Kawasaki Z 900, MV Agusta Brutale 800 RR und Yamaha MT-09 SP
Naked-Bikes im Vergleichstest

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Kawasaki Z 900, MV Agusta Brutale 800 RR und Yamaha MT-09 SP versprechen unverkleideten Fahrspaß mit Suchtpotenzial. Aber welches der drei Nakeds hat die Nase nach einem wilden Tag auf der Landstraße vorn?

Naked-Bikes im Vergleichstest
Foto: fact/Joachim Schahl

Schöne Ferienzeit! Für viele bedeutet die lange Urlaubsphase, endlich mal wieder ausspannen und sich erholen zu können. Das gilt jedoch höchstens für den Teil der Bevölkerung, der keine Kawasaki Z 900, MV Agusta Brutale 800 RR oder Yamaha MT-09 SP besitzt. Die glücklichen Eigner dieser Nakeds werden dagegen die Gunst der Stunde zu nutzen wissen und endlich mal wieder über die freien Landstraßen pusten, während die anderen auf den Autobahnen im Stau stehen.

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Kawasaki Z 900 legt vor

Einmal mehr spielt die Kawasaki Z 900 bei einer Testpartie eine wichtige Rolle. Ihr häufiges Auftreten erklärt sich ganz leicht: In den letzten Jahren hat Kawasaki schlicht und einfach kaum ein Motorrad gebaut, das so spritzig und trotzdem so unkompliziert ist wie die Z 900. Das muss natürlich präzisiert werden. Fangen wir am besten beim Motor an. Kawasaki hält sich mit der Hubraumangabe nicht ganz an die Modellbezeichnung 900, sondern liefert mit echten 948 Kubikzentimetern einen ordentlichen Aufschlag. Darüber kann sich wohl keiner ernsthaft beschweren, zumal das Hubraumplus der Maschine eine kräftige Drehzahlmitte beschert, aus der heraus die Z 900 ab etwa 8.000/min dann noch einmal mit deutlichem Leistungsanstieg in Richtung Begrenzer feuert. Um diese Marke herum vibriert der Vierzylinder zwar etwas, aber nie störend.

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Die Kawa überzeugt durch ihr unkompliziertes und spritziges Auftreten.

Ganz im Gegenteil läuft der Motor ab Betriebstemperatur auffällig weich und meditativ rund. Seine nominelle Spitzenleistung von 125 PS hält einem Vergleich mit einem Superbike natürlich nicht Stand. Aber die Power reicht, um im kurvi- gen Terrain zornig aus den Ecken zu beschleunigen und die kurzen Geraden dahinter aufzuschnupfen. Wenn der Motor nur ein wenig mehr Drehver- mögen an den Tag legte, würde man sicherlich auch deutlich stärkere Bikes kaum fürchten. Die Z 900 spielt die Rolle des flinken Jägers gekonnt, aber manchmal denkt der Fahrer über den Antrieb: „Komm schon, dreh doch noch ein wenig!“ Nichts zu machen. Bei knapp 10.000 Touren ist das Ende der Fahnenstange erreicht.

Kawa liefert erfrischende Vorstellung ab

Doch zurück zum Positiven, etwa der Abstimmung des Kawa-Motors. Weich und folgsam nimmt der Reihenvierling bei mittleren bis hohen Drehzahlen Gas an. Die „Zett“ verfolgt ihre Linie in der Kurve auch dann sauber, wenn der Fahrer die Maschine per Gasstoß auf einen anderen Kurs dirigiert. Nur bei ganz niedrigen Geschwindigkeiten zuckt die Kawasaki kurz unsanft, wenn die Drosselklappen eigentlich weich aufmachen sollten. Dass die Z 900 keine unterschiedlichen Fahrmodi besitzt, stört nicht. Warum auch, wo der Motor so gut abgestimmt ist? Ein Lob verdient darüber hinaus das Sound-Design. Anstatt frenetisch aus dem Auspuff zu brüllen, unterhält die Z 900 mit frechem Ansaugröcheln, das direkt aus der Airbox in den Gehörgang des Fahrers dringt. Eine erfrischende Vorstellung liefert die Kawa da ab, das muss ihr in dieser Form erst mal jemand nachmachen.

Was kann die MV Agusta Brutale 800 RR?

Das prägnante Ansauggeräusch der Z 900 allerdings kann die MV Agusta Brutale 800 RR toppen. Mit Leichtigkeit! Erst neulich brachten die Techniker aus Varese die 800 RR auf den Euro 4-Standard und eliminierten in diesem Zuge das wilde Auspuffgeschrei. Besonders laut tönt die Brutale jetzt nicht aus ihrer Auspuff-Flöte. Aber wie heftig sie dich bei Vollgas aus der Airbox heraus anfaucht, ist beinahe obszön und schon für sich genommen ein Erlebnis. Bleiben wir noch beim Thema Geräusche, denn solche veranstaltet die MV in jeglicher Form und Klangfarbe. Kurz nachdem der 798 Kubikzentimeter große Dreizylinder zum Leben erwacht, gibt er schnarrende Laute von sich. Ein Rübenmühlenartiges Schaben, das mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vom hydraulischen Steuerkettenspanner verursacht wird und sich wieder legt, sobald der Öldruck aufgebaut ist. Im Stand knurrt die MV Agusta dann trocken vor sich hin.

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Der Sound der MV Agusta Brutale 800 RR überzeugt.

Jedenfalls hält das Edelross aus Varese vom Thema Laufkultur nicht wirklich viel. Sobald sich aber das Gelände vor dem Vorderrad öffnet und die leere Landstraße geradezu dazu auffordert, endlich den Hahn zu spannen, gehen alle mechanischen Geräusche in den akustischen Luftverwirbelungen des Ansaugsystems unter. Speziell, wenn der Fahrer in den Kurven noch etwas mit dem Oberkörper arbeitet und sich über den Tank nach vorne beugt, gibt´s die volle Dröhnung! Das Arbeiten mit dem Oberkörper klappt auf der gefühlt extrem kurzen Brutale besonders gut, weil direkt vor dem Lenker nichts mehr kommt außer der freien Sicht auf den Asphalt.

Soundkulisse wie bei einem Hurricane

Im mittleren Drehzahlbereich geht der italienische Drilling zurückhaltend ans Werk. Wer Punch vermisst, hat recht. Erstens ist die MV in den ersten drei Gängen länger übersetzt als die Z 900 und die MT-09 SP. Und zweitens findet unser Prüfstand bei der Leistungsmessung nur 129 von versprochenen 140 PS. Dafür zeigt sich der Dreizylinder als Ableger des F3-Rennmotors trotzdem drehfreudig und agiert ab etwa 10.000/min wie ein echter Sportsmann – in diesem Bereich will die Maschine gehalten werden. Man hat daher das Messer immer fester zwischen den Zähnen als auf den vergleichsweise entspannenden Japanerinnen, die aus der Mitte heraus kräftiger zupacken.

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Wheelies sind mit der Brutale nicht ganz einfach.

Die Drehzahlgier des Triples passt allerdings zum Charakter der MV Agusta. Wie ihre Modellbezeichnung schon nahelegt, gibt es an der Brutale nichts Softes. Sie geht trotz vier unterschiedlicher elektronischer Fahrmodi nie besonders geschmeidig ans Gas. Nach einigem Probieren landet man immer wieder beim Sport-Modus, denn auf „Normal“ ist gefühlt einfach weniger Leben in der Bude. Im mittleren Drehzahlbereich geht das Ansprechverhalten aber über alle Modi hinweg in Ordnung. Nicht, dass einem die Brutale beim Schräglagenwechsel zwischen zwei Kurven dauernd die Linie verhunzen würde. Aber bei geringerem Speed treten deutliche Lastwechsel auf, denn der Motor folgt den Gasbefehlen nicht sauber und direkt genug. Schöne Wheelies etwa sind mit der Brutale brutal schwierig, denn dafür sollte der Motor fein abgestimmt sein. Schade!

Und die Yamaha MT-09 SP?

Yamaha macht vor, wie es besser geht. Die MT-09 SP unterscheidet sich vom Standardmodell zunächst aber nur durch das voll einstellbare Fahrwerk (Kayaba-Gabel vorne, Öhlins-Federbein hinten) und die spezielle SP-Lackierung, die einen qualitativ besonders hochwertigen Eindruck macht. Die Elektronik und der Motor sind mit dem Standardmodell der MT-09 identisch. So wird der bekannte Dreizylindermotor mit 847 Kubikzentimeter Hubraum genau wie bei der MV Agusta von verschiedenen Fahrmodi kontrolliert: A, B und Standard. Fahrmodus A ist eine Spur zu aggressiv, B einen Tick zu lasch und Standard als Kompromiss für alle Fälle genau richtig

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112 PS leistet der Motor der Yamaha MT-09 SP.

Das Beispiel Z 900 zeigt aber, dass es mit einem einzigen sauber abgestimmten Programm in dieser Fahrzeugkategorie auch getan wäre. Selbst im Standard-Modus geht die MT-09 SP bei niedrigen Geschwindigkeiten und aus dem Schiebebetrieb harsch ans Gas. Die übrige Vorstellung des kultivierten Crossplane-Dreizylinders bleibt eine Wucht: Die fette Drehzahlmitte mit ordentlich Schmalz zeigt dem asthmatischen Drilling von MV Agusta, wie´s gehen müsste. Dafür besitzt der Yamaha-Motor auch größere Einzelhubräume als die Brutale. Wer beim Antrieb der MT-09 SP das Haar in der Suppe sucht, findet es bei der Leistungsmessung. Mit 112 PS bleibt der Motor knapp unter der Werksangabe. In der Praxis liefert die MT-09 SP auf der Landstraße aber genügend Druck, und obwohl der Kawa-Vierzylinder satte 15 PS mehr leistet, fühlt sich der tief klingende Yamaha-Drei- zylinder spektakulärer an.

Titel für das sportlichste Chassis geht nach Italien

Zeit, endlich die Fahrwerke ins Spiel zu bringen. Die SP-Variante der MT-09 ist nämlich in diesem Kapitel zum einen ihrer Standardversion haushoch überlegen. Und zum anderen schlägt sie sich auch in diesem Testfeld gut. Die Standard-MT-09 neigt zur Unruhe in der Front, pumpt beim Herausbeschleunigen aus Schräglagen mit dem Heck und setzt sogar mit den Fußrasten auf, weil das Federbein durchschlägt.

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Das sportlichste Fahrwerk liefert die MV Agusta.

Die SP liegt dagegen stabil und behält die gewohnte Handlichkeit der Baureihe mindestens bei. Auf topfebenem Asphalt fährt die SP sogar wie auf Schienen. Sobald der Untergrund jedoch welliger wird, erweist sich die Kayaba-Gabel als wenig feinfühlig. Das Federbein kommt dagegen selbst mit derbem Runzelasphalt gut klar und spricht sauber an. Unterm Strich liefert die MT-09 SP auf jeden Fall hohen Fahrkomfort, denn wegen des entspannten Kniewinkels sitzt der Fahrer dazu noch bequem auf der Maschine. Verglichen mit der Z 900 und der Brutale fühlt sich die Yamaha wie eine Art Touren-Supermoto an. Die Zielgenauigkeit der Kawa und der MV Agusta erreicht sie daher nicht ganz, und für sehr tiefe Schräglagen verlangt die SP auch nach mehr Zug am Lenker als die Konkurrenz.

Größtes Rennfeeling bei der MV Agusta

Der Titel für das sportlichste Chassis geht mit ihrem verwindungssteifen und sauber verschweißten Gitterrohrrahmen an die Brutale 800 RR. Sie vermittelt mit Abstand das größte Renn-Feeling. Auf dem steinharten Sitzpolster thront man deutlich höher als auf den vergleichsweise touristisch anmutenden Japanerinnen. Recht inaktiv fühlt sich der Fahrer auf der Z 900 untergebracht und sitzt gut 40 Millimeter tiefer als auf der Brutale. Die MV Agusta besitzt noch dazu mit 1400 Millimetern den kürzesten Radstand des Trios, den steilsten Lenkkopfwinkel und einen recht kurzen Nachlauf (denselben wie die Yamaha). Diese Zutaten verleihen der Brutale ein wieselflinkes und scharfes Fahrverhalten.

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Die MV Agusta ist das teuerste Bike in diesem Vergleichstest.

Trotzdem fällt es mit ihr schwer, in einer Schräglage gleichmäßig um die Kurve zu zirkeln. Wer genau hinfühlt spürt, dass sich die Maschine über die Reifen Lenkmomente einholt, weil das straffe Fahrwerk nicht fein genug anspricht. Trotz aller Begeisterung für das sportliche Konzept streichen an dieser Stelle manche Fans die Segel. Co-Testfahrer Ralf besteht auf der Meinung, ein tolles Fahrwerk müsse gut funktionieren und dürfe komfortabel sein. Sein Fazit zum MV-Chassis: „Ich bin zu alt für diesen Sch***.“ Ähnlich wie die MT-09 SP federt die Brutale zwar im Stand sauber ein und die Federelemente zeigen ein feines Losbrechmoment – eigentlich fühlt sich die Dämpfung soft an. Doch bei der Fahrt sprechen Gabel und Federbein knüppelhart an. Mit gemessenen 30 Millimetern Negativfederweg am Heck bewegt sich der Durchhang aber im grünen Bereich. Wir vermuten deshalb, dass die Feder des Federbeins zu hart ist und an der Gabel das Luft-/Ölpolster eventuell nicht passt.

Weniger ist manchmal mehr

Weniger kompliziert gestaltet sich die Sache bei der Kawa. Sie schafft es, mit simplen Komponenten ein Fahrverhalten an den Tag zu legen, das für den sportlichen Landstraßenbetrieb mit ausreichenden Dämpfungsreserven gut funktioniert. Ihr Fahrwerk bietet an Gabel und Federbein lediglich eine Zugstufeneinstellung, die zumindest hinten bis auf eine Umdrehung geschlossen werden sollte. Dann liegt die Z 900 straff genug, ohne Fahrkomfort einzubüßen. Präzise trifft die Z 900 Kurveneingänge, liefert gutes Feedback und ein feines Gefühl für das Vorderrad in Schräglage. Kurven durcheilt die Z 900 souverän. Beim ganz zackigen Schräglagenwechsel fällt nur auf, dass die Gabel vielleicht etwas zu schnell aus der Kompression kommt – ein Phänomen, mit dem man auf den meisten Asphalt-Spielwiesen leben kann.

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Welches Bike holt sich den Sieg im Vergleichstest?

Zum Schluss noch ein Wort zur Elektronik. Viel hilft angeblich viel, aber viele Köche verderben auch den Brei. Die Brutale 800 RR besitzt zum Beispiel verschiedene Fahrmodi, von denen nur einer brauchbar ist, eine achtstufige Traktionskontrolle, die noch nie richtig funktioniert hat und einen Schaltautomat mit Blipperfunktion, der die Gänge grob und hart schaltet, wenn er es denn tut – vom zweiten in den dritten Gang jedenfalls nicht. Auch der Schaltautomat der MT-09 SP benötigt Fußkraft und braucht für die Gangwechsel lange. Und unter den drei verschiedenen Fahrmodi befindet sich einer, der schön funktioniert. Aber eine gute elektronische Abstimmung kann einen Hersteller wie Yamaha mit seinem riesigen Erfahrungsschatz und opulenter Datenbank nicht die Welt kosten. Nichts gegen Assistenzsysteme, aber wenn sie an Bord sind, sollten sie ordentlich funktionieren. Vor allem, wenn der Anschaffungspreis des Bikes so hoch ist wie bei der MV Agusta.

Fazit

1.Yamaha MT-09 SP

Die Yamaha holt sich den Testsieg, dies jedoch nicht ohne Zweifel. Nach wie vor überzeugt der tolle Dreizylindermotor, und auch das Fahrwerk passt endlich. In Sachen Elektronik, der Schaltbarkeit des Getriebes und auch bei der Bremse setzt die MT-09 aber keine Höhepunkte.

2.Kawasaki Z 900

Gerade in Relation zu ihrem günstigen Preis kann man der Z 900 kaum etwas vorwerfen. Die Kawa fährt sportlich-brillant, einzig der niedrige Sitz und die tiefen Fußrasten stören dabei.

3.MV Agusta Brutale 800 RR

Das Konzept des drehfreudigen Dreizylinders im ultrahandlichen Chassis gefällt (fast) jedem Vollgas-Freak. Trotzdem erhält der Kunde für sein Geld ein Motorrad, das nicht richtig zu Ende entwickelt scheint. Der raue Motor bleibt weit unter seiner PS-Werksangabe, und die Arbeitsweise der Elektronik ist immer noch unausgereift.

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023