Test Yamaha Vmax

Test Yamaha Vmax Nachgehakt

Wer hätte noch daran geglaubt: Im ihrem elften Lebensjahr hat die Yamaha Vmax tatsächlich noch den offiziellen Weg auf den deutschen Markt gefunden. Der Haken an der Sache: Der Einbürgerungsprozeß hat den Kraftmeier ein Drittel seiner Muskelmasse gekostet.

Mit der Wahrheit hat es die Yamaha Vmax noch nie so genau genommen. Schon ihr Name ist ein klarer Fall von Desinformation. Denn Vmax, umgangssprachlich: Höchstgeschwindigkeit, spielte und spielt im Umgang mit der »Wiemäx« eine ganz und gar untergeordnete Rolle. Man muß sich die Maschine nur einmal anschauen: breiter Lenker, keine der Windschlüpfigkeit dienenden aerodynamischen Hilfsmittel, statt dessen zwei wie Bremsfallschirme gegen die Fahrrichtung weisende Hutzen - das riecht nach einem Luftwiderstandsbeiwert, bei dem die Betonung weit mehr auf »Widerstand« denn auf »Beiwert« liegt. Richtig gerochen: Gemessene 204 km/h bei ebenfalls gemessenen 105 PS belegen, daß die Vmax - und da macht sie ihrem Namen durch die Hintertür dann doch noch Ehre - einen gehörigen Wirbel um das Thema Topspeed macht.

Besagte Hutzen, die wie ein optisch besonders imposanter Beitrag zum Thema »Ram Air« anmuten, entlarven die Yamaha einer weiteren Schwindelei: Diese schwungvoll in Form gebrachten Alu-Tüten folgen keiner Funktion, sind dekorativer Selbstzweck. Damit liegen sie auf einer Linie mit dem Tank, der kein Tank ist, sondern Luftfilterkasten-Abdeckung - der Benzinbehälter versteckt sich im Rahmenheck und ist über ein aufklappbares Sitzbanksegment zwischen Fahrer- und Soziusplatz erreichbar.

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Diese erwiesenen Versuche der Irreführung zeigen, worum es bei der Vmax geht und worum nicht: Sie ist im strengen Sinn keine auf Funktionalität getrimmte »Maschine«, bei der das äußere Erscheinungsbild technischen Notwendigkeiten folgt, sie ist ein Kunstprodukt, bei dem das Erscheinungsbild - im Bestreben, Emotionen zu wecken - wohlkalkuliert über die Technik triumphieren darf.

Ohne Umwege Herz und Bauch zu treffen gelingt der Vmax mit ungebrochener Durchschlagskraft denn auch im elften Jahr ihres Daseins. Hubraum, Leistung, Gewicht - muß man alles nicht wissen, um von diesem Motorrad beeindruckt zu sein. Ein Blick auf die kompakt zwischen den Rädern konzentrierte Masse Technik sagt mehr als tausend Daten: daß mit diesem Motorrad nicht zu spaßen ist, daß dieses in finsteres Schwarz gehüllte Kraftpaket für Erlebnisse der besonderen, sicher nicht ganz feinen Art sorgt.

Aber Vorsicht, Schein und Sein, es sei noch einmal wiederholt, sind bei der Vmax nicht immer deckungsgleich. Denn wenn man die offiziellen Daten dann doch zur Kenntnis genommen hat, schwindet die Ehrfurcht vor dem imposanten Anschauungs-Objekt: 1200 Kubik und 98 PS, beschwert mit 285 Kilogramm Gewicht - da dämmert`s, wie`s auf der Vmax vorangeht: zügig aber ohne angsteinflößende Dynamik - wie man`s halt so kennt von vergleichbar ausstaffierten Big Bikes.

Null auf hundert Stundenkilometer in knapp vier Sekunden, null auf 100 Meilen in zirka neuneinhalb Sekunden - das sind dann auch wenig atemberaubende Werte, die - beipielsweise - von leichtfüßigen, heißblütigen 600er Sportlern klar unterboten werden. Und das, obwohl die Testmaschine - wie bereits erwähnt - mit 105 PS ausgesprochen gut im im Futter stand. Schwamm drüber, nächste Disziplin: Durchzug, also die Beschlaunigung im letzten Gang, die Domäne hubraumstarker Bikes. Die Vmax kann ohne Lampenfieber antreten, schließlich weisen ihre Personalpapiere als Vorschußlorbeer stattliche 101 Nm schon bei bescheidenen 3000/min aus. Aber ach: Bescheiden ist auch der Drang der Yamaha, sich aus dem Drehzahlkeller hochzuarbeiten: 60 auf 140 km/h in 12,9 Sekunden - mit dieser Darbietung kann die Vmax ebenfalls keine große Ehre einlegen, bleibt sie hinter ihrem Anspruch, beim Dreh am Gas zum wilden Tier zu werden, deutlich zurück.

Wo fehlt`s? Natürlich an den nominell 47, real 30 PS, die der für den deutschen Markt homologierten Vmax im Vergleich zur US-Variante (siehe Kasten Seite 13) abhanden gekommen sind, vor allem aber an einem Zacken in der Leistungskurve: Ein unschöner Hänger zwischen 3000 und 3500/min vereitelt überzeugendere Durchzugswerte.

Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang: Zahlenvergleiche hin, Kurvendiskussionen her, subjektiv zählt die Vmax auch in leistungsbegrenzter Form zu den starken Stücken der Zweiradszene. Wer es nicht gerade darauf anlegt, rund um die Uhr im fünften Gang durch die Gegend zu brummen, durcheilt im Sauseschritt die kritische Drehzahlspanne und erfreut sich an einer unspektakulären, aber benutzerfreundlichen Leistungsentfaltung bis zum Drehzahlgipfel bei 8500/min.

Unspektakulär geht der V4-Motor zur Sache, weil auf das V-Boost-System - von einem Stellmotor betätigte Drosselklappen zwischen den Ansaugkanälen der vorderen und hinteren Zylinder -, das der Vollwert-Max im zweiten Drittel des Drehzahlbands noch einmal richtig Feuer macht, verzichtet wurde.

Benutzerfreundlich, weil sich das Fehlen abrupter Kraftausbrüche schadensbegrenzend auf das Fahrverhalten auswirkt. Denn auch ohne ständige Tritte ins Kreuz bietet die Vmax »dank« ihres antiquierten Fahrwerks hohen Unterhaltungswert. Egal, in welchem Geschwindigkeitsbereich und auf welchem Streckenprofil sich Mensch und Max bewegen, immer ist für bewegende Momente gesorgt. Der beherrschende Eindruck in allen Lebenslagen: Die Vmax ist eine gewöhnungsbedürftige Kombination aus leichter Frontpartie und dickem Ende. Die Frontpartie ist über den Hebelarm des breiten Lenkers mühelos auf Kurs zu bringen, während das dicke Ende immer den Anschein erweckt, auf Zeit zu spielen und Richtungsänderungen reserviert gegenüberzustehen.

Leichte Verwirrung macht sich auch breit, wenn der Vmax Bodenunebenheiten und Schräglage gleichzeitig unter die Räder kommen: Da wird das Auf und Ab der Federungselemente überlagert von munteren Eigenlenkbewegungen, die einer sauberen Kurshaltung entgegenstehen. Kommen obendrein noch Lastwechsel - und die entsprechenden Reaktionen des Kardanantriebs - dazu, wird die Lage am Lenker noch unübersichtlicher. Die Konsequenz: Die Maschine vor Kurven auf ein bekömmliches Tempo herunterbremsen und mit ruhiger Gashand ums Eck laufen lassen. Wobei das Thema Bremsen eine neue Dimension bekommen hat: Mit Vierkolbensätteln und schwimmend gelagerten 298-Millimeter-Scheiben am Vorderrad läßt sich der Vorwärtsdrang die 285-Kilogram-Brockens mit zwei Fingern am Handhebel wohldosiert zügeln.

Die Chancen, bei voller Fahrt aus nackter Angst in die Bremsen langen zu müssen, stehen schlecht auf der eingedeutschten Vmax: Bei den erreichbaren Geschwindigkeiten um die 200 km/h kann zwar nicht von stoischem Geradeauslauf gesprochen werden, doch die Zeichen der Rührung, die die Maschine bei Topspeed befallen, bringen allenfals überempindliche Gemüter ins Ängsteln: Es wackelt und schaukelt halt ein bißchen, doch es pendelt nicht.

Flattern kann die Vmax schon besser: Freihändig fahren bei Tempo 70 nimmt das Vorderrad zum Anlaß, ausschlaggebende Wirkung auf die Lenkung auszuüben. Was noch einmal unterstreicht, daß das Muscle Bike auch mit reduzierter Muskelmasse nicht zum handzahmen Weichei geworden ist.

Womit zwanglos der Bogen zum Thema Komfort geschlagen wäre: Auf diesem Gebiet gibt sich die Yamaha abermals recht hemdsärmelig. Die neue Gabel mit im Durchmesser von 40 auf 43 Millimeter verstärkten Standrohren zeigt gute Filterwirkung, während die beiden hinteren Federbeine von der harten Sorte sind - was angesichts des bescheidenen Federwegs von 100 Millimetern nicht verwundern kann. Dankenswerterweise ist das Sitzkissen so nachgiebig gepolstert, daß den auf das Fahrerkreuz zielenden Schlägen die Spitze genommen wird. Die Fahrhaltung ist von der touristischen Sorte - aufrecht und unverkrampft bietet sie beste Voraussetzungen, den Eigenheiten des Fahrwerks locker zu begegnen.

Daß die Vmax nach überholter Sitte eine fummlige Diebstahlsicherung am Lenkkopf präsentiert, ist nicht mehr als ein Schönheitsfehler, und mit dem Chokehebel an der Vergaserbatterie kann man in Anbetracht unproblematischer Kaltlaufeigenschaften ebenfalls leben. Mehr als ein Kavaliersdelikt ist dagegen der unzeitgemäß hohe Verbauch: Knapp sechs Liter bei Tempo 100 und elf Liter bei einem Autobahnschnitt um die 170 km/h sind einfach zuviel.»Zu wenig« wird mancher Vmax-Aspirant dagegen angesichts der von Haus aus gebotenen Motorleistung sagen - in der Hoffnung, durch ein paar Handgriffe und für ein paar kleine Scheine das Tier in der Vmax zum Vorschein bringen zu können.

Ist nicht. Obwohl der Importeur noch nichts Genaues über Art und Umfang der notwendigen technischen Änderungen zu sagen vermag, scheint festzustehen, daß die Geschichte mit der offiziell importierten Vmax in diesem Punkt tatsächlich einen dicken Haken hat: Unverbindliche Schätzungen sprechen von Entdrosselkosten zwischen 3000 und 4000 Mark.

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