Der Versuch von Italjet, mit der 1999 auf der Mailänder Messe gezeigten, von einem Triumph-Dreizylinder angetriebenen Grifon 900 auf dem Markt Fuß zu fassen, war vielversprechend. Zumal die Zusammenarbeit zwischen den Italienern und Hinckley bereits in den 60er Jahren die Grifon 650 hervorgebracht hatte. Leider blieb es mit dem finanziellen Niedergang der Marke im Jahr 2003 beim Versuch.
Nun aber sieht es doch so aus, als solle eine Grifon vom Band rollen wenn auch mit weniger Hubraum und neuem Motorenpartner. Zumindest wenn es nach Massimo Tartarini, dem 42-jährigen Sohn des Italjet-Gründers Leopoldo Tartarini, geht, der nun die Namensrechte innehält.
Statt des 900er-Triumph-Triples wird die aktuelle Version von einem Hyosung-V2 mit 650 Kubikzentimeter befeuert. Tartarini sieht in der Klasse der unverkleideten, leichten Mittelklasse-Motorräder das interessanteste Marktsegment in Europa. »Und für solch ein Motorrad waren wir 2004 auf der Suche nach dem richtigen Partner. Zu diesem Zeitpunkt begann Hyosung mit der Auslieferung der 650 Naked. Die Südkoreaner schienen uns der ideale Partner für ein kostengünstiges Mittelklasse-Bike«, so Tartarini.
Das ist drei Jahre her, viel Zeit ist also seither vergangen. Was aber auch einen positiven Aspekt hat: Inzwischen hat Hyosung für den V2 eine Einspritzung angepasst, die die Einhaltung der Euro-3-Grenzwerte erlaubt. Der Prototyp, der zum Fahrtermin bereitstand, war allerdings noch mit zwei 39er-Mikuni-Vergasern bestückt. Damit leistet das 11,6 zu eins verdichtende Aggregat 79 PS bei 9000/min, sieben mehr als die mit Einspritzung bestückte Kawasaki ER-6, auf die die Grifon abzielt. Ihr Preis soll sich bei maximal 6800 Euro einpendeln und damit in Schlagdistanz zur Kawasaki liegen. Ursprünglich war geplant, die Grifon bei Hyosung zusammenzubauen. Aber es hat sich als wirtschaftlicher herausgestellt, gestrippte 650 Naked in Italien zu komplettieren.
Ein Nachmittag mit dem Prototyp enthüllt die Grifon als gelungene Mischung aus der fernöstlichen Basis und italienischen Zutaten. Die Sitzposition ist entspannt, die Sitzbank angenehm gepolstert, und der breite Lenker liegt ausgesprochen gut zur Hand. Zusammen mit den Original-Rasten ergibt das eine weit weniger aufrechte, deutlich unverkrampftere Sitzhaltung als auf der Hyosung Naked.
Die Koreaner steuern das Stahlrohr-Chassis, Motor, Instrumente und Federelemente bei. Eingekleidet wird das Ganze mit italienischem Chic bei Italjet, wobei ein Zehn-Liter-Tank das ursprüngliche 17-Liter-Spritfass ersetzt.
Der voll einstellbaren Daesung-Upside-down-Gabel mit 41-Millimeter-Gleitrohren steht dabei ein sehr straffes Federbein aus gleichem Haus zur Seite, das noch akzeptablen Komfort bietet. Drahtspeichenräder mit Aluminium-Felgen mit gängigen 3,50 (vorn) und 5,50 Zoll (hinten) ersetzen die viel zu schweren Hyosung-Räder. Ein Upgrade bekamen auch die vorderen Bremsen. Die Doppelkolben-Schwimmsättel mit ihrer mäßigen Bremsleistung mussten Vierkolben-Zangen von Brembo weichen, die in 320 Millimeter-Bremsscheiben im angesagten Wave-Design beißen. Und nebenbei helfen die 4,5 Millimeter breiten, leichteren Bremsscheiben der Grifon angesichts ihrer konservativen Fahrwerksgeometrie mit langem Radstand von 1435 Millimetern und 65 Grad Lenkkopfwinkel in Sachen Handling etwas auf die Sprünge.
Der Schlüssel zum Fahrspaß steckt aber hauptsächlich in dem wohltönenden Motor. Ein guter Kumpel, mit dem man durch dick und dünn gehen kann. Vibrationsarm, mit weit gespanntem nutzbaren Drehzahlband, das von 2000/min bis zum Limit von 11000/min reicht, und nahezu frei von Lastwechselreaktionen. Des Weiteren überzeugt der Zweizylinder mit gleichmäßiger Leistungsentfaltung und ist mit einer erstaunlich homogenen Drehmomentkurve gewürzt, die ihm ein überraschendes Maß an Elastizität verleiht. Am wohlsten freilich fühlt sich der V2 zwischen 5000 und 8500 Umdrehungen.
Unterstützt wird der leichtfüßige Auftritt von einer leichtgängigen Kupplung und einem präzisen, gut gestuften Sechsganggetriebe, das den Vergleich mit Nippon-Schaltboxen nicht zu scheuen braucht.
Die Grifon präsentiert sich also als prima Einsteiger-Bike, das 2008 durchaus seinen Platz im Markt finden dürfte. Vorausgesetzt, der Preis stimmt. Im November auf der Mailänder Messe werden wir erfahren, ob dies eintritt.
Technische Daten Italjet Grifon 650
Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Gleichdruckvergaser, Ø 39 mm, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 280 W, Batterie 12 V/10 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette.
Bohrung x Hub81,5 x 62,0 mm
Hubraum647 cm3
Verdichtungsverhältnis11,4:1
Nennleistung56,0 kW (79 PS) bei 9000/min
Max. Drehmoment69 Nm bei 7200/min
Fahrwerk: Brückenrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Feder-basis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vier-kolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Zweikolben-Festsattel.
Alu-Gussräder3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen120/60 ZR 17; 180/60 ZR 17
Maße und Gewichte: Radstand 1435 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 85 mm, Federweg v/h 120/110 mm, Sitzhöhe 780 mm, Tankinhalt 10,0 Liter.
Die Ahnenreihe
Die Zusammenarbeit der 1959 gegründeten Marke Italjet mit Triumph reicht bis in die 60er Jahre zurück. 1967 brachte Firmengründer Leopoldo Tartarini die wunderschön gezeichnete Grifon auf den Markt. Ihr Herz: ein Stoßstangen-gesteuerter Parallel-Twin mit 650 cm3, der auch in der Triumph Bonneville seinen Dienst versah. 1999 lebte die Verbindung mit den Engländern in Form der Grifon 900 wieder auf. Diesmal mit Dreizylindermotor. Bis zur Serienreife ist sie jedoch nie gelangt.