-Motor

Dahingegen generiert ein V2-Motor eine grundsätzlich unrhythmische Zündfolge. Bei der Ducati Monster 1200 ergibt sich durch die Zylinderspreizung von 90 Grad eine unregelmäßige 270/720-Grad-Zündfolge. Die verschieden großen Zündabstände verursachen in unteren Drehzahlen den auch bei der Monster 1200 spürbaren unrunden Motorlauf unterhalb von 3000/min. Im oberen Drehzahlbereich äußert sich diese Zündfolge in dem für einen V2 typischen pulsierenden Motorlauf.

Trotz der konstruktiven Unterschiede bleibt es letztlich auch dem Hersteller überlassen, die charakterlichen Eigenheiten dieser Motorbauarten zu betonen oder abzuschwächen. Die Größe der Schwungmasse, Steuerzeiten, Verdichtung oder das ­Volumen von Airbox und Auspuffanlage besitzen auf die Laufkultur eines Motors großen Einfluss. So benimmt sich der ebenfalls mit 90-Grad-Zylinderwinkel konzipierte V2 der Suzuki V-Strom 1000 beispielsweise erheblich laufruhiger, vermittelt durch die Kultivierungsmaßnahmen aber auch deutlich weniger Emotionen.

MOTORRAD-Testergebnis

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1. BMW R 1200 R
Wie schrieb MOTORRAD unlängst über die neue BMW R 1200 R? Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Das stimmt noch immer. Die R siegt mit ihrer konsequent durchgehaltenen Homogenität.

2. Ducati Monster 1200
Die Ducati Monster 1200 besticht mit der Kombination aus unprätentiösem Fahrverhalten und vor allem einem ­bärigen Motor. Dass sie die Alltagskriterien etwas lässiger nimmt, wer könnte ihr das übel nehmen?

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