Test Cagiva Raptor

Test Cagiva Raptor La Bomba

Es gibt Dinge, die mit der Macht einer Bombe das Establishment erschüttern. So wie die Cagiva Raptor, die antritt, die Welt der Nackten aufzumischen.

Wir lieben es, das Suzuki TL 1000-Triebwerk. Ein Meilenstein unter den 90-Grad-V-Twins, robust, modern, äußerst kräftig und dabei fabelhaft kuliviert. Bedauerlicherweise konnte Suzuki den Motor nie so recht in Szene setzen, denn die TL-Baureihe stolperte immer über ihre allzu ehrgeizige Andersartigkeit. Doch jetzt wird alles gut. Suzuki verkauft den Traum-Twin separat an bedürftige Hersteller, so dass er sich fortan in einem erschwinglichen Spaßmobil, einem klassischen Allrounder mit hohem Lenker und niedriger Sitzbank entfalten kann: in der Cagiva Raptor.
Nicht ganz zufällig hat deren Name eine monströse Doppeldeutigkeit. Einerseits kennen im Jurassic-Park-Zeitalter etwa 50 Prozent aller Erdenbürger die klauenbewehrten Bestien gleichen Namens, und dementsprechend lugen aus Tank und Fußrastenplatte die sprungbereiten Krallen der Cagiva hervor. Andererseits zeichnete der Designer Miguel Galuzzi bereits ein anderes, in Zweiradkreisen wohlbekanntes Untier: das beliebte und reißenden Absatz genießende Ducati-Monster. Demnach darf die Cagiva durchaus als Weiterentwicklung aller Monster gelten, denen sie bei ähnlichem Preis mindestens 30 PS voraus hat. Nebenbei bemerkt dürften 18 297 Mark im Zeitalter des hohen Yen-Kurses auch starken japanischen Naked-Bikes Sorgenfalten in den Tank treiben.
Optik? Modern und aggressiv, bullig und dabei verspielt mit Zacken und dreieckigem Cockpit, ein bisschen wie ein geducktes Cyberspace-Insekt, der Tank obenauf als breiter Rücken, in dem sich kantige Muskeln abzeichnen. Sehr eigenständig, das. Erfreulicherweise gesellen sich dazu solide Verarbeitung und gute Ausstattung, etwa Stahlflex-Bremsleitungen oder Auspuffe, komplett aus Edelstahl.
Sitzprobe. Dem Durchschnittsmenschen bis 1,80 Meter zaubert’s ein spontanes Lächeln ins Gesicht. Seien es die Test-Moni oder der Test-Mini, seien es Markus, der Fotograf, oder Markus, der Gasgeber: Sie alle finden ihr Glück auf dem Rücken der Bestie, die sie mit niedriger Sitzbank wohlig hinter ihrem Tank integriert, welcher zusammen mit den moderat hohen Rasten saugenden Knieschluss ermöglicht. Der Lenker passt dazu, genau so wollen der Abend auf der Hausstrecke oder die Genusstour im Gebirge erlebt sein. Größere Menschen fühlen sich indes vor allem beinwärts reichlich zusammengefaltet. Ob Cagiva mal über eine - vielleicht optionale - höhere Sitzbank nachdenkt? Die Lulatsche fühlen sich nämlich etwas ausgegrenzt - von dem Mörderspaß, den das Untier bereitet.
Ehrlich, das sucht seinesgleichen. Spritzig: Der TL 1000-Treibling feuert die Cagiva von Ecke zu Ecke, pfeffert mit Wucht schon aus niedrigsten Drehzahlen, dass es immer, immer, immer - brrrrrab - eine Freude, eine Wucht, eine Wonne ist. Handlich: Die Raptor wedelt mit einer Leichtigkeit durchs Asphaltgewühl, die vielleicht von Mopeds, nicht jedoch von einer 1000er bekannt ist. Eine Kombination, wie sie die natürlich sportlicher orientierten TL 1000 leider nie bieten konnten.
Auch in der Raptor hat der TL-Motor nichts von seiner Bärigkeit eingebüßt, läuft elastisch und vibrationsarm. Zackig, vielleicht etwas geschmeidiger als von der Suzuki gewohnt, bewältigt das neu konfigurierte Motormanagement die Umkehr von Schiebe- auf Lastbetrieb, was im Einklang mit dem Spiel im Antriebsstrang schon mal zu leichten Lastwechselruckern führt. Dafür verwöhnt das Getriebe mit präziser Leichtgängigkeit, eine Wonne, durch die Gänge zu beschleunigen, denn die Raptor ist noch kürzer endübersetzt als die Suzuki. Zudem verfügt er über ein Sekundärluftsystem, ist obendrein trotz klanglicher Charakterstärke leise.
Neben der fulminanten, ja suchtgefährdenden Leichtfüßigkeit brilliert das Fahrwerk durch enorme Lenkpräzision und äußerst geringe Aufstellmomente, sei es beim Bremsen oder beim Überfahrern und Beschleunigen auf Bodenwellen. Da dürften die serienmäßig montierten Bridgestone BT 56 ihren Anteil beisteuern, die zudem bis zum sehr spät aufsetzenden Bremspedal mit gutem Grip dienen. Die guten Federelemente stehen dem hohen Standard nicht nach, liefern sie doch zunächst soften Komfort, um im Ernstfall - etwa in Form einer tückischen Bodenwelle oder einer beherzten Bremsung auf holprigem Terrain - beruhigende Reserven beizusteuern. Thema Bremsen: Cagiva hat offenbar auf die Kritik während der Präsentation reagiert. Die Raptor verzögert vorn ohne Fehl und Tadel, hinten ebenso, allerdings sollte der Pilot bei ihr genau überprüfen, ob sein Fuß unbemerkt auf dem Pedal parkt. Wenn, ja, ist Einstellen angesagt, damit der stete, unbemerkte Druck aufs Pedal weder Überhitzung noch Ausfall der hinteren Bremse verursacht.
Was gibt’s da noch? Für ein Naked Bike läuft die Raptor ruhig geradeaus, wobei sie ihren Passagier relativ angenehm dem Fahrtwind aussetzt. Hie und da zuckt das Raubtier vergleichsweise sanft mit dem Lenker. Kein Wunder eigentlich, denn der bärige Motor verführt nun einmal zu beherztem Gasgeben. Da kann das Vorderrad schon mal abheben, schräg auftitschen und als Folge ein bisschen zappeln. Aber nicht schlimmer als bei vergleichbar starken Naked Bikes auch. Die indessen sollten sich fürchten vor Cagivas neuem Raubtier. Die Raptor hat alle Anlagen, in kürzester Zeit zum Kult zu avancieren. Spielerisch, stark, hochwertig, erschwinglich - weiter so, Cagiva.

Fazit - V-Raptor – uaaah!

Die Welt braucht Motorräder wie die Raptor. Dringend. Aber noch viel dringender brauchte sie V-Raptoren. Rigoros gezeichnete Design-Bomben. Mit Raubvogelnase. Fern jeglicher hausbackenen Vorstellungen von Ästhetik. Ohne Rücksicht auf Verluste. Technisch gibt’s kaum Unterschiede zwischen Raptor und V-Raptor. Motor, Fahrwerk – alles gleich. Trotzdem gibt sich die V etwas nervöser, was eigentlich nur am tieferen, breiteren Lenker liegt. Zudem liefert sie Windschutz, wenn auch etwas turbulent. Sie gefällt Ihnen? Okay. Dann sollten 1000 Mark Aufpreis nicht zu viel sein.

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