Sind die Honda-Presseleute noch ganz bei Trost? Wollen die tatsächlich die Journalisten mit 48-PS-Motorrädern über die Rennstrecke des Parcmotor-Circuit Castellolí scheuchen? Ja, hat der European Junior Cup schon begonnen?
Erst einmal durchatmen und die Umgebung auf sich wirken lassen. Okay, es gibt gewiss Schlimmeres als Testfahrten in Spanien. Zum Beispiel Minusgrade und trübes Wetter in Deutschland. In der Gegend rund um Barcelona trägt man schon Flipflops und Badeshorts - na ja, zumindest die hartgesottenen Briten. 13 Grad Celsius und ein paar Sonnenstrahlen lassen aber auch das hiesige Bikerherz stärker pulsieren. Vor allem dann, wenn die neue Honda CB 500 F und die CBR 500 R schon auf ihre Fahrer warten und sich der neu konstruierte 471 Kubikzentimeter große Reihenzweizylinder behutsam warmpöttelt.
Als einziger Hersteller konzentriert sich Honda ernsthaft mit eigenständigen Modellen auf die mit Jahresbeginn neu etablierte 48-PS-Klasse. Das ist clever. Mit gleichermaßen fahrfreundlichen wie günstigen Mopeds will man die noch schlafende oder dösende Kundschaft aus dem Bett auf das Zweirad hieven. Der Verkaufserfolg der NC-700-Baureihe bietet Honda für dieses Vorhaben vielversprechende Startbedingungen. Den einen oder anderen verwunderte es dennoch, als bekannt wurde, dass die Japaner dieses Jahr in der gleichen Leistungsklasse drei weitere Modelle auf Basis eines Baukastenprinzips mit Halbliter-Motor nachschieben. Doch Obacht! Wer meint, dass die Baureihen von NC und CB(R) einander ähneln, der tappt im Dunkeln.
Bereits nach dem Platznehmen und einem kurzen Zupfer am Gashahn sind jegliche Zweifel verpufft: Der Vierventiler dreht schon im Stand befreit wie eine Windmühle durch das Drehzahlband und geht damit auf klare Distanz zum häufig aufgrund seiner Leistungscharakteristik als Dieselaggregat bezeichnete NC-700-Triebwerk. Die geringere Schwungmasse und die in Teilen am CBR 600 RR-Motor orientierte Konstruktion lässt vom Fleck weg auf eine dynamische Kraftentfaltung hoffen.
Die Unterschiede zwischen der nackten CB 500 F und der sportlichen CBR 500 R sind ungefähr so groß wie zwischen einem Kapuzenpulli und einem Pulli mit Kapuze. Neben der optisch an die Fireblade angelehnten Vollverkleidung mit Doppelscheinwerfer trägt die R lediglich einen etwas tiefer montierten und schmaleren Lenker. Mehr nicht. Das wars. Dafür muss der Käufer gegenüber der nackten Variante 500 Euro mehr berappen, womit insgesamt recht sportliche 6255 Euro (inklusive Nebenkosten) den Besitzer wechseln. Was daran sportlich ist? Beide Motorräder sehen erwachsen aus, sind mit beispielsweise Zweikolben-Schwimmsätteln und nicht einstellbaren Hebeleien zwar einfach, aber keineswegs billig verarbeitet. Da klappert nichts. Das ist besonders hervorzuheben, da die 500er-Baureihe zum größten Teil nicht in den Fertigungshallen Japans, sondern in Thailand produziert wird - für diese Hubraumklasse ein Novum für den Hersteller. Kann man auch dort den sonst hohen Qualitätsstandard in der Serienfertigung umsetzen, ist der Preis fair kalkuliert - eben eine sportliche Kampfansage gegenüber den Mitbewerbern.
Honda CB 500 F: ergonomisch unkompliziert

Das Baukastenprinzip eröffnet Honda grundsätzlich geringere Entwicklungs-und Produktionskosten. Das leuchtet ein. Chassis, Motor, Cockpit und Armaturen teilen sich alle drei CB 500-Modelle (die Crossover-Variante CB 500 X wird erst in den kommenden Wochen präsentiert). Bei der F und der R sind darüber hinaus das Heck, die 41-mm-Telegabel (nicht einstellbar) und das per Umlenkung angesteuerte und in der Federbasis justierbare Federbein identisch.
Als Erstes darf die CB 500 F auf den Straßen rund um Barcelona ausgeführt werden. „Ergonomisch unkompliziert“ beschreibt die vorderradorientierte Sitzposition auf der F wohl am besten (auf der R hockt es sich wegen der anderen Lenkerposition ein wenig sportlicher, dabei aber dank des leicht nach vorn gebeugten Oberkörpers einen Hauch ausgewogener). Mit einem nicht zu lässigen Kniewinkel sitzt es sich in 790 mm Höhe noch komfortabel, die Beine schmiegen sich gut an das knapp 16 Liter große Spritfass an. Also, auf gehts! Nicht nur auf den ersten Metern wuselt die CB stabil und mit leicht-füßigen Handling um die Kreisverkehre. Auch unterschiedliche Kurvenradien passiert sie spielerisch und unaufgeregt. Um das 192 Kilogramm leichte Motorrad von links nach rechts umzulegen, sind nur geringe Steuerimpulse nötig. Das gefällt dem Fahranfänger ebenso wie dem geübten Alltagskradler. Das Fahrwerk gibt keinen Anlass zur Beanstandung, die montierten Metzeler Z8-Pneus in den Größen 120/70 vorn und 160/60 hinten harmonieren bestens mit den Hondas.
Die Honda CBR 500 R auf der Landstraße.

Im Hinterland der Küstenstadt wird der Asphalt allmählich pockiger. Über wellige Abschnitte gleitet die Honda komfortabel hinweg, kurze und harte Querfugen gibt sie jedoch ungefiltert an den Fahrerrücken weiter. Das Ansprechverhalten der Gabel und des Federbeins könnte entsprechend einen Tick sensibler ausfallen. Ansonsten ist die Dämpfungscharakteristik für die Landstraße sehr alltagstauglich. Dasselbe gilt für die Bremsanlage, denn die Einscheiben-Vorderradbremse verzögert auch nach mehreren Vollbremsungen auf gutem Niveau. Die feinen Regelintervalle des serienmäßigen ABS und die Gesamtperformance lassen definitiv keine Low-Budget-Lösung vermuten: Das verdient Lob und Anerkennung!
Und wie gibt sich der Motor nun in freier Wildbahn? Tatsächlich sind mit der CBR 500 R ein paar Runden auf dem Parcmotor-Circuit vorgesehen. Die anfängliche Verwunderung, mit 48-PS-Mopeds über die Rennstrecke zu pesen, schwindet jedoch, wenn man bedenkt, dass eine modifizierte Racing-Version das Einheitsmotorrad für den European Junior Cup 2013 sein wird.
Schon auf der Landstraße wirkte der Zweizylinder unterhalb von 2500 Umdrehungen unmotiviert, stottert nun auch in der Boxen-aus-fahrt vor sich hin. Also ein bisschen mit der Kupplung spielen und Vollgas: Ab 3000 Umdrehungen setzt nutzbarer, wenn auch zunächst zurückhaltender Schub ein, bei 5000 Umdrehungen wird das kompakte Triebwerk richtig munter, um bei einer Drehzahl von 7000 Umdrehungen herrlich spritzig zu werden. Dort liefert der Gegenläufer auch sein maximales Drehmoment von 43 Newtonmeter ab. Was man nicht verhehlen sollte, ist natürlich, dass die 48 PS das Moped nicht brutal nach vorne katapultieren. Aber wie vital und charakterstark sich der halbe Liter in Szene setzt, ist schlicht bemerkenswert und steigert trotz der überschaubaren Leistung die Laune ungemein. Beide Modellvarianten bieten deshalb zwar nur einen halben Liter Hubraum, aber definitiv eine volle Ladung Spaß zum sportlichen Preis.
Technische Daten

Honda CBR 500 R (CB 500 F)
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung Ø 34 mm, geregelter Katalysator, Batterie 12 V/9 Ah, Lichtmaschine 500 W, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 67,0 x 66,8 mm
Hubraum 471 cm³
Verdichtungsverhältnis 10,7:1
Nennleistung 35,0 kW (48 PS) bei 8500/min
Max. Drehmoment 43 Nm bei 7000/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Maße+Gewichte
Radstand 1410 mm, Lenkkopfwinkel 64,5 Grad, Nachlauf 102 mm, Federweg v/h 119/108 mm, Sitzhöhe 790 mm, Gewicht vollgetankt 194 (192) kg, Tankinhalt 15,7 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Weiß, Schwarz
Preis 5990 (5490) Euro
Nebenkosten 265 Euro