Dort, wo ein Vorschlaghammer einschlägt, bleibt nichts mehr, wie es war. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, denn entweder wird Platz für Neues geschaffen oder eine vorhandene Lücke mit Macht besetzt. Zweiteres gelang Moto Morini 2005 mit der Moto Morini Corsaro. Hauskonstrukteur Franco Lambertini, der Dekaden zuvor schon die legendäre 3½ entworfen hatte, durfte bei ihrer Entwicklung aus dem Vollen schöpfen. Diese Chance nutzte er. Der mit 66 mm sehr kurzhubige und drehfreudige 1,2-Liter-V-Twin mit eigenwilligen 87 Grad Zylinderwinkel begeisterte damals nicht nur die italophile Fraktion.
Ebenso klang- wie antrittsstark schlürfte er ebenso gierig wie reichlich sein Gemisch durch großzügig bemessene Drosselklappen. Allzeit bereit, in den unteren Gängen das Vorderrad gen Himmel zu schicken. Im Lauf der kommenden Jahre wuchs die Modellpalette ständig. Das Einsteigermodell 9½, die Reiseenduro Granpasso 1200 sowie das Naked Bike Sport und die Scrambler 1200 kamen neben den Sondermodellen Moto Morini Corsaro Avio und Veloce dazu. Ob nun die Expansionspläne zu ehrgeizig oder die Kunden zu wenig waren, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls war Morini Ende 2010 zahlungsunfähig und musste Insolvenz beantragen. Heute, gut sechs Jahre später, ist Moto Morini wieder da. Neuer Eigentümer ist eine Gesellschaft namens Astor Finanziaria Mobiliare. Um den Vertrieb in Deutschland kümmert sich seit 1. Juni 2016 der Motorradhändler Bayer (www.motorrad-bayer.de) aus Niederrieden im Allgäu.
Der Preis hat es in sich
Nicht nur auf den ersten, sondern auch zweiten und dritten Blick wirkt die aktuelle Moto Morini Corsaro 1200 Veloce der sechs Jahre älteren Schwester – von der Farbgebung abgesehen – wie aus dem Doppelscheinwerfer geschnitten. Ob es sich hier etwa um frisch bereifte – in diesem Fall Pirelli Diablo Rosso II – Altbestände handelt? Doch auf Nachfrage bei Importeur Bayer heißt es, dass alle aktuellen Modelle in einem neuen Werk in Trivolzio bei Mailand frisch produziert würden und technische Verbesserungen sowie neue Komponenten im Motor hätten. Genauere Angaben gibt es nicht. Ein neues Steuergerät würde den Verbrauch senken. Dennoch lässt sich nur bei zaghaftester Bedienung des Gasgriffs der Verbrauch unter die Sechslitermarke drücken. Im Normalbetrieb sind es rund 6,5 Liter. Durstiger waren die alten Modelle auch nicht.
Doch spätestens wenn man die Tanke verlässt, ist das vergessen. Der gewaltige V2 entfesselt ein Klanggewitter, dem man sich nicht entziehen kann. Und obwohl bereits elf Jahre alt, spielt er mit seinen 140 PS und 123 Nm in derselben Liga wie eine Ducati Monster 1200. Bereits knapp über Leerlaufdrehzahl geht das Gebollere los, zwischen 3500 und 9000/min liegen stets über 100 Nm an. Die Schaltbox arbeitet präzise, wenngleich mit langen Schaltwegen. Und für die Antihopping-Kupplung braucht’s ganze Kerle. Die stören sich auch nicht an fehlenden Assistenzsystemen. Denn weder ABS noch Traktionskontrolle sind an Bord, geschweige denn Schaltautomaten oder Riding Modes. Auch hier ist die Moto Morini Corsaro 1200 Veloce ganz die Alte. Nur beim Preis nicht. Standen 2010 noch 10.995 Euro auf dem Preisschild, so sind es heuer stolze 18.500 Euro. Das sichert zumindest die Exklusivität.