Motor, Fahrwerk, Elektronik – alles ist neu bei der R ab Jahrgang 2021. Der Vergleich lehrt eine Menge über die Wirkung leichter Räder und neuer Reifen sowie den Komfortgewinn durch länger übersetzte Gänge und übersichtliche Anzeigen.
Motor, Fahrwerk, Elektronik – alles ist neu bei der R ab Jahrgang 2021. Der Vergleich lehrt eine Menge über die Wirkung leichter Räder und neuer Reifen sowie den Komfortgewinn durch länger übersetzte Gänge und übersichtliche Anzeigen.
Meist ist es schwer bis unmöglich, ein Vorgänger-Vergleichsmotorrad für so einen Test zu bekommen, doch dieses Mal hatten wir Glück und erhielten vom BMW-Händler Brauneisen aus Wendlingen ein fast taufrisches "altes" Exemplar der BMW S 1000 R, das noch keine 4.000 Kilometer auf dem Tacho hatte. Allerdings war diese Maschine wie die meisten bisherigen Testmaschinen mit Standardrädern ausgerüstet, während die neue R auf superleichten Karbonrädern rollte. Fast vier Kilogramm beträgt der Unterschied in Summe, und wahrscheinlich fällt ein guter Teil der Gewichtsersparnis relativ weit außen an, wo sie die Trägheitsmomente der Räder besonders wirksam reduziert.
Welcher Anteil an der fulminanten Handlichkeit der neuen BMW S 1000 R den leichten Rädern zukommt und welcher dem neuen Fahrwerk mit längerem Radstand, aber steilerem Lenkkopfwinkel und kürzerem Nachlauf, war deshalb nicht zu bestimmen. Nur so viel ist sicher: Wer eine S 1000 R kaufen will, egal ob vom älteren oder neueren Typ, tut gut daran, so viel er sich leisten kann für leichte Räder auszugeben. Es gibt ja für beide Typen auch Schmiederäder, die preislich und im Gewicht zwischen den Standard- und den Karbonrädern liegen.
Bei den Fotofahrten war die 2019er-Maschine noch mit einer Bridgestone-Mischbereifung bestückt, für die eigentlichen Testfahrten wurde sie wie die 2021er auf Pirellis Rosso Corsa II gestellt. Doch trotz nunmehr identischer Reifen lenkt die neue BMW S 1000 R viel leichter ein und hält beim Beschleunigen in Schräglage die enge Linie, während die rote Vorgängerin dabei fühlbar in Richtung Kurvenausgang drängt. Durch den kurzen Wimpernschlag, den man auf der Neuen weniger Zeit braucht, um sie in Schräglage zu bringen, nimmt man einen runderen und flüssigeren Fahrstil an, lenkt einen Tick später und mit ein wenig mehr Geschwindigkeit ein. Alles wirkt unbeschwert. Es ist auch leichter möglich, unübersichtliche Linkskurven auf schmalen Straßen sehr weit rechts außen anzugehen und zu durchfahren und so einen guten Sicherheitsabstand zu entgegenkommenden Autos zu halten.
Stärker vorderradorientierte Sitzposition
Ein eindeutig sportlicheres Profil gewinnt die neue BMW S 1000 R durch die geänderte Fahrer-Sitzposition. Die Lenkerenden liegen zwar auf gleicher Höhe wie bei der Vorgängerin, doch der neue, nur geringfügig nach hinten gekröpfte Lenker sorgt für eine stärker vorderradorientierte Sitzposition. Wie die S 1000 RR, von der sie abgeleitet ist, hat auch die neue R eine schmalere Taille; ohne Komforteinbußen gibt sie dem Fahrer die besseren Möglichkeiten, sich auf dem Motorrad zu bewegen, und das kommt einem vor allem dann zugute, wenn man es auf kurvenreichen Straßen etwas flotter angehen lässt.
Die geänderte Sitzposition wirkt sich auch auf die Hochgeschwindigkeitsstabilität aus. Damit hatte die bisherige BMW S 1000 R auf welligen Autobahnen ab etwa 240 km/h ein Problem, falls jemand darauf bestand, über längere Zeit so schnell zu fahren. Die Nachfolgerin liegt etwas satter, doch auch bei ihr machen sich bei hohem Tempo Symptome starker aerodynamischer Entlastung der Frontpartie bemerkbar. Die Gabel spricht beim Überfahren von Bodenwellen nur noch bockig an, zudem verursacht der im Wind hängende Fahrer meist selbst die Lenkimpulse, die Pendeln um die Längs- und Hochachse nach sich ziehen. Es bleibt trotz leichter Besserung dabei: Unverkleidete Motorräder sind für solche Fahrten nicht die am besten geeigneten.
Bei unveränderten Werten für Bohrung und Hub haben die BMW-Ingenieure den Grundaufbau des S 1000 RR-Motors komplett verändert. In der BMW S 1000 R kommt er in einer einfacheren Variante ohne die Schaltnockenwelle zum Einsatz; die Leistung ist gleich geblieben wie bei der Vorgänger-R. Auf dem Prüfstand erzielt der neue Motor fast über den gesamten Bereich eine minimal höhere Leistung, die man aber nicht überbewerten sollte. Denn trotzdem wäre es sehr schwierig, die beiden Motoren bei einer Blindverkostung auseinanderzuhalten. Am ehesten geht das noch beim Fahrgeräusch, weil der ältere Motor deutlich lauter klingt und auch noch Schnickschnack wie die sogenannte "Schubakustik" ermöglicht, das Brabbeln des Motors im Schiebebetrieb. Doch die Grundrauigkeit der Motoren, die keinesfalls lästig fällt, ihr Lastwechselverhalten in den diversen Modi, das leichte Konstantfahrruckeln, ihr Biss im mittleren Drehzahlbereich lassen erkennen, dass sie beide aus demselben Stall kommen. Gut möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass leistungsbestimmende Partien wie Kolben, Brennraum oder die Kanäle weitgehend baugleich sind.
Die sehr viel leichtere Kupplungsbetätigung bei der neuen BMW S 1000 R fällt auf, die nicht auf geringere Zugreibung zurückzuführen ist. Der Kupplungszug des praktisch neuen Vorgängermodells war in tadellosem Zustand. Die größten Änderungen im Antriebsstrang wurden beim Getriebe vorgenommen – während der Primär- und Sekundärtrieb sowie die ersten drei Gänge gleich geblieben sind, wurden die Gänge vier, fünf und sechs bei der neuen S 1000 R länger übersetzt. Im sechsten Gang dreht der Motor bei 100 km/h etwa 300/min weniger. Beim Mitschwimmen im Verkehr oder entspannten Cruisen wird diese Drehzahlsenkung als sehr angenehm empfunden, und die minimal schlechteren Durchzugswerte im unteren Geschwindigkeitsbereich sind leicht zu verschmerzen. Selbst die 0,6 Sekunden, welche die neue BMW S 1000 R von 140 bis 180 km/h verliert, fallen beim Studium der Messwerte stärker auf als in der Praxis. Bei der Beschleunigung hat die neue S 1000 R die Nase ein kleines Stückchen vorn, aber dieser Vorteil ist in der Praxis eher noch weniger relevant. Die Diagramme (zu sehen in MOTORRAD 10/2021) stellen die Unterschiede grafisch dar. Gut zu sehen ist hier die geringere Zugkraft der Neuen im sechsten Gang, die allein durch die längere Übersetzung verursacht wird.
So bleibt als größter messtechnischer Unterschied der deutlich geringere Verbrauch der 2021er-BMW S 1000 R. 0,4 Liter, die pro 100 Kilometer eingespart werden, verhelfen ihr zur gleichen Reichweite – trotz eines um einen Liter geringeren Tankvolumens – und dem Fahrer auf Dauer zu einer entsprechenden Kostenersparnis. Nebenbei bemerkt ist der um einen Liter kleinere Tank eine weitere Relativierung des auf den ersten Blick so großen Gewichtsunterschieds zwischen neuer und alter BMW S 1000 R. Vier Kilogramm gehen auf die Räder, 0,74 auf den kleineren Benzinvorrat. Die 2021er-Maschine erscheint auf den Fotos ohne Soziuskit; dieser ist aber ohne Mehrpreis zu haben und wurde mitgewogen. In Soloausführung ohne Soziusrasten und Sitzpolster kommt die Neue auf 199 Kilogramm. Ausstattungsbereinigt beträgt die Gewichtsersparnis also etwa fünf Kilogramm. Dieser Wert ist weniger spektakulär als die in der Datentabelle (zu sehen in MOTORRAD 10/2021) verzeichneten zehn Kilogramm, ist aber trotzdem aller Ehren wert. Schließlich war die S 1000 R noch nie ein schweres Motorrad und es bedurfte schon fleißiger Feinarbeit, zum Beispiel an der neuen Schwinge, um noch fünf Kilogramm abzufeilen.
Und dann verirrten sich die Tester buchstäblich im Stehen am Straßenrand. Nicht weil sie wirklich orientierungslos geworden wären, sondern im übertragenen Sinn, beim Durchgang durch die Einstellmenüs des 2019er-Modells. Das betrifft nicht die unterschiedlichen Fahrmodi; die sind mittels einer Taste am rechten Lenkerende leicht zu wechseln. Alles andere jedoch, von der Einstellung der Uhrzeit bis hin zu den unterschiedlichen ABS-Modi, ist auch dank des großen, farbigen und gut ablesbaren TFT-Displays der aktuellen BMW S 1000 R viel übersichtlicher in der Auswahl und Konfigurierung. Während einem die Menüführung der älteren wie ein kleines Mysterium erscheint, wirkt diejenige der neuen wie ein buntes Bilderbuch, das zum Weiterblättern einlädt.
Selbst wenn beide die Sonderausstattung Fahrmodi Pro besitzen, bietet die Neue wesentlich mehr Einstellmöglichkeiten, zum Beispiel fünf verschiedene ABS-Modi oder eine vierstufige Traktionskontrolle. Neben mittlerweile üblichen Features wie der Wheeliekontrolle ist jetzt auch das Motorbremsmoment in drei Stufen einstellbar. Was sich in den diversen ABS-Modi ändert – wie nahe die Regelung ans Limit geht, wie die Bremskraft auf Vorder- und Hinterrad verteilt wird oder ob das Hinterrad-ABS ganz abgestellt wird –, wird genau angezeigt, während die ABS-Modi bei der Vorgängerin einfach an die jeweiligen Fahrmodi gekoppelt waren, ohne dass man genau wissen konnte, was da im Einzelnen passiert. Eine Schräglagenfunktion des ABS besitzen beide Modelle.