Vergleichstest Husqvarna Vitpilen 701 gegen KTM 690 Duke

Husqvarna Vitpilen 701 gegen KTM 690 Duke
Einzylinder-Naked-Bikes im Vergleichstest

Zuletzt aktualisiert am 08.05.2018

Mit den ersten Verbrennungsgeräuschen der KTM 690 Duke und Husqvarna Vitpilen 701 blitzt die Erinnerung wieder auf. Daran, wie man als kleiner Steppke behelfsmäßig auf dem mit einem simplen Sitzkissen ausgerüsteten riesigen Kotflügel des Traktors Platz nahm, dessen mächtigen Einzylinder der Bauer von nebenan manuell mit einer gekonnten Drehbewegung ankurbelte, und man gemeinsam an einem heißen Spätsommertag ins Feld fuhr, um das Korn einzuholen. Da wurde ­einem immer warm ums Herz. Nicht nur wegen der stechenden Hitze in der prallen Sonne, sondern wegen dieser monströsen Maschine, deren schiere Kraft und Geräuschkulisse man als Kind nicht begreifen konnte.

Video vom Vergleichstest

Beim Sound kaum auseinanderzuhalten

Zugegeben, der größte und modernste Serieneintopf, der in beiden Motorrädern steckt, hat erfreulich wenig mit dieseligen Landmaschinen-Einzylindern am Hut. Doch einige Wesenszüge teilen sie sich. Die Macht beispielsweise, mit der die Leistung wie mit einem Hammer auf den Hinterreifen einschlägt. Oder die verständliche, weil simple Technik. Ebenso das charakteristische Bollern und Ballern aus dem Endschalldämpfer. Auffällig bei den Motorrädern: Akustisch unterscheiden sich die österreichischen Konzernschwestern so minimal, wie in sonst keinem anderen Punkt. Und das, obwohl nicht nur der Motor, sondern auch die Grundkonstruk­tion des Stahl-Gitterrohrrahmens aus nah beieinanderliegenden Regalen gezogen wurden. Gegenüber der KTM 690 Duke steht der Lenkkopf der Husqvarna Vitpilen 701 zwei Grad steiler, der Nachlauf fällt 13, der Radstand gar 32 Millimeter geringer aus. Dabei knallt doch schon die Duke wieselflink durchs Geläuf!

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Äußerlich verkörpert die KTM 690 Duke fraglos das traditionelle, kantig-akzentuierte Design, das bei allen anderen, kleineren wie größeren Duke-Modellen bereits weiterentwickelt wurde. Die 690 wirkt klassisch, funktional wie ein Uhrwerk, für manche womöglich etwas bieder. Mit der platten Front, der hochgezogenen Verkleidung des 14-Liter-Tanks, dem steil stehenden Edelstahl-Schalldämpfer und den vorne wie hinten 135 Millimeter Federweg der nicht einstellbaren WP-Gabel und des nur in der Vorspannung justierbaren WP-Federbeins sieht man ihr die Supermoto-Gene an. Keine Frage: Die Duke war seit jeher ein Funbike, ein Rebell im Reigen meist japanischer Mittelklasse-Motorräder – und sie will es auch bleiben.

Husqvarna Vitpilen 701 knapp 1.600 Euro teurer

Die Husqvarna Vitpilen 701 macht da schwer auf Kunststudentin. Allein die ungewöhnliche, mit Lichtreflexen spielende Form des Zwölf-Liter-Spritfasses, das knackig-stummelige Heck und der gleißend helle Rundscheinwerfer reizen den Fahrer zum behutsamen Drüberstreicheln. Die Husqvarna zelebriert die Liebe zum Detail: Jedes noch so kleinste Bauteil scheint durch Designerhände gewandert zu sein, kaum eines erfüllt nur eine Funktion. Das hat Folgen. Kaum stellt man das vollgetankt 165 Kilo leichte Bike auf dem Seitenständer ab, stehen die ersten Passanten zum Plausch bereit. Denen muss man bei aller Euphorie allerdings auch beichten, dass das schwedisch inspirierte, matt silberne Kleid eine pralle Brieftasche erfordert. Rund 1.600 Euro muss man zusätzlich zu den 8.955 Euro der KTM 690 Duke auf den Tresen blättern, um in den Genuss einer avantgardistischen Interpretation des modernen Zweirads zu gelangen. Dabei kann die Vitpilen, was übersetzt so viel wie „Weißer Pfeil“ bedeutet, ausstattungsseitig gar nicht so viel vorweisen. Okay, die WP-Gabel bietet mit einstellbarer Zug- und Druckstufendämpfung einen breiteren Einsatzbereich. Gleiches gilt für das ­Federbein, das in der Vorspannung und der Zugstufe den Fahrervorlieben entsprechend eingestellt werden kann. Doch darüber hinaus muss man den Mehrwert im Design, der hochwertigeren Verarbeitung, dem um nominal 3 PS stärkeren Single und dem verbauten Schaltassistenten sehen – und vielleicht im Prestige. Man kennt das ja aus dem Automobil-Sektor, und ob es einem gefällt oder nicht: Ein Audi ist halt kein Skoda, eine Husqvarna eben auch keine KTM.

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Ein Zweikanal-ABS von Bosch und eine Traktionskontrolle sorgen bei beiden Motorrädern für Sicherheit. Im Falle der KTM 690 Duke kann man Ersteres sogar in einen Supermoto-Modus schalten (deaktiviertes ABS am Hinterrad), Letztere in drei Sensitivitätsstufen ­regulieren. Zusätzlich lässt sich das Ansprechverhalten der Duke über die Wahl von drei Mappings beeinflussen (Street, Sport, Rain). Das moderne und scharfe, aber aufgrund des zu flachen Neigungswinkels zum Fahrer bei Sonneneinstrahlung schlecht ablesbare TFT-Display lässt sich nach kurzer Einarbeitung leicht bedienen. Das runde LCD der Husqvarna Vitpilen 701 wirft dagegen keine Fragen auf, höchstens, ob es optisch wirklich so gut zum Charakter der ansonsten durchgestylten 701 passt. Nun ja, die Reichweitenanzeige beruhigt den Piloten indes, dass trotz des kleinen Tanks mehr als 290 Kilometer am Stück möglich sind, bevor es wieder an die Zapfsäule geht – der Sparsamkeit des wohlerzogenen Singles sei Dank. Dass man mit der KTM noch ein ganzes Stück weiterkommt, passt zur ergonomisch entspannteren Sitzposition. Ein offener Kniewinkel, der breite Lenker, die bequeme Sitzbank in 830 Millimeter Höhe und die gute Bewegungsfreiheit nehmen langen Etappen ihren Schrecken. Überraschend hoch sind im Serienzustand der Fußbrems- und der Ganghebel angebracht: Wer keine Motocross- sondern normale Motorradstiefel trägt, muss den Fuß fast von der Raste heben, um den nächsten Gang der 167 Kilo leichten 690er reinzudrücken.

Welche gewinnt das Duell auf der Straße?

Auf der Husqvarna Vitpilen 701 finden sich die Füße eher zurecht. Brems- und Schalthebel sind gar zweistufig in der Länge verstellbar. Darüber hinaus erfordert das Bike Nehmerqualitäten. Nicht nur wegen der eher harten als sportlich-straffen Sitzbank in immerhin 845 Millimeter Höhe, sondern auch wegen der ­etwas gestreckten Sitzposition über den langen Tank hin zu den an der oberen Gabelbrücke montierten Lenkerstummeln. So lastet das Gewicht des Oberkörpers stärker auf den Handgelenken, was vor allem bei langsamem Tempo auffällt. Nein, gänzlich unbequem ist das alles nicht. Die Vitpilen ist halt ein schicker Roadster und kein luxuriöser Reisedampfer. Apropos Roadster: Ab auf die Straße! Der zu kurz geratene Kupplungshebel der Vitpilen lässt sich leicht ziehen. Die Gänge rasten wie auch auf der Duke exakt ein. Der Schaltassistent hat auf der Husky allerdings mit den bauartbedingten Leistungsspitzen des Einzylinders seine liebe Mühe, nur unter leichter Last vollzieht er den Gangwechsel ausreichend sanft und ohne nennenswerte Zugkraftunterbrechung. Wunder darf man hier nicht erwarten.

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Nach den ersten Metern im Stadtverkehr zeigt sich das ebenso hinsichtlich des Motors. Ein moderner, großvolumiger Einzylinder bevorzugt auch in der heutigen Zeit lieber höhere als niedrigere Drehzahlen. Duke und Vitpilen hacken bis rund 3.000 Umdrehungen auf ihren Ketten rum, in den höheren Gängen finden sie es gar 1.000 Touren später noch besser. Konkret heißt das: In Ortschaften ist der dritte Gang, erst ab 90 km/h der sechste das Maß der Dinge. Doch das verzeiht man sofort. Wer nämlich glaubt, die beiden Singles hätten nur ein schmales Drehzahlband, in dem Leistung abrufbar wäre, irrt. Wie die maximal gemessenen 78 bzw. 79 PS und 76 bzw. 75 Newtonmeter jeweils serviert werden, lässt einen schnell schwach werden und einen ersten Blick aufs eigene Sparbuch werfen. Ab 3.500 Touren stehen mindestens 60 Newtonmeter bereit, die sich beim Spannen des Hahns gleichmäßig und mit launiger Drehfreude des Einzylinders bis knapp unter 7.000 Touren auf ihr Maximum hochschrauben. Dabei ballern ihre Sin­gles so kernig, agieren derart lebenslustig, dass man das Gas gerne je bis zum Begrenzer stehen lässt. Doch keine Sorge: Wer die KTM 690 Duke und die Husqvarna Vitpilen 701 leise, zum Beispiel durch Ortschaften, fahren will, hat dazu alle Möglichkeiten. Beim Konstantfahren pötteln die Einzylinder zivil und vibrationsarm. Ohnehin haben die Mattighofener ihnen tolle Umgangsformen antrainiert, wobei die 690er noch einen Hauch sanfter ans Gas geht. Auch die jeweils zwei Ausgleichswellen und die Doppelzündung beruhigen die Arbeit der Motoren effektiv. Erst ab der zweiten Hälfte des Drehzahlbands beginnen die Rückspiegel beider Bikes, stärker zu zittern, und man erkennt nicht mehr allzu viel. Doch was sollte in ihnen schon zu sehen sein? Leistungsstärkere Motorräder?

KTM 690 Duke leichter zu fahren

Nun, umso enger sich die Sträßchen winden, umso mehr ist die KTM 690 Duke in ihrem Element. Dank des breiten Lenkers lässt sie sich ­federleicht in Schräglage werfen, aufrichten und wieder umlegen. Die Supermoto-Gene sind zweifelsfrei in ihr angelegt, die Metzeler M7 machen jegliche Spielereien klaglos mit. In Schräglage, vor allem bei Bodenwellen und Schlaglöchern, kommt allerdings rasch Unruhe ins Fahrwerk. Ihre Agilität erkauft sich die Duke ein Stück weit mit Einbußen bei der Stabilität. Sowohl die Gabel als auch das Federbein dürften zudem sensibler ansprechen. Mindert das den Spaß? Keinesfalls! Die 690 gefällt Einsteigern wie ­erfahrenen Piloten gleichermaßen, bleibt selbst am Limit jederzeit beherrschbar. Und was ist mit der Husqvarna Vitpilen 701?

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Wo die Strecke sich öffnet, die Kurven weiter und schneller werden, schlägt die Stunde der Husqvarna Vitpilen 701. Sie lässt sich ebenfalls zackig umlegen, verlangt aber nach klaren Impulsen am Stummellenker, weshalb sie trotz schärferer Fahrwerksgeometrie bei flottem Tempo mehr Kraft benötigt. Einmal auf Linie gebracht, pfeilt sie dafür stoisch durch die Kurve. Ihre hochwertigeren Fahrwerkskomponenten zahlen sich vor allem auf runzeliger Asphaltdecke aus. Sie dämpfen Bodenwellen und Schlaglöcher gekonnt weg, machen die Vitpilen auch aufgrund der Sitzhaltung zur Sportlerin unter den Konzernschwestern. Dank des schmalen 160er-Hinterreifens (Bridgestone S21) und großer Schräglagenfreiheit sind enorme Kurvengeschwindigkeiten möglich. Aber: Die Husqvarna erfordert dafür eine kundigere Hand. Wen das nicht stört, wird mit der 701 ebenso glücklich wie mit der KTM 690 Duke. Nur, dass die Kunststudentin einfach so viel schöner ausschaut. Mit ihren fetten Einzylindern begeistern und faszinieren aber beide gleichermaßen – so wie schon damals der alte Traktor des Nachbarn.

MOTORRAD-Testergebnis

1. KTM 690 Duke
Ein Funbike, ein Rabauke ist sie, aber mit zivilen Umgangsformen. Sie klappt spontan ins Eck, hämmert gekonnt vorwärts, macht auf engen Sträßchen stärkeren Motorrädern das Leben schwer. Das Fahrwerk ist nicht perfekt, das ­Potenzial aber riesig.

2. Husqvarna Vitpilen 701
Eine Studie für die Straße. Wunderschön, detailverliebt, avantgardistisch. Und dann fährt sie auch noch gut und schnell durch Kurven. Der Einzylinder passt hervorragend zu ihr. Die Ergonomie erfordert allerdings Kompromisse, der schmale Lenker viel Kraft für den flotten Strich.