Ghezzi-Brian V-Twin im Test
Aus einer Moto Guzzi Griso 8V wird eine Motard mit viel Dampf

Guzzis mit noch mehr Charakter als in Serie will der italienische Tuner Brian Saturno auf die Räder stellen. Aus einer Moto Guzzi Griso 8V macht er aktuell eine Motard mit viel Dampf und semiaktivem Fahrwerk.

Aus einer Moto Guzzi Griso 8V wird eine Motard mit viel Dampf
Foto: Gori

Kann das denn überhaupt klappen eine mächtige Moto Guzzi Griso 8V auf leichtfüßige Supermoto zu trimmen? Kommt ganz auf den Standpunkt an. Absolut gesehen, geht die neueste Entwicklung der italienischen Minischmiede Ghezzi-Brian nicht als Supermoto durch, dazu ist und bleibt sie zu groß, zu schwer, zu mächtig. Durch die Guzzi-Brille betrachtet, klappt die Verwandlung hingegen durchaus: Verglichen mit der Serien-Griso wirkt die V-Twin Motard sportlicher und viel leichter, auch wenn sie nur 15 Kilogramm verloren hat und immer noch auf stattliche viereinhalb Zentner kommt.

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Auf dem Lenker sitzt das Steuerelement für die aktive Fahrwerkskontrolle.

Dem Tuner selbst ist die Einordnung egal. „Ich nenne sie immer Kurvenfresser. Mein Ziel war ein Motorrad mit sportlichem Charakter, das besonders auf der Landstraße Spaß macht, dabei aber komfortabel bleibt und sich auch für eine Tour zu zweit eignet“, erklärt Brian Saturno. Das ist ihm gelungen, wie die V-Motard schon auf den ersten Kilometern klarstellt. Der gerade Lenker wirkt zwar zunächst allzu breit, doch daran gewöhnt man sich bald. Weil er vergleichsweise tief angebracht ist, ermöglicht er eine aktive, nach vorn geneigte Haltung. So stellt sich ein gutes Gefühl fürs Vorderrad und damit ein entspanntes Verhältnis zum Motorrad ein. Die Handprotektoren und die schmale Frontverkleidung schützen erfreulich effektiv vor den winterlichen Temperaturen, die auch hier im hügeligen Hinterland von Mailand, wo Ghezzi-Brian seinen Sitz hat, nur knapp über den Gefrierpunkt hinauskommen.

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Fahrbericht Ghezzi-Brian V-Twin Motard.

Eine echte Überraschung hält der Motor bereit, der von allem optischen Ballast befreit wurde und seine Mechanik selbstbewusst in den Blickpunkt rückt. Mit größerer Airbox, Zwei-in-zwei-Auspuff und neuem Mapping hat ihm Ingenieur Saturno das Leistungsloch ausgetrieben, das bei der Serien-Griso im mittleren Drehzahlbereich nervt. Im Bereich zwischen 3000 und 6000/min verbessern sich Leistung und Drehmoment um 20 PS beziehungsweise 30 Newtonmeter. Das bringt den V2 mächtig in Fahrt, er drängt regelrecht voran. Energisch nimmt die V-Motard die hügeligen Straßen ihrer Heimat in Angriff, die schneebedeckten Gipfel der nahen Voralpen rücken rasch näher. Leistungsloch war gestern, heute ist satter Durchzug angesagt. Selbst die zugigen Temperaturen geraten in Vergessenheit, so geschmeidig lässt sich das Motorrad im Ghezzi-Brian-Trimm über die Landstraßen scheuchen.

Doch die V-Motard hat noch mehr technische Finessen zu bieten als den druckvolleren Motor. Ein Kritikpunkt an der Moto Guzzi Griso in allen MOTORRAD-Tests sind die mangelnden Reserven des Serienfederbeins. Brian Saturno nahm sich auch dieser Schwäche an. In Zusammenarbeit mit den Fahrwerksexperten der niederländischen Firma Tractive Suspension verpasste er der V-Motard ein semiaktives Fahrwerk. Dabei lassen sich nicht nur die üblichen Riding-Modes einstellen, von sportlicher Gangart im Solobetrieb bis zum gemütlichen Touren zu zweit mit Gepäck. Vielmehr passt sich das Spezial-Federbein per Sensor und Steuereinheit in Windeseile dem Zustand der Straße und der Fahrweise an. Der von Tractive Suspension entwickelte Sensor liefert dabei 25000 Informationen pro Sekunde an die Steuereinheit.

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Der Zwei-in-zwei-Auspuff verpasst der V-Motard gehörig Dampf.

Die Probe aufs semiaktive Exempel gelingt, soweit sich das bei einer Testfahrt ohne direkte Vergleichsmöglichkeiten feststellen lässt. Auf einem Straßenstück mit sehr schlechtem Belag, zu Testzwecken mehrmals in Angriff genommen, scheint die Regelung zu greifen, von Schlaglöchern und Bodenwellen ist weniger zu spüren als erwartet. Auch die Riding-Modes funktionieren, sie stellen das Federbein verlässlich von hart auf weich oder umgekehrt. Der Umschalter an der Steuereinheit lässt sich auch während der Fahrt und mit dicken Handschuhen gut bedienen. Schade nur, dass das semiaktive Fahrwerk die Gabel außen vor lässt; bei ihr kann man Federbasis sowie Zug- und Druckstufendämpfung nur manuell einstellen, wie gehabt. Doch Ghezzi-Brians niederländische Partner arbeiten bereits an einer Erweiterung ihres Systems.

Die Schwächen der Serien-Griso sind ausgemerzt, die V-Motard präsentiert sich als charakterstarkes Motorrad mit gelungenem Motortuning, hochwertigen Komponenten und feiner Verarbeitung. Einziger Wermutstropfen: ABS fehlt, wie bei der Griso. Ein nachträglicher Einbau bei einem Motorrad, das nicht von vornherein auf ABS ausgelegt wurde, ist ungemein aufwendig, weshalb Ghezzi-Brian davon Abstand nahm.

Der Preis von 20350 Euro für die technisch wie optisch ungewöhnliche V-Motard ist nicht gerade niedrig, aber doch angemessen. Alle Komponenten sind homologiert und in verschiedenen Kits erhältlich, was individuelle und günstigere Umbauten ermöglicht. Ob die V-Motard nun aber eine Supermoto ist? Spielt im Grunde keine Rolle, wie ihr Schöpfer Brian Saturno sagt: „Egal welche Zuordnung man einem Motorrad verpasst - Hauptsache, es macht Spaß.“

Interview Bruno "Brian" Saturno

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Bruno "Brian" Saturno über seine Firma Ghezzi-Brian und seine Moto Guzzi-Umbauten.

Erst mal: Wo kommt der in Italien ungewöhnliche Spitzname Brian her? Doch nicht etwa von Monty Pythons „Leben des Brian“, oder?

Bruno: (lacht) Nein, damit hat das nichts zu tun. Ich bin früher Rennen gefahren, im Motorradbereich auf einer 125er MotoBi, vor allem aber im Zweier- und Viererbob. Da war ich zweimal italienischer Meister und auch in der Nationalmannschaft. Weil Bruno nicht so spannend klang, wurde Brian mein Racer-Pseudonym. Als Tuner habe ich es beibehalten.

Ihr früherer Partner Giuseppe Ghezzi wanderte vor einigen Jahren erst zu Moto Guzzi ab und ist heute selbstständig. Mit wem arbeiten Sie jetzt?

Bruno: Mit einem ganzen Netzwerk von Experten, von denen die meisten wie ich in der Brianza leben, dem Mailänder Hinterland. Feste Angestellte kann weder ich noch ein anderer Betrieb meiner Größe im heutigen Italien finanzieren, deshalb tun wir uns von Fall zu Fall zusammen. Das klappt sehr gut.

Sie haben sich ausschließlich auf Moto Guzzi spezialisiert. Warum?

Bruno: Weil das, als wir angefangen haben, in Italien kaum jemand gemacht hat. Unser erstes Motorrad haben Giuseppe Ghezzi und ich für die Supertwins-Rennserie gebaut, das war in den 90er-Jahren. Da fuhren praktisch nur Ducatis mit, und noch eine Duc in die Startreihe zu stellen, wäre todlangweilig gewesen. Wir nahmen also eine Guzzi und trimmten sie auf Renntauglichkeit und gewannen 1996 die italienische Meisterschaft. Von dem Motorrad haben wir eine Kleinstserie aufgelegt, und so ging die ganze Geschichte los.

Aber was war und ist an einer Moto Guzzi so faszinierend, dass Sie bis heute dabeigeblieben sind?

Bruno: Eindeutig der Motor. Stimmt schon, er rüttelt und schüttelt, ist nicht wirklich modern und gnadenlos schwer - aber er enttäuscht dich nie. Wir haben rund um diesen Motor schon alles gebaut, vom Supersportler MGS-01, der auch von Ghezzi und mir stammt, über Naked Bikes und Café Racer bis zur neuen Motard. Dieser einzigartige, üppige V2 passt einfach zu jeder Art von Motorrad, und er macht es einem Tuner leicht, dem Fahrzeug viel Charakter einzuhauchen. Der Guzzi-Motor schlägt mich bis heute in seinen Bann.

Technische Daten

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Auf dem Lenker sitzt das Steuerelement für die aktive Fahrwerkskontrolle.

Motor
Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle längsliegend, je eine hochliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Kipphebel, Stoßstangen, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 50 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 550 W, Batterie 12 V/28 Ah, hydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan.
Bohrung x Hub 95,0 x 81,2 mm
Hubraum 1151 cm3
Nennleistung*
98,2 PS bei 7100/min
Max. Drehmoment*
113,2 Nm bei 6200/min

Fahrwerk

Brückenrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, manuell verstellbare Federbasis und elektronisch geregelte Zug- und Druckstufendämpfung (Dynamic Damp Action), Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel.
Alu-Speichenräder
3.50 x 17; 5.50 x 17
Schlauchlos-Reifen
120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung im Test
Metzeler Sportec M3

Maße+Gewichte
Radstand 1554 mm, Lenkkopfwinkel 63,7 Grad, Sitzhöhe 830 mm, Gewicht ohne Benzin 220 kg, Tankinhalt/Reserve 17/3,5 Liter.
Farben
nach Kundenwunsch
Preis Testmotorrad
20350 Euro

Komponenten
Neben der kompletten V-Twin Motard bietet Ghezzi-Brian die Umbaukomponenten für die Moto Guzzi Griso 8V (1100/1200 cm3) auch in verschiedenen Kits an.
1. Kit „Body Work“. Tank, Heck, Sitzbank, Cockpitverkleidung, Schutzbleche, LED-Blinker, Lenker, Spiegel, Kennzeichenhalter, Doppelscheinwerfer, Handprotektoren: 3720 Euro (unlackierter Kit: 2720 Euro).
2. Kit „Dynamic Damping Action“. Aktive Regelung der hinteren Federung und Dämpfung, beinhaltet Federbein, Sensor, Steuergerät und Konsole: 1680 Euro.
3. „Power-Kit“. Zwei-in-zwei-Auspuff mit Titanschalldämpfern, größerer Luftfilter, neues Mapping: 2000 Euro.
4. Speichenräder für Schlauchlos-Reifen (in Wunschfarbe): 2000 Euro.
5. Gepäckträger: 290 Euro.
Infos: www.ghezzi-brian.com

*Messungen der italienischen Zeitschrift Motociclismo

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023