Test Triumph Speed Triple T 509
Nachtschwärmer

Ein Motorrad mit Einarmschwinge, phantastischen Bremsen und einem extravaganten Alu-Rahmen, und das alles für unter 20000 Mark? Schöner Traum, denken Sie. Und der heißt ab sofort Triumph T 509 Speed Triple.

Streetfighter-Spezialisten drohen schwere Zeiten. War der Umbau eines zumeist sturzgeschädigten, vollverschalten Supersportlers zum Unikat bislang ein lukratives Geschäft, so ziehen jetzt dicke Gewitterwolken aus England über den Kontinent. Besitzen die Briten doch die Dreistigkeit, mit der Speed Triple T 509 quasi einen Werks-Streetfighter auf den Markt zu bringen, und das zum konkurrenzlos günstigen Preis von 18990 Mark - was, zumindest in Streetfighter-Kreisen, beinahe an Dumping grenzt.
Bei der T 509 hat Triumph erneut auf das Baukastenprinzip zurückgegriffen. Wie schon bei der ersten Speed Triple (siehe Kasten Seite 54), dient auch bei ihr ein vollverkleideter Renner als Ausgangsbasis, der erst kürzlich die Bewährungsprobe bei MOTORRAD bestanden hat: die Daytona T 595 (Einzeltest Heft 4/ 1997, Vergleichstest Heft 5/ 1997). Ohne Änderung übernahmen die Engländer den extravagant gestylten Alu-Brückenrohrrahmen, die Brembo-Felgen, die Vorderradgabel, die Bremsanlage und die Einarmschwinge. Anstelle einer Vollverkleidung erhielt Triple zwei tiefhängende, verchromte Scheinwerfer, die verdächtig nach Chopperzubehör-Katalog aussehen.
Überhaupt, das Outfit. Wirkt irgendwie professionell handgemacht. Aber in jedem Fall äußerst anziehend. Auch auf Zeitgenossen, die sich ansonsten nicht die Bohne für nagelneue Motorräder interessieren. Doch die Speed Triple macht nicht nur auf dem Seitenständer eine prächtige Figur, sondern vor allem, nachdem man es sich auf der straff gepolsterten Sitzbank bequem gemacht hat, den Zündschlüssel umdreht und den Starterknopf drückt. Da ertönt er dann, dieser unvergleichlich heisere Sound des Reihendreizylinders. Klingt so herrlich nach Porsche Carrera. Rein gefühlsmäßig aber nicht ganz so aggressiv wie der Sound des 956 cm³ großen und nominell 130 PS starken Motor der Daytona. Beim Zwölfventiler der Triple stand nicht pure Spitzenleistung auf dem Programm, sondern gleichmäßiger Durchzug, der unter anderem durch zahmere Steuerzeiten, einen kleineren Ventildurchmesser und einen geringeren Saugrohrdurchmesser erreicht werden soll. Drei Millimeter weniger Bohrung ergeben ein Hubraumdefizit von 71 cm³ gegenüber dem Sportler-Triebwerk.
Was natürlich die Frage aufwirft, warum Triumph zwei unterschiedliche Motoren für die Daytona und die Speed Triple produziert und vom angestrebten Baukastenprinzip - sowie der damit verbundenen Kosteneinsparung abweicht. Die Vorgeschichte: Ursprünglich war nur ein Motor für beide Modelle vorgesehen. Die hubraum- und leistungsgesteigerte Variante mit 130 PS sollte einer Daytona SP-Version vorbehalten bleiben. Doch die Importeure forderten diesen stärkeren Motor bereits für die Serien-Daytona.
Das 885 cm³ Triebwerk der Speed Triple nun als Notlösung abzustempeln wäre aber grob fahrlässig, auch wenn beim Testmotorrad statt der im Fahrzeugbrief ausgewiesen 108 PS auf dem Prüfstand lediglich deren 95 übrigblieben. Zwar verfügt die Triple bei niedrigen Drehzahlen nicht über den Punch einer Daytona, aber über 3500/min dreht der Motor locker und gleichmäßig bis in den roten Bereich. Mit einem Landstraßenverbrauch von rund sechs Litern Super bleifrei gibt sich ihr Einspritz-Motor im Vergleich zur Daytona etwas sparsamer.
Daß schnödes Bolzen über Autobahnen mit der Speed Triple nicht sonderlich spaßig ist, versteht sich von selbst. Ihr Revier sind Landstraßen. Hier kommt ihr Gesamtgewicht von 219 Kilogramm und der damit verbunde Gewichtsvorteils von vier Kilogramm gegenüber der Daytona, voll zur Geltung. Schnelle Schräglagenwechsel gehen wie von allein, genau wie das eifrige Schalten im knackig-präzisen Sechsganggetriebe. Was einem überzeugten Fahrer und Besitzer des Vorgängermodells besonders beim direkten Vergleich der beiden Triple-Generationen auffiel. MOTORRAD-Grafiker Stefan Weber schwäbisch-knapp: »Ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem alten Modell. Macht richtig Laune.«
Die nicht zuletzt auch wegen der gelungenen Sitzpostion und dem nicht zu breit geratenen Superbike-Lenker aufkommt. Und der von der Daytona bekannten Vierkolben-Bremsanlage Marke Nissin: In Sachen Dosierbarkeit und Wirkung wohl mit das Beste, was derzeit im Serienbau erhältlich ist. Zur Landstraßenfetzerei paßt ebenfalls das straffe Fahrwerk der T 509. Wer eine komfortbetonte Unverkleidete sucht, sollte sich allerdings besser mit anderen Fabrikaten anfreunden. Denn auch mit offener Druck- und Zugstufendämpfung an der Showa-Vordergabel läßt einen der Bridgestone BT 56-Vorderreifen nie im Unklaren über die jeweilige Fahrbahnbeschaffenheit. Als überraschend angenehm erweist sich der hintere Pneu: Trotz modischer 190er Bereifung auf der sechs Zoll breiten Brembo-Felge an der Einarmschwinge läßt sich die Triple präzise durch Kurven zirkeln. Auch das Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage hält sich in Grenzen. Wem die Bridgestone-Erstbereifung trotzdem nicht behagt, für den bietet Triumph einen besonderen Service: Nahezu alle aktuellen Sportreifenpaarungen von Rang und Namen sind bereits homologiert. Ein feiner Zug, der Kosten und Mühen für Gutachten und etwaige Eintragungsgebühren spart.
Aber auch in puncto Merchandising zeigt sich Triumph mindestens ebenso piffig wie die Kicker vom FC Bayern München. Wobei das Thema Carbonfaser eindeutig dominiert. Sei es nun in Form eines Schutzblechs oder eines wunderschönen hochgezogenen Schalldämfers - leider nur für Sportzwecke.
Fehlt eigentlich nur noch die original Speed Triple-Bettwäsche, damit Sie auch Nachts noch von der neuen Triumph schwärmen können.

Unsere Highlights

Interview John Bloor - "Es war eine Herausforderung"

Unter Führung von John Bloor baut Triumph seit 1990 moderne Drei- und Vierzylinder

Herr Bloor, vor gut sechs Jahren waren Sie kein ausgewiesener Motorradfan. Hat sich daran im Laufe der Zeit etwas geändert?Ja, sicher. Ich bin heute sehr begeistert. Wenn ich Zeit finde, fahre ich an den Wochenenden mit meiner Thunderbird herum.Können Sie sich denn nicht für die neue Daytona begeistern?Doch, sicher, und zwar richtig. Es ist die Mischung, die sie so gut macht. Der Rahmen, das Design, die Technik vor allem, da haben wir uns - verglichen mit früheren Zeiten - sehr verbessert.Welche Erwartungen haben Sie an die neuen Daytona und Speed Triple?Wir bieten etwas an, von dem wir glauben, daß es sich durch den Dreizylinder und den etwas anderen Rahmen von Mitbewerbern unterscheidet. Es sind vom Stil her sehr europäische Motorräder, genauer: britische. Viele Teile sind eben nicht japanisch oder italienisch, sondern englisch und verleihen den Bikes eine ganz eigene Identität.Wie war die bisherige Resonanz?Sehr gut, wir haben viele Bestellungen, und in einigen Ländern sind die Modelle bereits ausverkauft.Wie geht es weiter mit den neuen Dreizylindern, welche Modelle dürfen wir erwarten?Ich möchte nicht ins Detail gehen. Aber im Prinzip wird eine neue Generation von zum Teil sehr leistungsstarken Dreizylinder-Motoren kommen, die viel leichter sind.Wann kommt ein Twin?Wir planen derzeit nicht, eine Zweizylinder-Maschine zu bauen.In welchen Marktsegmenten fühlt sich Triumph heute schon stark?Bis heute im Enduro-Markt mit der Tiger und bei den sogenannten Retro-Bikes mit unserer Thunderbird.Werden weitere Segmente hinzukommen?Triumph ist mit der Daytona jetzt auch in den Sportmarkt eingestiegen. Ansonsten konzentrieren wir uns auf das, was wir haben, und - für die nächste Zukunft - auf weitere Sportmotorräder.Ab wann tragen alle Triumph einen Kat?Viele unserer Motorräder haben einen ungeregelten Kat. Die neuen Dreizylinder-Modelle noch nicht. Wir planen derzeit auch nicht, dort einen Kat einzubauen. Aber die neuen Triples erfüllen dank ihrer Einspritzung alle gängigen Emissionsgesetze, also auch die Euro 1-Norm und sogar die ausgesprochen strikte kalifornische Norm. Auch auf die zukünftige europäische Gesetzgebung sind wir vorbereitet.Warum hat Triumph die Fertigungstiefe immer weiter ausgebaut?Um die Qualität kritischer Komponenten direkt vor Ort kontrollieren zu können. Die britische Zulieferindustrie hat die 60er und 70er Jahre verpaßt. Das brachte uns in eine Zwangslage, und deshalb fertigen wir eben sicherheitsrelevante oder Präzisionsteile mittlerweile in Hinckley.Wieviel Leute arbeiten bei Triumph, und wie viele Motorräder bauen die derzeit?Alles zusammen 400 Leute, 350 in Produktion und Marketing, 50 in Forschung und Entwicklung. Wir haben im vergangenen Jahr 13700 Motorräder gebaut.Entspricht das dem break even?Gerade.Gibt es eine Wachstumsgrenze, die die Exklusivität der Marke gefährden könnte?Es ist schwierig, Exklusivität und Volumen zu koppeln. Die Attraktivität eines Motorrads basiert doch auf seiner Technik und seinem gesamten Stil, nicht auf den Produktionszahlen. Zumindest mittelfristig ziehen wir es vor, ein bißchen kleiner zu bleiben.Zu Ihrer Position bei Triumph: Reizt Sie das Experiment Motorrad-Bauen immer noch?Ja, ich bin sehr enthusiastisch. Man muß es sein, sonst kann man das nicht tun. Wir haben bei Null angefangen und sehr schnell dazugelernt.Welchen Stellenwert hat Triumph für Sie persönlich in Ihrem Gesamtkonzern?Einen sehr wichtigen. Mit meiner Immobilienfirma verdiene ich zwar mehr Geld. Doch Triumph ist ein sehr junges Unternehmen, und schon jetzt kann ich sagen, daß die Leute dort und die Zusammenarbeit mit ihnen für mich ein großer Gewinn sind. Geld ist nur eine Ware.Welche Aufgaben haben Sie bei Triumph übernommen, wieviel Zeit können Sie sich für Triumph nehmen?Ich habe den Überblick und den Vorsitz. Ich beobachte den Produktionsprozeß sehr genau. Etwa 90 Prozent meiner Zeit verbringe ich mit Triumph.Läuft Triumph auch ohne John Bloor?Ja, ich glaube, jetzt schon.Was war die härteste Zeit für Triumph und für Sie bei Triumph?Sechs Monate, bevor wir die Produktion starteten, bis 18 Monate danach: den Markt öffnen, schnell reagieren. Wir wollten alles berücksichtigen, die verschiedenen Länder, Kulturen, die Straßen in verschiedenen Ländern. Da gab es viel zu lernen.Würden Sie noch einmal anfangen, Motorräder zu bauen?Wenn ich noch mal im selben Alter wäre wie damals, ja. Aber heute, mit mehr als 50 Jahren auf dem Buckel, nicht.War es eine Herausforderung? Es war eine Herausforderung. Aber nicht nur, um zu zeigen, daß es geht. Es hatte durchaus auch geschäftliche Gründe.

Ahnengalerie - Triumph T 509 Speed Triple (T)

Die erste Speed Triple präsentierte Triumph Ende 1993. Auch damals konstruierten die Engländer kein komplett neues Motorrad, sondern griffen auf das bewährte Baukastenprinzip zurück: Das Fahrwerk der Ur-Triple stammt vom vollverkleideten Renner Daytona, so zum Beispiel der stabile Zentralrohrrahmen aus Stahl und die 43 Millimeter starken Standrohre der konventionellen Vordergabel und die kräftig zupackende Bremsanlage vorn von Nissin mit zwei 310er Bremsscheiben. Anlaß zur Kritik bot neben dem trägen Fahrverhalten besonders die Erstbereifung Marke Michelin Hi-Sport in den Größen 120/70 ZR 17 vorne und 180/55 ZR 17 auf der 5,5 Zoll breiten Hinterradfelge. Die Michelins vermittelten ein schwammiges Gefühl und in Schräglage neigte die Triple zum ständigen Kippen um die Längsachse. Zudem neigte die Maschine beim Bremsen in Kurven zu einem unangenehm starken Ausstellmoment. Viele Triple-Besitzer rüsteten deshalb auf andere Fabrikate um, wie zum Beispiel den Pirelli Dragon.Mit dieser Bereifung lassen sich die sportlichen Qualitäten der Triple besser auskosten. Denn schon der alte, vergaserbestückte Dreizylinder - ihn borgten sich die Techniker aus der Trident - sorgte für durchaus eindrucksvolle Fahrleistungen. Bulliger Antritt aus niedrigen Drehzahlen und ein gutes Durchzugsvermögen sind seine Stärken. Mit der neuen T 509 hat die britisch-konservativ anmutende Ur-Triple allerdings nur noch den Namen und - zumindest als Basis - den charakteristischen Reihen-Dreizylindermotor gemeinsam. Die letzte Serie des unverkleideten Renners legte Triumph mit dem kleineren 750er Motor auf, die laut Pressesprecher Uli Bonsels, »wegging wie warme Semmeln.“

Speed Triple Challenge - Generationenkonflikt

Auch mit der neuen T 509 soll 1997 im Rahmen des EURO Cups die Speed Triple Challenge ausgefahren werden. In seiner dritten Saison verspricht der Cup besonders spannende Rennen, denn es kommt zum Kampf der Triple-Generationen: Neben der T 509 sind in getrennter Wertung auch die leistungsschwächeren (105 zu zirka 115 PS) und rund 30 Kilogramm schwereren Speed Triple-Cup-Maschinen der Baujahre 1994 bis 1996 startberechtigt. Nenngeld für vier Veranstaltungen mit acht Läufen inkluvise Hospitaltity-Ticket für den Fahrer plus Rennservice vor Ort: 1490 Mark. Noch mal soviel kostet der Rennkit für die T 509. Er umfaßt neben einem Sportschalldämpfer aus Carbonfaser und einem Sitzbankhöcker, einen Montageständer, den Windabweiser für die Instrumente, auch eine obligate Startnummertafel. Den Teilnehmern winkt ein Preisgeldtopf von zirka 15000 Mark. Ausrichter: Die Triumph Motorrad Deutschland GmbH, Otto-Hahn-Straße 20, 61381 Friedrichsdorf. Ansprechpartner: Uli Bonsels, Telefon 0 61 75/93 36 41, Fax 0 61 75/ 93 36 44. Weitere Informationen zum Cup bei Art Motor Promotion, Wolf Töns, Telefon 0 22 05/92 71 10, Fax 0 22 05/92 71 29.

Mein Fazit

Ein Serienmotorrad, das für kleinere bis mittlere Menschenaufläufe sorgt, habe ich bis jetzt nur selten erlebt. Doch nun gibt’s die Speed Triple T 509. Zum Glück nicht nur zum Auffallen vor der Eisdiele, sondern vor allem für eins: Spaß ohne Ende auf Landstraßen. Warum Triumph ihr nicht gleich den kräftigeren Daytona-Motor spendiert hat, geht mir allerdings nicht in den Kopf. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Schließlich sind die Motoraufhängungspunkte identisch - und Briten flexible und findige Zeitgenossen.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023