In der Sprache der Dichter ist der Zephyr ein milder Westwind. Die Zephyr 550 hingegen weht aus Fernost und will bei aller Hubraum-Bescheidenheit mehr sein als ein laues Lüftchen.
In der Sprache der Dichter ist der Zephyr ein milder Westwind. Die Zephyr 550 hingegen weht aus Fernost und will bei aller Hubraum-Bescheidenheit mehr sein als ein laues Lüftchen.
Vor sieben Jahren schwappte eine Welle kleiner, vierzylindriger, unverkleideter Motorräder mit 50 bis 60 PS auf den deutschen Markt - und verlief weitgehend im Sand. Daß mit der Kawasaki Zephyr 550 ausgerechnet die technisch schlichteste und nominell leistungsschwächste Maschine ihre seinerzeitigen Mitstreiter - Honda CB-1 und Suzuki Bandit 400 - hat überleben können, ist rückblickend gar nicht so überraschend. Die Kawasaki konnte Vorzüge ins Feld führen, die bis zum heutigen Tag in Naked Bike-Kreisen für Ansehen sorgen: einen kompakten, gedrungenen Körperbau ohne spielzeughaften Niedlichkeitsfaktor, aufwendige konstruktive Details im Sichtbereich des Betrachters, dazu ein Leistungspaket, das mehr aus Hubraum denn aus Drehzahlen geschnürt ist.
Wobei der Zephyr-Motor genaugenommen aus der Not seines hohen Alters eine Tugend macht. Mit Luftkühlung, Zweiventiltechnik und vergleichsweise konservativen Bohrung/Hub-Verhältnis kann das aus seligen GPZ-Zeiten stammende Aggregat gar nicht anders, als sein Heil diesseits fünfstelliger Drehzahlen zu suchen. Und zu finden: Zum einen stand die Testmaschine mit 54 PS deutlich besser im Futter, als es ihr die Werksangabe zutraut, zum anderen signalisiert der weite, flache Schwung der Drehmomentkurve, daß die Zephyr mehr zur Zierde denn aus Not ein Sechsganggetriebe spazierenfährt.
Signalisiert? Eher suggeriert, denn mit einer lang geratenen Endübersetzung, die den sechsten Gang zum Overdrive stempelt, steht sich die Zephyr immer wieder selbst bremsend im Weg. Bei den Höchstgeschwindigkeitsmessungen jedenfalls, die witterungsbedingt in aerodynamisch ungünstigem, dafür um so wärmeren Outfit vorgenommen wurden, blieb die 550er unter ihren Möglichkeiten und verhungerte bei 168 km/h - weit diesseits ihrer Nenndrehzahl. Unter günstigeren Bedingungen - Fahrer in engem Leder und mit angelegten Ohren - ist die Maschine für mehr als 170 km/h gut, wie frühere Tests bewiesen haben. Auch beim Durchzug im großen Gang hängt ihr die Fehlübersetzung wie ein Bremsfallschirm an: 16,4 Sekunden für den Zwischenspurt von 60 auf 120 km/h sind kein Ruhmesblatt - eine ER-5 braucht für diese Übung drei Sekunden weniger.
Der Hoffnung, ruhigen linken Fußes durch die Lande zu lümmeln, steht gleichwohl nichts entgegen: Der Vierzylinder hängt ab Leerlaufdrehzahl sauber am Gas, rüttelt und schüttelt nicht, dreht brav und ohne Zaudern hoch - wenn auch nicht mit besonderer Durchschlagskraft. Wer es heißer mag und den Tanz auf dem Schalthebel bevorzugt, wird auch nicht enttäuscht: Das Getriebe schaltet sich akkurat, der Antriebsstrang kennt keinerlei Lastwechselreaktionen, und der in Gummi gelagerte Motor behält auch bei hochtouriger Fahrweise seine Vibrationen für sich. Das Ende vom hohen Drehzahllied sind erfreuliche Dynamik-Erlebnisse ohne Nebenwirkungen.
Und ohne Risiken - was in den Zuständigkeitsbereich des Zephyr-Fahrwerks fällt. Grundlage ist ein klassisch gestrickter stählerner Doppelschleifenrahmen, der mit einer hochwertigen Aluminium-Schwinge mit in Exzentern geklemmter Hinterachse bestückt ist. »Rucksack«federbeine mit einstellbarer Zug- und Druckstufendämpfung kontrollieren das zurückhaltend bereifte Hinterrad, vorn leistet eine schlichte Telegabel mit 39er Standrohren Führungsarbeit.
Ein Fahrwerkspaket, das funktioniert. Mit ihrem leichten, aber präzisen Handling ist die Zephyr ein feines Kurvensuchgerät - eine Maschine, die ohne Widerstand und ohne Eigenmächtigkeiten zarten Lenkbefehlen gehorcht. Bis auf eine leichte, aber unkritische Längsrillenempfindlichkeit ist auch die Spurhaltung bei hohen Geschwindigkeiten - ob geradeaus oder in langgezogenen Biegungen - tadellos. Als vertrauenbildende Zugabe fungiert eine kraftvoll zupackende, gut dosierbare Doppelscheibenbremse, der ein gefühlvoll einsetzbarer hinterer Stopper wirkungsvoll sekundiert. Erfreulich in diesem Zusammenhang, daß die Frontpartie Verzögern in Schräglage ungerührt zur Kenntnis nimmt.
Auf schlechtem Untergrund zeigt das Zephyr-Chassis Licht und Schatten. Licht insofern, als die Maschine auch auf schlechten Straßen nicht aufgeregt pumpend aus dem Ruder läuft. Schatten, weil das Wort »Federungskomfort« eher klein geschrieben wird: Die Gabel spricht nicht sonderlich fein an, und bei nicht einmal neun Zentimetern Arbeitsweg sind die Federbeine zwangsläufig von der straffen Sorte.
Apropos Beine: Für Fahrer mit langen Haxen wird die Zephyr ob der räumlichen Enge zwischen Sitzfläche und Fußrasten schnell zur Zwickmühle. Für sie - und für die Besatzung des knapp bemessenen Soziusplatzes - gilt auf längeren Strecken das Motto: über den Krampf zum Ziel. Ansonsten herrscht im Kommandostand eitel Freude: Der Allerwerteste ruht wohl gebettet auf breiter, weicher Unterlage, die Hände fallen wie von selbst auf die Lenkerenden, dem Anlehnungsbedürfnis der Knie tragen bekömmlich geformteTankflanken Rechnung. Unter dem Strich also ein sehr verträgliches Klima an Bord der Zephyr - eines Motorrads, das weiß, woher der Wind weht, ansonsten aber gar nichts Windiges an sich hat.