V2 gegen V4 im Test: Neue Ducati Streetfighter V2 S und Streetfighter V4 S

Test Ducati Streetfighter V2 S & Streetfighter V4 S
V2 oder V4 - welcher Streetfighter ist besser?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 30.10.2025
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Streetfighter – ein Name, der was gilt in der Zweiradwelt, und zwar schon seit 2009. Dahinter steckt nicht weniger als der Anspruch, das stärkste, wildeste und reinblütigste Sportmotorrad für die Straße zu liefern. Wer die racingverstrahlten Signore und Signori aus Bologna kennt, ahnt, dass im zugehörigen Lastenheft Alltagstauglichkeit von Anfang an weit unten und Opferbereitschaft weit oben stand.

Dynamik-Drama in der Ducati-Streetfighter-Historie

Brettharte Sitzpolster, ungnädige Federung, ohrenbetäubende Verbrennungsarien, wild hackende Antriebsstränge, das Wärmemanagement eines Weber-Grills und nicht zuletzt das elitäre Pricing: Die mögliche Palette an Qualen, die dem ungehemmten Dynamik-Drama auf einer Ducati Streetfighter voranstehen, war bisher recht lang. Das passte ja auch super zur wohlumsorgten Marken-DNA, nach der sich die Meriten, ob nun aufm Siegertreppchen oder am Stammtisch, erst redlich verdient werden mussten.

Seitdem ist ein bisschen was passiert, und auf der immer erfolgskritischeren Suche nach Marktanteilen und Wachstum müssen selbst die Roten verstärkt darauf achten, es den Kunden von heute nicht zu schwer zu machen, ohne gleichzeitig ihr ungestümes Erbe zu verwässern. Also wurde die Liste der Qualen über die Jahre mal ein wenig kürzer oder das Ausmaß ihrer Inhalte ein wenig gnädiger.

Allzu laut schrie man diese Entwicklungen natürlich nicht heraus, aber die Domestizierung fand statt, wenn auch nur klein und fein im Hintergrund. Quasi en passant sind dazu noch Marken-Identitätsstifter wie Desmodromik, Gitterrohr, Trockenkupplungen und sogar das V2-Herz mitunter schon in die Abteilung "Unternehmensarchiv" verschoben worden. Weichere Motorräder und härtere Zeiten für aufrechte Ducatisti?

30 PS weniger bei der neuen Ducati Streetfighter V2 S

Und jetzt auch noch das: Die neue "kleine" Ducati Streetfighter V2 kommt zwar noch mit V2, hat aber über 30 PS weniger als bisher. Und dann auch noch fast zehn Dezibel weniger Standgeräusch. Ja, sind sie denn jetzt vollkommen verrückt in Borgo Panigale?

Gemach, amici rossi, weniger kann selbst im italienischen Epizentrum des Wettrüstens durchaus mehr sein. Denn ganz nebenbei wurden, verglichen mit unserer letzten Testmaschine, auch mal eben 23  Kilogramm abgeschabt. Dafür sind vor allem der neue V2 und die nun zweiarmige Schwinge verantwortlich. Und hat man das neue Aggregat nach einer überraschend langen Orgelei erst mal kaltgestartet (diese kleine Divenhaftigkeit leistet sich die Streetfighter noch), freut sich auch der größte Krawallbruder über die neue Dezenz im Ohr. Es bollert kernig, aber halt nicht mehr mit Potenzial für nachbarschaftliche Gerichtstermine. Wenig Streitpotenzial liefert auch die feingetunte Ergonomie der Ducati Streetfighter V2 S: Tank etwas schmaler, Lenker etwas breiter, Sitzhöhe etwas niedriger und der Rest genauso zwickfrei und maßkonfektioniert fahraktiv wie bisher schon.

Vier vollständig nutzbare Gangstufen in der Innenstadt

Aber nur einmal an der moderaten Kupplung gezogen, einmal auf den flutschig-präzisen Schalthebel gesteppt, einmal sanft am Gas gezogen, und schon beginnt der Trip in eine ziemlich neue Streetfighter-Welt. Läppische 2.500 Touren reichen dem 890er-V2 für adäquaten Rund- lauf und schmalzige Kellerkraft, was heißt, dass die Ducati Streetfighter V2 S im Innerstädtischen nun tatsächlich vier voll nutzbare Gangstufen offeriert.

Und zwar vibrations- und lastwechselfrei bei angenehmer Gasannahme. So angenehm, dass abseits von persönlichen Geschmacksfragen wie eh und je das sportlichste Motor-Mapping "High" gut und gerne vorgewählt bleiben darf. Sei es nun frei mit den zahlreichen anderen Parametern zusammenkombiniert oder in den übergeordneten Fahrmodi "Sport" und "Race". Bei Letzterem sollte aber ein prüfendes Auge auf die dann doch sehr locker justierten Parameter wie ABS (nur vorne aktiv) und Wheeliekontrolle geworfen werden.

Spritzige Gasannahme und ambitionierte Drehfreude

Kein übertriebener Sicherheitseifer, denn der 890er-V2 beißt in der Spitze zwar nicht mehr ganz so arg, dafür aber überall sonst mit kontinuierlicher Macht zu. Es ist mitunter nur ein sprichwörtlicher Fingerdreh, die leichte und drehmomentstarke Maschine in den Vorderradschon-Modus zu befördern. Die bisherige, arg rennsportliche und unharmonische Kraftentfaltung samt ausgeprägtem Mittenloch ist einer nahezu perfekt ausgeglichenen Synthese aus linearem Druck, spritziger Gasannahme und ambitionierter Drehfreude gewichen. Sicher auch ein Verdienst der nun variablen Einlassventilsteuerung.

Zudem lässt sich die Kraft mit dem abermals überarbeiteten Quickshifter herausragend schnell, leicht und geschmeidig auf die sechs Fahrstufen verteilen. Und für rotherzige Goodies wie schmetterndes Geboller und animierendes Brabbeln beim Abtouren hat es auch noch gereicht. Da sind die arg weit oben versammelten Extrapferdchen des bisherigen Superquadro-Twins ganz schnell vergessen. Zumal diese ja auch noch deutlich mehr zu "schleppen" hatten, weshalb der 890er auch objektiv nur geringfügig schlechter beschleunigt, aber deutlich besser durchzieht. Ach so, und mit dem Sprit geizt er auch noch, verlangt einen guten Liter weniger als bisher.

Ganz klar, das ist wohl der beste V2 in dieser Hubraum- und Leistungsklasse. Gut, es ist ehrlicherweise auch der einzige V2 in dieser Hubraum- und Leistungsklasse. Aber so oder so: Hier sind wir ganz nah dran am Ideal für fordernden, aber nicht überfordernden Landstraßensport mit emotionaler Note und exklusiver Bauart.

Überarbeitetes Chassis sorgt für mehr Präzision und Stabilität

Dieser Eindruck ist natürlich auch der bekannt hervorragenden Chassisarbeit zu verdanken. Hier wurden Radstand und Nachlauf mit Bedacht Richtung Stabilität justiert, was das fast schon aggressiv leichtfüßige Handling der bisherigen Ducati Streetfighter V2 angenehm entschärft. Aber keine Sorge: Auch die neueste Iteration lässt sich dank der effektiven Diät noch präzise ausrichten, lenkt easy ein und erlaubt selbst in Schräglage problemlos Korrekturen, fühlt sich aber insgesamt einen Tick geerdeter an.

Daran ändert auch das Öhlins-Fahrwerk der erstmals erhältlichen S-Variante wenig, obwohl es nun eine gern genommene Extraportion Komfort ins System pumpt. Problemlos ist auch der Griff zur unnachgiebigen Stylema-Verzögerungsgewalt von Brembo: der wohl am feinsten dosierbare Wandeinschlag aller Zeiten. Echte Killerstopper, die auch in Schräglage kaum Aufstellmoment erzeugen und so standesgemäß fortgeschrittene In-den-Radius-Bremserei ermöglichen.

Knapp 18.000 Euro für die Ducati Streetfighter V2 S

Das Gesamtergebnis ist bestechend. Denn auch diese Streetfighter spricht ein emotionales Fahrdynamikversprechen aus, pulverisiert Kurve um Kurve und kann das Herz nachhaltig berühren. Aber sie ist nicht mehr beleidigt, wenn man Bologna auch einfach mal eine schöne Stadt sein lässt. Und empfiehlt sich damit jedem, der das enervierende Fahrerlebnis der Roten schätzt, aber nicht 24/7 die Attacke sucht.

Solvent sollte er oder sie natürlich trotzdem sein, wir reden schließlich immer noch von Ducati. 18 Riesen für die "Kleine" sind eine Ansage, keine Frage. Aber selbst hier üben die Bologneser neuerdings etwas Verzicht. Bisher waren sogar fast 19.000 Euro fällig, und das war noch ohne das adelnde S in der Modellbezeichnung. Wer aufs S und damit im Wesentlichen aufs Öhlins-Ornat verzichtet, muss gar "nur" knapp 15.500 Euro berappen. Verrückt, diese neue Streetfighter-Welt.

Es liegen Welten an Fahrdynamik zwischen V2 und V4

Dem ein oder anderen Hardcore-Ducatista vielleicht gar etwas zu verrückt. Doch keine Sorge: Wer nach der Devise "Pole Position or no Position" lebt, die Wörter "zu viel" konsequent ignoriert und sich über Geld nicht nur wenig, sondern bestenfalls gar keine Sorgen machen muss, findet immer noch ein passendes Angebot im Sport-Naked-Programm aus Bologna.

Hallo, Ducati Streetfighter V4 S, hallo, Wahnsinn! Zwar sieht die Große abseits der martialischen Flügel an der Front und des dicken 200er-Schlappens am Heck der Kleinen zum Verwechseln ähnlich, aber zwischen V4 und V2 liegen gefühlt Welten an Fahrdynamik. Schon beim Aufsitzen sehr viel Kanonenkugelritt-Vibes: Mehr Motor spreizt die Beine, knackiger positionierte Fußrasten und spürbar mehr Nähe zum Vorderrad. An diesem Eindruck ändern auch der etwas schlanker gewordene Tank und das großzügiger dimensionierte Sitzpolster nicht allzu viel. Auch die restlichen Befriedungsmaßnahmen sind subtiler als bei der V2, aber trotzdem spürbar.

Ducati Streetfighter V4 S: kein perfektes Stadtmotorrad

Man freut sich auch auf der V4 nun nach jedem Start über deutlich weniger offensives Bollern, obwohl immer noch stramme 105 Dezibel (bisher: 107) anderes vermuten lassen. Vor allem ist das bisher nervtötend drehzahlpräzise Hin und Her der Auspuffklappen einem sonoren, aber angenehm gleichmäßigen Schlag gewichen. Kleine Änderung, großer Effekt.

Nichtsdestotrotz: Ein perfektes Stadtmotorrad ist die Ducati Streetfighter V4 S immer noch nicht, wer hätte es auch gedacht? Es braucht trotz etwas höherer Laufkultur als bisher mindestens 3.000 Touren und höchstens Gang drei für annehmbaren Antriebskomfort. Die Bedienkräfte von Kupplung, Getriebe und Quickshifter sind spürbar höher als bei der Ducati Streetfighter V2 und Schärferes als der Fahrmodus "Road" sollte in diesem Umfeld möglichst vermieden werden. Die Reaktivität am Gasgriff wird angesichts des immensen Kraftangebots sonst einfach zu forsch. Auch das grundstraffe E-Fahrwerk von Öhlins agiert dann zu verbindlich, wenn auch sein Ansprechen vor allem am Heck noch mal schmeckbar geschmeidiger ist als beim analogen Pendant der kleinen Schwester.

Neues Kühlsystem beim V4 der Ducati Streetfighter

Heiß wird es rund um den V4 bei solch artfremder Bewegung immer noch. Dank neuem Kühlsystem zwar nicht mehr schmerzhaft glühend, aber man freut sich nach wie vor sehr aufs erlösende Ortsausgangsschild. Es würde jetzt gut passen, zu sagen, dass die große Rote dann endlich in ihrem Element ist. Korrekter wäre jedoch, dass sie diesem zumindest ein ganz klein wenig näher ist. Vorausgesetzt, man besitzt mindestens ein peripheres Interesse an Fahrlizenz und körperlicher Unversehrtheit. Es braucht schon eine unlimitierte Autobahn, um diesen Planetenkiller von Motor ernsthaft zu fordern. Eine weitläufige Rennstrecke, um die Fähigkeiten dieses superben Gesamtsystems anzutesten. Und wohl ein paar Semester MIT-Studium, um endlich zu verstehen, was das ominöse, virtuelle Sensorcluster "Ducati Vehicle Observer" eigentlich genau tut. Und doch würde man wahrscheinlich immer noch unschmeichelhaft weit vom Limit operieren.

Aber glücklicherweise ist selbst das vorsichtige Andippen der Fähigkeiten einer Ducati Streetfighter V4 S im echten Leben durchaus vergnüglich. Müsste man das Erlebnis auf einen Satz zusammendampfen, könnte man sagen, sie fährt wie die Ducati Streetfighter V2 auf Steroiden. Mal zwei. Wobei sich vor allem Motor und Fahrwerk in den Vordergrund wüten.

Boxengassige Natur des V4-Motors

Ersterer hat zwar im Vergleich zum Vormodell über große Teile des Drehzahlbands ein paar kleine Federn gelassen, aber: so what? Denn: Meldet man oben rechts Vollzug, explodiert unten mittig die Kraft. Wer diesseits von 8.000 Touren unterwegs ist, kennt bereits keine echten Gegner mehr und flirtet schon heftigst mit den Grenzen der StVO. Jenseits dieser Marke dann kann man kaum glauben, dass bei solch einem kraftschwangeren Einstieg ein noch mal gut 7.000 Umdrehungen großes, gewaltiges Crescendo folgt.

In diesem röhrt der bisher dank Zündfolge als V2 getarnte V4 dann auch schlussendlich seine wahre, sehr boxengassige Natur raus. Pure Ballistik, wie auch ein Blick auf die Messwerte zeigt. Anders als beim V2-Pendant empfiehlt sich angesichts solcher Kräfte auch beim ambitionierten Landstraßenkampf durchaus noch der moderate Fahrmodus "Road". In den schärferen Stufen wird das Kräftemessen mit Motor und Fahrwerk dann zunehmend dominanter. Wer es trotzdem wissen will, findet bei der Ducati Streetfighter V4 S schier unerschöpfliche digitale Manipulationsmöglichkeiten feinster Regelgüte.

28.000 Euro für die Ducati Streetfighter V4 S

Die Beinarbeit ist trotz straffer Note hervorragend. Wie sich die Federelemente souverän, aber trotzdem mit Geschmeidigkeit und Feingefühl gegen die Motorgewalt stemmen, ist beeindruckend. Klar, absolut gesehen handelt die Ducati Streetfighter V4 S nicht so behände wie die V2. Aber solch eine Beweglichkeit bei gleichzeitig stoischer Stabilität nötigt angesichts der Gewichtsklasse einer Hypernaked-Ducati fast mehr Respekt ab.

Apropos Gewicht. Selbst bei der "Dicken" wurden 4 Kilo wegtrainiert. Auch hier ist weniger also ein bisschen mehr. Außer beim Preis: 28.000 Euro sind in jeder Welt heftig und auch ein kleiner Aufschlag zu bisher. Nun, es kann sich ja nicht alles von heute auf morgen ändern.