Was machen Sie hier?“ Die beiden Sheriffs blicken finster drein. „Fotos.“ „Das sehen wir. Aber wozu?“ Nun könnten wir aufsässig auf dem Recht beharren, beliebig Bilder schießen zu dürfen, solange wir keine Persönlichkeitsrechte verletzen. Doch wir donnern dicht an dicht umher, da erübrigt sich jede Diskussion. Daher die versöhnliche Variante. „Für eine Zeitschrift.“ Nach kurzer Debatte der Deal: kein Ticket, dafür Ende der Aktion. Schade, zu gerne hätten wir mit der neuen Suzuki SV 650 und der Yamaha MT-07 vor der Wache in der Innenstadt ein paar gepflegte Formations-Wheelies aufs Parkett gelegt. Schließlich sollen die Bilder verdeutlichen, dass man auch mit kleinen Bikes großen Spaß haben kann. Hier und heute wird das aber nichts mehr. Daher ziehen wir weiter in Viertel mit geringerer Polizeidichte.
Dass wir dort trotz Action keinen Ärger bekommen, liegt auch am angenehm leisen Blubbern der beiden Zweizylinder. Sie klingen unaufdringlich-sympathisch, bollern aber trotzdem so erwachsen, dass sie selbst bei überzeugten Big Bike-Treibern als vollwertige Maschinen durchgehen. Allerdings schlägt mit 90 Grad Zylinderwinkel nur in der Suzuki SV 650 ein echtes V2-Herz. Dagegen gaukelt der Reihen-Twin der Yamaha mit den um 270 Grad versetzten Hubzapfen der Kurbelwelle lediglich einen V-Antrieb vor – Stichwort Crossplane-Technik. Seinem Charme tut das aber keinen Abbruch. Zumal der Twin seine gemessenen 76 PS aufregend lebendig serviert. Bereits kurz über Leerlaufdrehzahl marschiert die Yamaha MT-07 tapfer los und zischt voller Tatendrang und wunderbar gleichmäßig durchs Drehzahlband. Erst kurz vor dem fünfstelligen Bereich lässt der Schwung etwas nach. Diese faszinierende Motorcharakteristik mit viel Dampf von unten weckt den Spieltrieb und erlaubt Einrad-Artisten zudem, das Getriebe auf dem Hinterrad komplett durchzuladen – herrlich!
Gleichstand in Sachen Laufkultur
Die Suzuki SV 650 tut sich da etwas schwerer. Zwar schickt auch ihr Antrieb 76 muntere Ponys ins Rennen. Doch wegen des kleineren Hubraums (645 zu 690 Kubik) liefert der Suzi-Motor über beinahe den gesamten Drehzahlbereich etwas weniger Power. Das verdeutlicht auch ein Blick auf das Leistungsdiagramm. Nur am oberen Ende der Skala verläuft die Kurve der SV 650 teils oberhalb jener der Yamaha. Darunter liefert die Yamaha MT-07 sicht- und spürbar mehr Punch. Auch das maximale Drehmoment liegt bei der Yam viel früher an. Immerhin ist die SV kürzer übersetzt, was ihr Power-Defizit zumindest teilweise etwas ausgleicht. Außerdem bleibt abzuwarten, wie stark Euro 4 die Yamaha nächstes Jahr einbremsen wird.
Gleichstand herrscht zwischen den Konkurrentinnen in Sachen Laufkultur. Beide Motoren leiten ausschließlich hochwillkommene Vibrationen zum Piloten. Auch in den Kategorien Lastwechselreaktion, Kupplungsfunktion und Getriebebetätigung liefern sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen – mal hat die Suzuki SV 650 die Nase leicht vorn, mal die Yamaha MT-07. Unterm Strich stellt die MT-07 aber klar das fetzigere, lustvollere Aggregat.
Fun und Action in der Stadt? Mit den Nakeds kein Problem!
Stimulierend verläuft auch unsere innerstädtische Fotoproduktion. Erfreulicherweise nehmen Passanten sie gelassen hin: kein Drohen mit der Ordnungsmacht, kein wütendes Gestikulieren, kein Notieren der Kennzeichen, kein Stress. Wow! Offenbar fühlen sich die Leute von den braven Mittelklässlern nicht belästigt und schauen dem Treiben bisweilen sogar interessiert zu. Doch die Bikes haben auch eine rebellische Seite. Die zeigen die Yamaha MT-07 und die Suzuki SV 650 bei einem Ausflug auf die Schwäbische Alb.
In dem süddeutschen Mittelgebirge lassen wir die Nackedeis ordentlich laufen, jagen sie durch die abwechslungsreiche Kurvenwelt. Die Hatz um die Radien verträgt die Suzuki besser. Zwar lenkt sie trotz ihres schmalen 160er-Hinterreifens etwas schwerfälliger ein als die Yamaha MT-07 auf ihrem 180er-Schlappen. Das liegt einerseits am deutlich höheren Gewicht der Suzi (199 zu 181 Kilo). Außerdem steht ihr Lenkkopf etwas flacher und sowohl Nachlauf als auch Radstand fallen länger aus – all das geht auf Kosten des Handlings. Doch einmal in Schräglage, zieht sie deutlich stabiler und ruhiger ihre Bahn als die nervöse Yamaha. Auch das straffe SV-Fahrwerk trägt dazu bei, vor allem das Federbein zeigt sportliche Härte. Allerdings schießt die Suzuki SV 650 damit etwas übers Ziel hinaus. Denn holpriges Geläuf und speziell fiese Kanten mag sie nicht, rüttelt ihren Piloten auf derlei Untergrund arg durch.

Genau umgekehrt verhält sich die Yamaha MT-07. Gabel und Federbein absorbieren übles Geläuf erstklassig, sind für die meisten Straßen aber viel zu soft abgestimmt. Dadurch herrscht immer reichlich Bewegung im Gebälk, außerdem verlangt die Yam in Kurven minimale Lenkkorrekturen, um auf Kurs zu bleiben. Klasse wäre ein Mittelding aus beiden Abstimmungen. Oder einstellbare Federelemente. Doch bei Preisen um 6400 Euro bleibt das wohl ein frommer Wunsch. Selbiges gilt für die Ausstattung. Elektronische Helferlein wie unterschiedliche Fahrmodi oder eine Traktionskontrolle sind ebenso Fehlanzeige wie eine Anti-Hopping-Kupplung. Solche Features vermisst man jedoch bei dieser Spezies nicht wirklich.
Eindeutig wichtiger ist das Handling – die Paradedisziplin der Yamaha. Einfach großartig, wie easy sie selbst durch trickreiches Geschlängel pfeilt. Um abzuwinkeln genügt ein kurzer Impuls, und zack, schon flitzt sie in die gewünschte Richtung. Fun pur! Trotz sehr ähnlicher Werte des ergonomischen Dreiecks aus Bank, Lenker und Rasten sitzt der Pilot auf der Yam zudem etwas aktiver als auf der Suzuki. Außerdem liefert die Yamaha MT-07 ein transparenteres Feedback. Außer der etwas passiveren Sitzposition der Suzuki SV 650 fällt ihr dünnes Polster auf. Dadurch ruht der Allerwerteste schon nach kurzer Zeit auf dem harten Rahmen des Unterbaus – autsch!
Doppel-Wheelie vor der Wache: Plan nur vertagt!
Einen weiteren Ausrutscher leistet sich die Suzuki SV 650 bei den Bremsen. Klar, sie ist kein Supersportler. Doch um die Fuhre bei gepflegtem Galopp einzufangen, muss man am Hebel ziehen wie der sprichwörtliche Schmied. Und selbst dann ankert sie noch mit sehr überschaubarer Wirkung. Die Yamaha MT-07 macht das besser. Zwar ist auch sie nicht mit Brutalo-Stoppern ausgestattet und schafft keine extraspäten Bremspunkte. Dennoch verlangt sie deutlich weniger Handkraft und beißt fester zu als ihre Konkurrentin. Allerdings stempelt bei dieser Übung gelegentlich das Hinterrad. Speziell dann, wenn der Pilot beim Ankern früh herunterschaltet und hart einkuppelt.
Der Suzuki SV 650 kann derlei Gebaren nichts anhaben, ruhig und souverän gleitet sie über die Bahn. Ein Patt herrscht beim ABS. Beide Systeme regeln vergleichsweise früh und mit groben Intervallen. Auch deshalb müssen sich Spätbremser etwas mäßigen. Um den Aufschrei militanter Sicherheitsfanatiker gleich im Keim zu ersticken: Für den täglichen Gebrauch genügt das Regelverhalten allemal. Viel zu früh geht ein abwechslungsreicher Tag zu Ende. Immerhin konnten wir unser geplantes Programm gepflegt durchziehen – bis auf die Aufnahme mit dem Doppel-Wheelie vor der Wache. Doch wir schleichen uns sicher bald noch mal an.
Technische Daten Suzuki SV 650

Hier sehen Sie einen Auszug der technischen Daten. Wenn Sie die kompletten, von uns ermittelten Messwerte inklusive aller Verbrauchs-, Durchzugs- und Beschleunigungswerte möchten, können Sie den Artikel als PDF zum Download kaufen.
Technische Daten Yamaha MT-07

Hier sehen Sie einen Auszug der technischen Daten. Wenn Sie die kompletten, von uns ermittelten Messwerte inklusive aller Verbrauchs-, Durchzugs- und Beschleunigungswerte möchten, können Sie den Artikel als PDF zum Download kaufen.
Fazit

1. Yamaha MT-07: In diesem Vergleich ging es verdammt eng zu. In den einzelnen Kriterien liegt mal die eine vorn, mal die andere. Letztlich macht die Yamaha das Rennen. Sie ist handlicher, hat die besseren Bremsen, den druckvolleren Motor und bringt daher den entscheidenden Tick mehr Spaß.
2. Suzuki SV 650: Zweiter Sieger ist gleich erster Verlierer? Nicht in diesem Fall. Denn die SV 650 hat top Qualitäten wie beispielsweise das stabile Fahrverhalten. Auch die Kupplung lässt sich feiner dosieren und das Getriebe etwas leichter schalten. Ihr fehlt nur der letzte Spritzer an Faszination.
Hier sehen Sie einen Auszug der technischen Daten. Wenn Sie die kompletten, von uns ermittelten Messwerte inklusive aller Verbrauchs-, Durchzugs- und Beschleunigungswerte möchten, können Sie den Artikel als PDF zum Download kaufen.