Honda NC 750 S im Einzeltest
Mehr Hubraum, mehr Leistung

Dicker ist schicker. Der Spruch mag bei Weitem nicht auf alle Dinge zutreffen. In Bezug auf Hubraum stimmt er allerdings oft. So wie im Fall der Honda NC 750 S.

Mehr Hubraum, mehr Leistung
Foto: Jahn

Fragen Sie mal einen Harley-Piloten, was er zum Thema Hubraum meint. Sie kennen die Antwort: Hubraum ist durch nichts anderes zu ersetzen als durch noch mehr Hubraum! Auch Honda verpasst seinen Bestseller-Modellen der NC-Serie fortan 75 cm³ mehr. Diese Zahl mag in Bezug auf die Hubraumangabe in der Modellbezeichnung vielleicht irreführend sein, doch die bislang erhältliche NC 700 hatte nur 670 cm³. Die Neue Honda NC 750 S wartet mit nunmehr 745 cm³ auf. Das Hubraumplus wurde mit einer vier Millimeter größeren Bohrung erreicht. Und bevor wir uns in den Sattel schwingen und schauen, ob diese vier Millimeter letztlich doch großes Kino sind, schicken wir die NC 750 S auf den MOTORRAD-Prüfstand.

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In der Tat, sie sind es. Der 750er-Twin der Honda NC 750 S hat gegenüber der kleineren Schwester mit 57 PS bei 6200/min und 70 Nm bei 4900/min eindeutig dickere Muckis. Die 700er stemmt gerade mal 49 PS bei 6000/min und liefert 62 Nm bei 4500/min. Dieses Leistungsplus ist über den gesamten Drehzahlbereich erkennbar. Um es zu erreichen, hat man ziemlichen Aufwand betrieben: Nockenwellen, Steuerzeiten sowie Brennraum wurden geändert, und damit die Vibrationen durch die schwereren Kolben nicht überhandnehmen, hat man dem Motor gleich eine zweite Ausgleichswelle verordnet. Das klingt so, als würde man zwei Rühreier statt einem bestellen, für die Küche kein Problem. Aber mal eben so eine zweite Ausgleichswelle im Rumpfmotor integrieren?

In fünf Sekunden von null auf 100

Bereits bei der Grundkonstruktion des 700ers wurden Lager und bewegte Teile auf die Hubraumvergrößerung und Mehrleistung ausgelegt. Die zweite Ausgleichswelle war immer schon vorgesehen, der Platz war vorhanden. So viel zur Theorie. Was bringt der Aufwand in der Praxis? Um mit verlässlichen Werten statt nur mit dem Popometer zu arbeiten, muss der Testfahrer handfeste Daten ermitteln. Er beschleunigt die Honda NC 750 S in fünf Sekunden von null auf 100 km/h und in 10,4 Sekunden auf 140 km/h. Hier ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der kleinen Schwester erkennbar: Die 700er braucht beim Spurt bis auf 100 km/h 5,6 Sekunden, und auf 140 km/h vergehen sogar 12,0 Sekunden. Doch das Leben ist schließlich keine Dragstrip, viel wichtiger ist ja die Frage, wie sich das Hubraumplus in puncto Durchzug auswirkt. Um Motoren direkt vergleichen zu können, ermittelt MOTORRAD die Durchzugswerte im letzten Gang.

Natürlich wird man im Alltag vor dem Überholen runterschalten, das ist praxisgerecht. Beim Durchzugsvergleich der beiden NC-Modelle liegen beide nahezu Rad an Rad. Es geht um das berühmte Muggaseggele (Mückensack = kleinste schwäbische Maßeinheit): Beim Beschleunigen im sechsten Gang von 60 auf 100 km/h nimmt die Honda NC 750 S der kleinen Schwester nur 0,2 Sekunden ab. Von 100 auf 140 km/n sind es ebenfalls nur 0,2 Sekunden. Beim Fahren im direkten Vergleich wirkt der größere Motor stets kraftvoller. Sein Pulsieren ist stärker, der Schlag kraftvoller, sein Beat potenter. Fast meint man, die dickeren Kolben und das Hubraumplus zu spüren. Der 750er fühlt sich deutlich erwachsener an. Leider auch ein Muggaseggele phlegmatischer als sein kleiner Kollege. Das mag an der zweiten Ausgleichswelle liegen, die mitbeschleunigt werden muss. Darüber hinaus hat man dem 750er etwas mehr Schwungmasse verpasst und die Sekundärübersetzung verlängert: Statt eines 16er-Ritzels zerrt nun ein 17er an der Kette.

Vollgetankt wiegt die Honda NC 750 S insgesamt 220 Kilogramm

All diese Änderungen führen dazu, dass der 700er beim Umstieg geringfügig drehfreudiger und befreiter wirkt. Trotzdem hat der 750er den besseren Antritt. Im di­rek­ten Vergleich mit der 700er gelingen Überholmanöver lässiger, der 750er-Twin setzt die Kraft direkter um, das viel gepriesene Überholen aus dem Handgelenk heraus trifft auf ihn eher zu. All die Änderungen im Motor haben ihn zwei Kilogramm schwerer werden lassen. Insgesamt wiegt die Honda NC 750 S mit 220 Kilogramm vollgetankt fünf Kilo mehr als die 700er.

Beim Handling, das narrensicher, aber immer schon recht träge war, fällt dies kaum negativ ins Gewicht. Was fällt noch auf? Die Honda NC 750 S verlangt etwas mehr Handkraft beim Kuppeln. Das Cockpit offeriert nunmehr auch eine Ganganzeige und zusätzliche Infos wie den momentanen sowie durchschnittlichen Benzinverbrauch. Der im Übrigen geringfügig gestiegen ist. Auf einer zügigen Vergleichsfahrt mit der 700er verbrauchte die dickere Schwester mit 3,4 Liter auf 100 Kilometern nur 0,2 Liter mehr.

Das CBS-Verbundbremssystem fehlt der Neuen

Eine wichtige Veränderung betrifft die Bremse. Während die Vorgängerin noch mit einem CBS-Verbundbremssystem ausgestattet war, bei dem vorn mitgebremst wurde, wenn man das Fußbremspedal betätigt, fällt dies bei der Honda NC 750 S dem Rotstift zum Opfer. Honda erklärt den Wechsel und Rückschritt zu zwei geteilten Bremskreisen als Reaktion auf Ergebnisse aus einer weltweiten Kunden­befragung: Die meisten Fahrer bremsen nur vorn. Wie auch immer, statt des in der 700er verwendeten Dreikolbensattels kommt in der Dicken nur noch ein Zweikolbensattel zum Einsatz.

Dem ist aber auch nichts vorzuwerfen. Im Vergleich mit der 700er wirkt die vordere Bremse ein Muggaseggele (da haben wir es wieder!) stumpfer und erfordert eine leicht höhere Betätigungskraft. Die Verzögerungswirkung ist der in der Vorgängeranlage ebenbürtig. Zweifelsfrei ist der 750er im ­offenen Zustand dem kleineren Antrieb in vielen Bereichen überlegen. Das dürfte den meisten Kunden allerdings egal sein. Denn Hondas NC 700-Modelle wurden auch zu Bestsellern aufgrund ihrer A2-führerscheinfreundlichen 48 PS. Wie sich die gedrosselte Version der Honda NC 750 S fährt, wird MOTORRAD in einer der nächsten Ausgaben testen.

Technische Daten Honda NC 750 S

Jahn
Leistungsdiagramm Honda NC 750 S.
Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023