Das Ziel von Honda NC 700 S und Yamaha XJ6 ABS ist dasselbe: 48 PS Motorleistung und ein bekömmliches Drumherum. Doch die Mittel, mit denen die Mittelklasse-Allroundern auf dieses Ziel zusteuern, könnten unterschiedlicher kaum sein.
Das Ziel von Honda NC 700 S und Yamaha XJ6 ABS ist dasselbe: 48 PS Motorleistung und ein bekömmliches Drumherum. Doch die Mittel, mit denen die Mittelklasse-Allroundern auf dieses Ziel zusteuern, könnten unterschiedlicher kaum sein.
Seit dem 19. Januar 2013 dürfen Motorrad-Neueinsteiger mit ihrem A2-Führerschein bekanntermaßen Motorräder mit bis zu 48 PS Leistung anstelle der bisher erlaubten 34 Pferde bewegen. Die in den Richtlinien festgelegte Mindestgewichtshürde von 175 Kilogramm überspringen sowohl die Honda NC 700 S als auch die Yamaha XJ6 mit vollgetankt jeweils 215 Kilogramm locker.
Auch die Reifendimensionen von jeweils 120/70-17 vorn und 160/60-17 hinten sind identisch, ebenso bauen die beiden Mittelklasse-Bikes auf einem Rahmen aus Stahlrohr auf, und bei den recht soft abgestimmten Fahrwerken beschränken sich die Einstellmöglichkeiten jeweils auf die Federvorspannung hinten. Dennoch sind sie völlig unterschiedliche Bikes.
Allein die Philosophien von Honda und Yamaha, wie die 48 PS zu erreichen sind und welcher Charakter daraus resultiert, könnten unterschiedlicher kaum sein. Denn die Yamaha XJ6, die seit 2009 auf dem deutschen Markt zu haben ist und bislang rund 8000 Käufer fand, wurde ursprünglich auf 78 PS (57 kW) ausgelegt und entsprechend konstruiert. Um sie für die neuen Einsteiger-Richtlinien zuzuschneiden, musste sich der gutmütige und samtweich laufende Vierzylinder von 30 seiner braven Pferdchen trennen. Dies geschieht ganz simpel über eine mechanische Gaswegbegrenzung. Im Klartext: Ein Anschlagwinkel sorgt dafür, dass die Drosselklappen nicht weiter als den Winkel öffnen, bei dem auf dem Prüfstand die erwünschten 48 PS erreicht waren. Der Fahrer merkt das daran, dass zwischen „Null“ und „Voll“ nur wenig mehr als eine Viertelumdrehung am Gasgriff anliegt. Diese Lösung ist zum einen sehr günstig, da am Motorrad sonst nichts, niente, nothing, nada verändert wird, und vor allem ist sie reversibel. Sie ist aber auch sehr gewöhnungsbedürftig, und ob sie auch gut ist? Nun, wir werden sehen.
Einen ganz anderen Weg ging Honda mit der im Sommer 2012 vorgestellten NC-Baureihe, die aus der hier gefahrenen „S“ ohne Verkleidung, der „X“ mit rahmenfestem Leibchen sowie dem rollermäßig verkleideten Integra besteht. Aufgrund des sehr günstigen Einführungspreises von 5755 Euro (Honda NC 700 S) bevölkern bereits knapp 3000 Einheiten die Straßen in Deutschland. Das technisch bis auf das serienmäßige Doppelkupplungsgetriebe des Integra (optional bei „S“ und „X“) identische Trio wird von einem Paralleltwin angetrieben, der vom ersten Zeichenstrich an auf diese 48 PS hin konstruiert wurde. Und das merkt man auch.
Ein Blick auf das Leistungsdiagramm lässt schon erahnen, wes Geistes Kind der Twin ist. Bereits ab Leerlaufdrehzahl büffelt er los und hangelt sich tapfer an seiner Drehmomentkurve entlang, die schöner kaum sein könnte. Dass das trotz dieses bulligen Charakters ziemlich hakelig zu betätigende Sechsganggetriebe recht häufig bemüht werden muss, liegt an der unglücklichen Kombination von sehr langer Gesamtübersetzung und dem nur mäßigen Drehvermögen des Twins, der bereits bei 6750 Umdrehungen abriegelt. Dafür liegen bei Tempo 100 gerade einmal 3500 Touren an. Ortschaften werden meist im dritten Gang durchquert. Die Gelassenheit des niedrigen Drehzahlniveaus überträgt sich schnell auf den Fahrer, obwohl der die absoluten Werte des schlecht ablesbaren Cockpits wegen eher erahnen denn ablesen kann. So landet der Twin beim Überholen oder in anderen Situationen, in denen Leistung gefragt ist, mit schöner Regelmäßigkeit im recht ruppig agierenden Begrenzer und wartet auf den nächsten Gang. Dennoch liegt der Verbrauch der Honda NC 700 S, der dieses Mal ausnahmsweise nicht auf der üblichen Verbrauchsrunde, sondern im regulären Fahrbetrieb ermittelt wurde, mit 4,0 Liter Super recht günstig.
Die Yamaha XJ6 genehmigte sich unter denselben Bedingungen 1,1 Liter mehr, würde sich aber mit Normalbenzin begnügen, wenn es denn welches gäbe. Sie würde, wie es sich für einen Vierzylinder gehört, auch viel höher drehen als die Honda NC 700 S, wenn sie nur Luft bekäme. Die ungedrosselte XJ erreicht ihre 78 PS bei 10 000 Umdrehungen, die für den Führerschein A2 taugliche Variante benötigt für ihre auf dem Prüfstand gemessenen 45 PS sogar 10 300 Touren. Doch der Weg dorthin ist ein langer. Durch die radikale Begrenzung des Gaswegs öffnen die Drosselklappen nur noch einen Bruchteil der möglichen 90 Grad. In der Praxis ist zwar der Gasgriff meist am Anschlag, man fährt aber nur ungefähr mit Drittelgas. Im unteren Drehzahlbereich ist kaum ein Unterschied zur offenen Variante spürbar, doch ab Drehzahlmitte ändert sich das Bild.
Der Motor ringt verzweifelt nach Luft und läuft wie gegen eine Gummiwand. So wird auch bei der Yamaha XJ6 wie bei derHonda NC 700 S spätestens bei 6000 Touren der nächste Gang eingelegt, um diesen Effekt zu mindern. Das liest sich jetzt zwar dramatischer, als es in der Praxis ist, aber eine wirklich überzeugende Drosselung ist das nicht
Der Vorteil wiederum ist, dass man nach zwei Jahren die Drossel flugs entfernen und damit 30 Pferde herbeizaubern kann. Bei der Honda NC 700 S ist bei 48 PS Ende im Gelände. Doch bis es so weit ist, nimmt sie der Yamaha beim Spurt von null auf 100 km/h 1,2 Sekunden ab, bis 140 sind es schon deren 2,2. Dafür hat die Yamaha XJ6 beim Durchzug die windschildlose Nase vorn. Aufgrund der günstigeren Übersetzungsverhältnisse geht es von 60 auf 100 km/h in 5,3 statt 7,6 Sekunden, von 100 bis 140 steht es 8,6 zu 10,3 zugunsten der Yamaha. Auch beim Topspeed liegt die Stimmgabel mit 167 km/h vor dem Flügel, der sich zu maximal 160 km/h aufschwingt.
In den Fahreigenschaften ist die Yamaha XJ6 ebenso das deutlich lebendigere Bike. Im direkten Vergleich fühlt sich die Honda NC 700 S viel träger und behäbiger an. Auch die Bremse, beide sind serienmäßig mit ABS ausgerüstet, wirkt deutlich stumpfer, wenngleich es an der Wirkung wenig auszusetzen gibt. Insgesamt ist die Honda mit dem großen Gepäckträger und dem brillanten Helmfach unter der Tankattrappe das praktischere Bike. Die wendige Yamaha dagegen ist mehr Motorrad und sieht auch deutlich frecher aus als die doch sehr sachliche Honda.
Zu unterschiedlich sind die Charaktere und damit die Zielgruppen der Bikes, als dass sich ein Sieger küren ließe. Die Honda NC 700 S ist ein braves Transportmittel mit hohem Nutzwert und fast perfektem Motor, die Yamaha XJ6 ein tolles Naked Bike, dessen Vierzylinder allerdings mit der Drossel einiges an Reiz verliert.
Honda | Yamaha | Motor |
Bauart | Zweizylinder-Viertakt- Reihenmotor | Vierzylinder-Viertakt- Reihenmotor | Einspritzung | Ø 36 mm | Ø 32 mm |
Kupplung | Mehrscheiben- Ölbadkupplung | Mehrscheiben- Ölbadkupplung | Bohrung x Hub | 73,0 x 80,0 mm | 65,5 x 44,5 mm |
Hubraum | 670 cm3 | 600 cm3 | Verdichtung | 10,7:1 | 12,2:1 |
Leistung | 35,0 kW (48 PS) bei 6250/min | 35,0 kW (48 PS) bei 10 500/min | Drehmoment | 60 Nm bei 4750/min | 48,5 Nm bei 4000/min |
Fahrwerk | Rahmen | Brückenrahmen aus Stahl | Brückenrahmen aus Stahl |
Gabel | Telegabel, Ø 41 mm | Telegabel, Ø 41 mm | Bremsen vorne/hinten | Ø 320/240 mm | Ø 298/245 mm |
Assistenzsysteme | Verbundbremse, ABS | ABS | Räder | 3.50 x 17; 4.50 x 17 | 3.50 x 17; 4.50 x 17 |
Reifen | 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17 | 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17 | Bereifung | Bridgestone BT 023 | Bridgestone BT 021 „G“ |
Maße + Gewichte | Radstand | 1525 mm | 1440 mm |
Lenkkopfwinkel | 63,0 Grad | 64,0 Grad | Nachlauf | 110 mm | 104 mm |
Federweg vorne/hinten | 120/120 mm | 130/130 mm | Sitzhöhe** | 800 mm | 790 mm |
Gewicht vollgetankt** | 215 kg | 215 kg | Zuladung** | 209 kg | 185 kg |
Tankinhalt/Reserve | 14,1 Liter | 17,3 Liter | Service-Intervalle | 12 000 km | 10 000 km |
Preis | 5730 Euro | 6695 Euro | Preis Testmotorrad | 5730 Euro | 6995 Euro*** |
Nebenkosten | 265 Euro | 170 Euro | MOTORRAD-Messwerte |
Höchstgeschwindigkeit* | 160 km/h | 167 km/h | Beschleunigung |
0–100 km/h | 5,5 sek | 6,7 sek | 0–140 km/h | 12,0 sek | 14,2 sek |
Durchzug | 60–100 km/h | 7,6 sek | 5,3 sek |
100–140 km/h | 10,3 sek | 8,6 sek | Verbrauch Landstraße | 4,0 Liter/Super | 5,1 Liter/Normal |
Reichweite Landstraße | 353 km | 339 km | *Herstellerangabe; **MOTORRAD-Messungen; ***inkl. ABS (300 Euro) |