Klein-Yamaha XSR 700 Bantam Racer im Fahrbericht
Zu schade für Hipster-Boy-Selfies

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Klein und fein. Ersteres ist der Name des Erbauers, Letzteres die Beschreibung der modifizierten und hier getesteten XSR 700. Doch wie sportlich fährt der kompakte Mittelgewichts-Renner?

Klein-Yamaha XSR 700 Bantam Race
Foto: fact

Wer eine Yamaha XSR 700 sein Eigen nennt, hat gewiss eine Affinität für Motorräder im Retro-Style. Dass im Stahl-Brückenrahmen ein putzmunterer Zweizylindermotor mit sportlichen Qualitäten seinen Dienst verrichtet, tut der Faszination XSR 700 aber garantiert keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Klassische Formen in Verbindung mit sportlichem Talent liefern die Basis für einen hinreißenden Umbau. Und wenn Tuner und Yamaha-Händler Dominik Klein noch etwas mehr Zeit für dieses Projekt gehabt hätte, wäre aus der auf den Namen Bantam Racer getauften Maschine sogar ein noch wilderer Mittelklasse-Renner geworden. Denn was die Tuningschmiede Klein aus Dillingen im Saarland verlässt, verfolgt generell einen sportlichen Ansatz.

In diesem Fall steckte Yamaha Deutschland allerdings von Anfang an die Details der Mission ab: "Bau uns was Cooles auf Basis der XSR 700, das wir zum Wheels & Waves-Festival nach Biarritz mitnehmen können. Hauptrahmen und Motor dürfen nicht angetastet werden und müssen im Serienzustand bleiben." Und das rockt?

Klein-Yamaha XSR 700 Bantam Race
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R1-Gabel und -Brücke, K-Tech-Federbein

Innerhalb von sechs Wochen verwandelte Klein die XSR nur vordergründig in ein Show-Bike, das als Ausstellungsstück über die Messen wandert. Doch allein als Poser-Stuhl für lässige Hipster-Boy-Selfies ist der Bantam Racer viel zu schade. Hey – da steckt eine 43er-Upside-down-Gabel inklusive Gabelbrücken aus der YZF-R1 drin! Sogar bei der Bremse war der Supersportler Teilespender und steuerte die Monoblockzangen bei. Das voll einstellbare Federbein stammt von K-Tech und sorgt dafür, dass die Maschine stabil auf Kurs und satt in Schräglage liegt.

Davon konnten wir uns am Lausitzring exklusiv selbst überzeugen: kein Wippen, kein Schunkeln oder Zappeln. Trotz brandenburgischer Holperpiste zieht der Bantam Racer souverän seine Bahnen. Hinzu kommt das geringe Gesamtgewicht. Schon eine serienmäßige XSR 700 trägt mit etwa 188 Kilogramm kaum Fett auf den Rippen und entsprechend leicht fällt das Handling aus. Doch auf dem OP-Tisch entdeckte Dr. Klein am Serienmotorrad noch ganze 17,5 Kilogramm überflüssiges Material und setzte umgehend das Skalpell an. Zum Beispiel am geschraubten Rahmenheck, das jetzt in einem kurzen handlaminierten Höcker ohne weiteren Schnickschnack endet und ausschließlich einen Platz bereithält – den des Fahrers. Der voluminöse Luftfilterkasten wurde entfernt, noch dazu fällt das Gewicht der Serienauspuffanlage mit schwerem Sammler weg.

OZ-Aluschmiederäder, Stummellenker, Magura-Bremsen

Edle OZ-Aluschmiederäder des Typs Gass RS-A reduzieren die Kreiselkräfte und pushen das zackige Handling der am Ende 170,5 Kilogramm leichten Yamaha auf Fahrrad-Level. Außerdem trägt der Bantam Racer BKG 3D-Stummellenker anstatt der serienmäßigen Lenkstange. Dadurch kann der Fahrer mit viel Gewicht und Druck auf dem Vorderrad durch die Ecken fegen. Versierten Piloten gelingt es, entsprechend spät den Bremspunkt zu setzen und viel Schwung mit in die Kurven zu nehmen, ohne sich der Gefahr eines einklappenden Vorderrads auszusetzen. Apropos Bremsen: Der radiale HC1-Handbremszylinder von Magura zaubert einen verlässlich klar definierten Druckpunkt. In Kombination mit den übrigen hochwertigen Superbike-Komponenten – die fünf Millimeter dicken Bremsscheiben stammen von Alpha Technik – fügen sich die Einzelteile zu einer renntauglichen Bremsanlage zusammen, die enorm kräftig zupackt. Auch der Kupplungszylinder mit HYMEC-System kommt von Magura. Die hydraulische Betätigung verbessert die Dosierbarkeit der Kupplung und übertrifft die mechanische Variante einer Serien-XSR bei Weitem.

Kein Motortuning

Klein-Yamaha XSR 700 Bantam Race
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Bleibt nur noch die Frage zu klären, wie es mit dem Druck aussieht? Da das Projekt von Anfang an kein Motortuning erlaubte, reißt die Klein-XSR 700 keine Lightweight-Leistungsgrenzen ein. Doch das muss sie auch nicht, weil die Bantam ihren Speed durch präzise Einlenkpunkte, spätes Bremsen und hohe Kurvengeschwindigkeiten holt. Aber ein bisschen geht natürlich immer: Dank Arrow-Komplettanlage, großen und offen zur Schau gestellten DNA-Luftfiltern sowie einem geflashten Steuergerät bringt es die Klein-XSR 700 auf 83 PS – zehn Ponys mehr als in der Serie. Im unteren Drehzahlbereich fühlt sich der perfekt abgestimmte Zweizylinder mit seiner weichen Gasannahme bärig-druckvoll an und begeistert oben heraus mit Spritzigkeit. Bantam definiert im Kampfsport übrigens eine niedrige Gewichtsklasse und bedeutet "klein". Mit dem Fahrspaß hat das Adjektiv allerdings nicht das Geringste zu tun!

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023