Einzylindrig bollernd, ohne übertrieben laut zu sein, wartet die KTM 690 Duke auf den Start des Vergleichstests. Die mittlerweile fünfte Generation des Herzogs aus Österreich wurde für die Saison 2016 nochmals verfeinert. Der adlige Single schickt seine Kolben nun durch eine 105 Millimeter messende Bohrung auf und ab, mobilisiert 79 gemessene, kerngesunde und Euro 4-abgasgereinigte Pferdestärken bei 8200 Umdrehungen. Mamma mia.
Es ist noch gar nicht so lange her, da gehörten solche Werte ins Reich der Fabeln. Da gab es entweder Leistung satt oder Lebensdauer. Aber beides? Was KTM aus dem Einzylinder zaubert, ist aller Ehren wert. Rüttelt die KTM 690 Duke damit schon am heimlichen Thron des Bestsellers der Klasse bis 80 PS, der Yamaha MT-07?
MT-07 der bessere Begleiter im städtischen Verkehrsfluss
Rütteln ist ein gutes Stichwort. Denn genau damit drängt sich der KTM-Motor stets in den Vordergrund, wenn die Drehzahl zu weit abfällt. Zwar haben die Österreicher der KTM 690 Duke von Generation zu Generation immer mehr Manieren anerzogen, die auch ein erträgliches Alltagsleben im städtischen Verkehrsfluss erlauben.
Aber so richtig wohl fühlt sich die KTM 690 Duke hier nicht. Ganz im Gegensatz zur Yamaha MT-07. Zufrieden pöttelnd nimmt deren Zweizylinder schon ganz unten sauber Gas an, erfreut durch Gleichmäßigkeit. Ohne die Emotion zu vergessen. Schließlich rotiert tief im Motorinneren eine Kurbelwelle mit 270 Grad Hubzapfenversatz. Die imitiert in bester Manier einen 90-Grad-V-Motor, würzt schönen Rundlauf mit viel Charakter.
Sehr unterschiedlich beim Thema Laufkultur
Wie unterschiedlich die beiden Motorräder das Thema Laufkultur bei niedrigen Drehzahlen interpretieren, lässt sich auf jedem Meter Stadtverkehr erleben. Bei 50 km/h erlaubt die KTM 690 Duke nur mit viel Feingefühl ein Vorankommen im dritten Gang. Die linke Hand bleibt immer in Habachtstellung, um per Griff zur leichtgängigen und sehr fein dosierbaren Kupplung einzugreifen, um Kettenpeitschen und Motorstottern abzumildern. Auf der Yamaha MT-07 gelingt das Mitschwimmen im Verkehr bei gleicher Geschwindigkeit im vierten Gang. Das ist auch gut so, weil sich ihre Kupplung ruppiger gibt, feine Eingriffe am Schleifpunkt mehr Konzentration erfordern.
Und außerorts? Ändert sich an der grundsätzlichen Wesensart von KTM 690 Duke und Yamaha MT-07 wenig. Die KTM in Gangstufe sechs beim erlaubten Landstraßentempo durch die Gegend zu treiben, ist ein raues Unterfangen. Die Yamaha erledigt das viel gelassener, souveräner.
Nippon-Zweier lässt sich nicht abschütteln
So, das Thema Alltag ist abgehakt, jetzt mal Butter bei die Fische! Niemand kauft sich eine KTM 690 Duke, um damit schnöde Muss-Etappen hinter sich zu bringen. Die Wege locken mit Kurven, vom sechsten Gang geht es nun nach unten, bis die Gangstufen irgendwo zwischen Nummer zwei und vier leichtgängig wieder zueinanderfinden. Eine auf 9000/min angehobene Drehzahlgrenze muss genutzt werden (600/min mehr im Vergleich zur letzten Duke). Alle Synapsen schreien Attacke.
Wie von der Tarantel gestochen prescht die KTM 690 Duke auf die erste Kurve zu. Zackt ums Eck wie ein Thunfisch auf der Flucht vorm weißen Hai. 170 Kilogramm vollgetankt klappen fast von selbst in Schräglage. Famos dreht der Einzylinder nach oben, fegt durch die Drehzahlleiter ähnlich einem Tenor auf der Suche nach dem hohen C. Eine enge Kehre schiebt sich ins Blickfeld. Stempelfrei sortieren sich die Gänge beim Herunterschalten dank Anti-Hopping-Kupplung ein. Parallel dazu packt die rechte Hand zum Bremsgriff. Die Verzögerung stimmt, verlangt aber viel Kraft. Auch die feine Dosierbarkeit an der ABS-Regelgrenze könnte schöner ausfallen. Der KTM-Treiber wähnt sich im Motorrad-Haudegen-Himmel, hat die Yamaha MT-07 schon längst abgeschrieben. Doch ein Blick in die gute Rücksicht bietenden Spiegel verrät: Der Nippon-Zweier ist noch da. Lässt sich nicht abschütteln. Fragezeichen formieren sich im Hirn des KTM-Piloten. Das kann doch nicht sein!
Yamaha MT-07 auch in der Bergwertung vorne
Kann doch. Weil der Yamaha-Zweier immer und bei jeder Drehzahl gut voranschiebt. Da muss nicht jeder Gang immer zur Kurve passen, viel Elastizität entspannt bei der Verfolgung der KTM 690 Duke. Und die sieht am Kurvenausgang kein Land gegen die Yamaha MT-07, wenn die Drosselklappen ihren vollen Querschnitt freigeben. Das zeigen die Durchzugswerte, bei denen sich die KTM erst jenseits von 140 km/h leicht vor der Yamaha behaupten kann.
Neben den standardmäßig erfassten Werten von 60 bis 180 km/h hat MOTORRAD die zwei Testmotorräder auch noch einer typischen Bergwertung, wie sie an jeder x-beliebigen kurvigen Steigung vorkommt, unterzogen. Das Durcheilen einer engen Kehre simuliert in diesem Fall eine Durchzugsmessung im zweiten Gang von 30 auf 80 km/h. Mit 2,4 zu 2,8 Sekunden fällt das Duell deutlich pro Yamaha MT-07 aus.
KTM 690 Duke ein Leichtgewicht
Und weil deren Bremsanlage mitsamt den Doppelscheiben bei Fading, Dosierbarkeit und Wirkung klar vorm KTM-Pendant liegt, kann die Österreicherin am Kurveneingang nur noch ihr etwas besseres Handling aufgrund des schmaleren Hinterreifens und ihr niedrigeres Gewicht in die Waagschale werfen. Mit besagten 170 Kilogramm ist sie ein Leichtgewicht. Allerdings: Mit nur 28 Pfund mehr verkneift sich auch die Yamaha MT-07 jeden Ansatz von Fettleibigkeit. Am Scheitelpunkt versucht der Herzog zwar noch, auf dem ganz engen Radius durch seine famose Schräglagenfreiheit innen und vorn zu bleiben. Aber am Kurvenausgang bringt sich die Yamaha ein ums andere Mal in Erinnerung, treibt die KTM 690 Duke vor sich her. Pro KTM läuft es nur, wenn die Straße wellig wird. Dann wird die MT-07 zum Schaukelpferd. Die fehlende Dämpfung der Federelemente lässt sie hin- und herwippen wie den Kopf eines Wackeldackels auf der Hutablage.
Die Duke ist unter dem Aspekt Fahrwerk zwar auch nicht ohne Fehl und Tadel, läuft aber auf schlechten Straßen präziser. Sie vermittelt mehr Feedback – bedingt durch die im Vergleich zum Japan-Zweizylinder straffere Dämpfung von Front und Heck. Und noch etwas sorgt dafür, dass die KTM 690 Duke auf schlechtem Asphalt die Nase leicht vor der Yamaha hat: ihre Traktionskontrolle. Das nicht serienmäßige Extra-Feature hält den Single aus Mattighofen sicher in der Spur. Bei der Yamaha MT-07 gibt es eine TC nicht für Geld und gute Worte.
Yamaha MT-07 verwöhnt mit schmalem Knieschluss
Die Kurven und Kehren liegen fein seziert hinter dem Duo. Was bleibt? Auf jeden Fall noch ein Hinweis zur Ergonomie. Die Yamaha MT-07 verwöhnt mit schmalem Knieschluss, macht auf niedrig, leicht und anfängertauglich. Satt hockt der Fahrer in ihrem Zentrum, wie von selbst finden die Hände auf dem gut gekröpften Lenker Platz. Einzig der Kniewinkel fällt tendenziell eng aus, zumindest bei Menschen über 185 Zentimetern. Nachgemessen beträgt der Abstand zwischen Sitz und Fußrasten 51 Zentimeter.
Wem das zu arg in den Knien zwickt, der findet vielleicht unter diesem Aspekt in der KTM 690 Duke den passenden Spielpartner. Satte 56 Zentimeter liegen bei ihr zwischen dem Platz für den Fahrer und den Fußrasten. Zur Orientierung: Selbst eine große BMW R 1200 GS offeriert zwischen Sitz und Rasten standardmäßig nur einen Abstand von 57 Zentimetern, womit die KTM fast als richtiges Touren-Motorrad durchgeht, zumindest unter diesem Gesichtspunkt. Das liegt auch daran, dass beim Bike aus Österreich der Pilot in luftigen 835 Millimetern Sitzhöhe thront, bei der Yamaha sind es 25 Millimeter weniger. Dass es trotzdem nur zum Patt in Sachen Ergonomie reicht, liegt am Abstand des Lenkers zum Fahrer. Die Yamaha trifft hier die goldene Mitte, die KTM schiebt die breite Segelstange enger an ihn ran.
KTM in Grundausstattung 2000 Euro teurer
Deutlich weiter auseinander liegen Duke und MT-07 beim Blick auf die Kosten. Beim Verbrauch halten sich beide mit 4,0 Litern für die KTM und 3,7 Litern für die Yamaha auf 100 Landstraßenkilometern vornehm zurück. Und auch bei den Inspektionen, die für die zwei nur alle 10.000 Kilometer fällig werden, schonen sie die Geldbörse. Anders sieht es beim Anschaffungspreis aus. Mit 6395 Euro ist die Yamaha ein regelrechtes Schnäppchen, die KTM 690 Duke ist in Grundausstattung 2000 Euro teurer. Für diese Differenz ließe sich der einzig nennenswerte Kritikpunkt bei der Yamaha MT-07, nämlich das Fahrwerk, locker ausbügeln.
Und trotzdem wäre die kleine Yamaha nüchtern betrachtet immer noch das bessere Angebot. Deswegen ist die KTM aber noch lange kein schlechtes Motorrad. Sie ist nur anders, extremer. Sie will immer aktiv bewegt werden, ist immer auf der Suche nach der Ideallinie, will wuseln und wedeln, kennt keine Pause, keine Zurückhaltung, kein einfaches Laufenlassen. All das macht den Umgang im Alltag mit ihr nicht eben einfach. Aber sobald sich vor ihrem Vorderrad nur ein Stück freier Asphalt auftut, prescht sie voran. Treibt an, weckt den Racer in dir. Und ganz subjektiv gesprochen: Das macht richtig Laune.

Die KTM Duke 690 ist eben die eine für wenige, die ihre nicht ganz so guten Eigenschaften lässig tolerieren und sich dafür umso mehr über ihre herausstechenden Merkmale wie den stärksten Einzylinder im Motorradbau, kombiniert mit ihrer spielerischen Leichtigkeit, freuen. Sie ist ein guter Charakter, mit Ecken, Kanten und viel Verve.
Die Yamaha MT-07 besitzt dazu zwar kein gänzlich konträres Wesen – dafür ist allein ihr Motor viel zu spritzig, treibt zu lustvoll voran – aber sie gibt sich viel verbindlicher, ist die eine für alle. In dem Maße, wie sie auf Ecken und Kanten verzichtet, verliert sie auch an Verve. Sie macht alles mit und kann fast alles. Sie liegt objektiv immer gleichauf mit der KTM 690 Duke – oder übertrifft diese sogar in vielen Punkten. Nur beim Erlebnis, bei den Emotionen hält der Herzog sie ein wenig auf Abstand. Ein Umstand, den man aber spätestens beim Anblick des Preises auf dem Kaufvertrag schnell vergisst.
Leistungsmessungen

Die KTM 690 Duke presst fast 80 PS aus ihrem Einzylinder – ein unglaublicher Wert. Doch wie im wahren Leben gibt sich die Yamaha MT-07 auch bei der Leistungsmessung nicht geschlagen. Dass sie vor allem untenrum viel geschmeidiger läuft (Messung im sechsten Gang), zeigt der Beginn der beiden Kurven.
Schon unterhalb von 3000 Umdrehungen verwöhnt die Yamaha MT-07 mit messbarem Vortrieb, die KTM 690 Duke rüttelt sich da nur unwirsch, malt erst 1000/min später eine saubere Kurve aufs Papier. Der Einzylinder ist ein Hochleistungsaggregat, das lieber obenraus bis fast 9000/min dreht, als untenraus zu drücken. Der Drehmomentverlauf beider Motorräder zeigt sich bis zum Spitzenwert leicht buckelig, nicht geradlinig. Im Fahrbetrieb ist davon aber nichts zu spüren.
Technische Daten und Messwerte

Motor
KTM 690 Duke | Yamaha MT-07 | |
Bauart | Einzylinder-Viertaktmotor | Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor |
Einspritzung | 1 x Ø 50 mm | 2 x Ø 38 mm |
Kupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping) | Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Bohrung x Hub | 105,0 x 80,0 mm | 80,0 x 68,6 mm |
Hubraum | 693 cm³ | 690 cm³ |
Verdichtung | 12,7:1 | 11,5:1 |
Leistung | 54,0 kW (73 PS) bei 8000/min | 55,0 kW (75 PS) bei 9000/min |
Drehmoment | 74 Nm bei 6500/min | 68 Nm bei 6500/min |
Fahrwerk