Top-Test Ducati Sportclassic GT 1000

Top-Test Ducati Sportclassic GT 1000 Power-Flower

Top-Test Ducati Sportclassic GT 1000

Power-Flower Gargolov

Stellenweise haben sie es ganz genau genommen, etwa beim Schriftzug. Der ist von damals, einer Ära, als Ducatis noch Königswellen trugen, lang, schmal und laut waren. Die moderne GT treibt ihre Nocken per Zahnriemen an, flüstert dezent aus ihren Chromtöpfen und ist im Heck-bereich etwas pummelig geraten. Und sie hebt den Hintern merkwürdig in die Luft, als wären zu lange Stoßdämpfer eingebaut. Abgesehen davon wirkt die Linie gefällig. Doch über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten, konzentrieren wir uns also auf die Technik.

Gottlob hat sich das dritte Bike der Sportclassic-Baureihe in seinen Fahreigenschaften weit vom historischen Vorbild entfernt. Schon der erste Kontakt fällt positiv aus. Die Sitzposition ist lässig, der Lenker breit und angenehm gekröpft, der Kniewinkel für den Durchschnittsmenschen bequem. Einige Kleinigkeiten stören allerdings nach längerer Fahrt: Die Kanten des Tanks am Übergang zum Sitz stoßen unangenehm gegen die Schenkel, und für Menschen mit langen Beinen sind die Ausbuchtungen zu kurz geraten. Nichtsdestotrotz sorgte die GT 1000 beim überwiegenden Teil der Testfahrer ab den ersten Metern für ein Gute-Laune-Gefühl. Denn sie ist ein ehrliches Bike ohne Hinterhältigkeiten. Eine Fahrmaschine, der man Liebe und Aufmerksamkeit schenken sollte und muss. So etwas verbindet.

Nix mit schnellem Druck aufs Knöpfchen und nach 200 Metern auf die Autobahn. Nein, der luftgekühlte 992-cm3-V2 möchte dezent warm gefahren werden. Ein Ölkühler plus Kühlrippen, die ihren Namen noch verdienen, sorgen für einen moderaten Temperaturhaushalt. Gestartet wird ohne Choke, das Motormanagement lässt den Zweizylinder selbst bei sehr niedrigen Temperaturen sofort rund laufen. Und zwar in dezenten Drehzahlen mit kaum erhöhter Leerlaufdrehzahl.

Die hydraulisch betätigte Kupplung könnte leichter zu bedienen sein. Aber kein Vergleich mit früher, als man bereits nach einer Stunde im linken Arm eine Sehnenscheidenentzündung bekam. Erster Gang – klack, zack, sitzt – auskuppeln. Easy schlüpft die 209 Kilogramm leichte Maschine aus der Hofeinfahrt und fädelt sich über Nebenstraßen aus der Stadt hinaus. Doch die auf Euro 3 ausgelegte und dementsprechend magere Abstimmung der Einspritzung fordert ihren Tribut: Die Testmaschine stirbt an Ampeln im halbwarmen Zustand oft schlagartig ab.

Nach rund fünf Kilometern hört die »low«-Warnanzeige für die Öltemperatur
zu blinken auf und zeigt 50 Grad an. Der V2 läuft nun rund, zeigt jedoch auch bei Betriebstemperatur leichtes Konstantfahrruckeln im Teillastbereich und Auspuffpatschen im Schiebebetrieb. Allmählich sind die eigens für die Ducati GT von Michelin entwickelten Pilot-Classic-Reifen mit stilgerechtem Profildesign ebenfalls angewärmt, das Ortsschild ist passiert, die Schräglagen können kommen.

Und wie sie kommen können. Denn weder Fußrasten noch die beiden seit-
lich abstehenden Auspufftüten setzen dem Kurvenschwingen ein verfrühtes Ende. Lediglich im Top-Test-Parcours schabten die Töpfe – bei Fahrzuständen, wie sie im normalen Leben selten auftreten. Die Bremsanlage arbeitet gut dosierbar und ist frei von Fading. Vorn muss man allerdings recht kräftig zupacken, damit die Doppelkolben-Schwimmsättel beißen und die GT über zwei mächtige 320er-Scheiben effektiv verzögern.
Erstaunlich leicht umkurvt die Tausender Hindernisse aller Art und Größe, mit dem Lastwagen-Feeling früherer Königswellen-Ducs hat das nichts zu tun. Die GT lenkt ansatzlos ein und gibt sich in jeder Situation handlich. Und das, obwohl die Räder leichter sein könnten – vorn wie hinten werden verchromte Felgen mit Stahlspeichen verbaut – und der 180er-Schlappen hinten auch nicht gerade handlingfördernd wirkt. Ein Beweis, dass die Michelin-Bereifung prächtig mit der Fahrwerksauslegung der GT harmoniert. Die Pilot Classic bieten bis in den Grenzbereich viel Grip, haften selbst bei Nässe ordentlich und scheinen sich positiv auf die Handlichkeit auszuwirken.

Wird die Straßenoberfläche uneben, beginnt die Harmonie allerdings zu bröckeln. Bei forscher, sportlicher Fahrweise offenbaren sich zwei eklatante Fahrwerksschwächen: Die Federbeine sind überdämpft, während die Gabel zwar komfortabel abgestimmt ist, aber nicht feinfühlig genug anspricht und beim harten Bremsen sofort auf Block geht. Wer die Tausender über eine von den Klauen des Winters aufgebrochene Teerdecke scheucht, bekommt arge Schläge an Handgelenke und Wirbelsäule weitergereicht. Die Zielgenauigkeit lässt unter solchen Umständen ebenfalls zu wünschen übrig. Hinten hart, vorne weich, dazu Bodenwellen in Schräglage – das zwingt zu schnellen Kurskorrekturen, wenn man die Ideallinie nicht ver-lassen will. Wobei diese Schwierigkeiten ganz einfach aus der Welt zu schaffen sind, indem das Tempo reduziert wird. Wer beschaulich durch die Landschaft fährt, kann mit der Fahrwerkseinstellung leben.

Und irgendwie schenkt das Retrobike vielen Fahrern die Glückseligkeit, die man bei so manchem modernen Motorrad vermisst. Beginnend mit den klassisch skalierten, gut ablesbaren Instrumenten über dem Rundscheinwerfer, weiter mit dem schnörkellosen Lenker bis zum lässig-kräftigen Stampfen des V2. Der ausgereifte, luftgekühlte Zweiventiler – bekannt aus vier weiteren Ducati-Modellen – ist mit gemessenen 82 PS bei 8000/min immer noch stark genug, um jedem Blechkäfig bei Ampelstarts oder auf der Landstraße um die Ohren zu fahren. Aber nicht so stark, dass er Wiedereinsteiger oder Anfänger überfordern würde. Die goldene Mitte also, das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Auch das Drehmomentplateau ist nahezu optimal: Zwischen 3000 und 8000/min
stehen immer mehr als 70 Nm parat, der Gipfel mit 81 Nm liegt bei 6100 Touren.

Im Fahrbetrieb macht sich das folgendermaßen bemerkbar: Wer auf einen zügigen Start baut, darf erst bei 3000/min einkuppeln. Im Notfall kann man den Ersten fast bis in den Begrenzer ausdrehen, der greift bei 8700/min. Dann stünden theoretisch knapp über 80 km/h auf dem Tacho. Nur, das macht kaum jemand. Denn Schaltvorgänge werden vor allem durchs Gefühl bestimmt. Und das rät zum relaxten Fahren zwischen 4000 und 6000 Touren, in diesem Bereich fühlt sich der V-Twin pudelwohl. Wenn’s sportlicher zur Sache gehen soll, dreht die Duc auch mal bis 8000/min. Bei forscher Gangart stört die lang gewählte Sekundärübersetzung. MOTORRAD ermittelte als Höchstgeschwindigkeit 205 km/h im Fünften, im Sechsten fällt sie dann sogar wieder ein wenig ab. Den letzten Gang braucht man auf der Landstraße ohnehin kaum, er fungiert eher als Schongang. Bei zügiger Fahrweise nutzt man eigentlich nur die unteren vier Gänge.

Freundliche 5000/min dreht die Kurbelwelle bei einer Reisegeschwindigkeit von 140 km/h. Dann läuft der Vau angenehm sanft, Vibrationen sind zwar vorhanden, doch nicht störend. Bilden sozusagen das Salz in der Ducati-Suppe. Auch der Verbrauch ist nicht unangemessen hoch: 5,1 Liter Super zerstäuben die Düsen bei konstant 130 km/h, 4,5 Liter im Landstraßenbetrieb. Das ergibt eine theoretische Reichweite von 333 Kilometern.

Letztlich trotz einiger Kritikpunkte ein positives Fazit, weil das Konzept stimmig ist. Da drängt sich der Vergleich mit der ähnlich konzipierten Monster S2R auf. Ist die GT am Ende sogar die bessere Monster? Die Unzulänglichkeiten des Fahrwerks kann man in den Griff bekommen. Auf der GT sitzt es sich lässiger, man fühlt sich beschwingter als auf der Monster. Und die GT lenkt leichter und direkter als eine Monster, transportiert auf eigenwillige Art das Thema Individualität und Rebellion intensiver. Eines haben die Italiener tatsächlich geschafft: dass man sich auf diesem Motorrad 20 Jahre jünger fühlt. Da vergisst man den Einstandspreis von 9800 Euro zumindest vorübergehend.

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MOTORRAD-Messungen

Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit 205 km/h

Beschleunigung
0–100 km/h 3,8 sek
0–140 km/h 6,9 sek
0–200 km/h 30,4 sek

Durchzug
60–100 km/h 5,1 sek
100–140 km/h 6,0 sek
140–180 km/h 7,9 sek

Tachometerabweichung
Effektiv (Anzeige 50/100) 47/96 km/h

Drehzahlmesserabweichung
Anzeige roter Bereich 8700 /min
Effektiv 8700 /min

Verbrauch im Test
bei 130 km/h 5,1 l/100 km
Landstraße 4,5 l/100 km
Theor. Reichweite 333 km
Kraftstoffart Super

Maße und Gewichte
L/B/H 2118/850/1300 mm
Sitzhöhe 830 mm
Wendekreis 5600 mm
Gewicht vollgetankt 209 kg
Zuladung 181 kg
Radlastverteilung v/h 45/55 %
Fahrdynamik1
Bremsmessung
Bremsweg aus 100 km/h 39,4 m
Mittlere Verzögerung 9,8 m/s2
Bemerkungen: Die Gabel taucht voll ein, um dann auf Block zu gehen. Die Brems-dosierung ist sehr gut, die Handkraft etwas hoch. Bevor das Heck steigt, blockiert das Vorderrad.
Handling-Parcours I (schneller Slalom)
Rundenzeit 20,0 sek
vmax am Messpunkt 106,5 km/h
Bemerkungen: Die zu weich abgestimmte Gabel und die überdämpfte Zugstufe der hinteren Stoßdämpfer verhindert eine exakte Linienwahl. Es sind hohe Lenkkräfte nötig. Am Umkehrpunkt macht der druckvolle Motor in Verbindung mit dem neutralen Einlenkverhalten Zeit gut.
Handling-Parcours II (langsamer Slalom)
Rundenzeit 28,3 sek
vmax am Messpunkt 52,8 km/h
Bemerkungen: Die weit abstehenden Auspufftöpfe begrenzen die Geschwindigkeit im langsamen Slalom. Auch hier ist hohe Konzentration nötig, um mit der soften Gabel die exakte Linie zu treffen.
Kreisbahn Ø 46 Meter
Rundenzeit 10,9 sek
vmax am Messpunkt 52,4 km/h
Bemerkungen: Über die Trennfugen wird das Motorrad instabil. Aufsetzende Auspufftöpfe begrenzen die Geschwindigkeit.

Technische Daten

Motor
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je eine oben liegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 45 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 520 W, Batterie 12 V/10 Ah, hydrau-
lisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.

Bohrung x Hub 94,0 x 71,5 mm

Hubraum 992 cm3

Verdichtungsverhältnis 10,0:1
Nennleistung
61,0 kW (83 PS) bei 8000/min

Max. Drehmoment 91 Nm bei 6000/min

Schadstoffwerte (Homologation) in g/km
CO 0,652 / HC 0,167 / NOx 0,138

Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Speichenräder mit Stahlfelgen
3.50 x 17; 5.50 x 17

Reifen 120/70 R 17; 180/55 R 17

Bereifung im Test Michelin Pilot Classic

Maße und Gewichte
Radstand 1425 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 104 mm, Federweg v/h 120/133 mm, zulässiges Gesamtgewicht 390 kg, Tankinhalt/Reserve 15,0/3,5 Liter.

Service-Daten
Service-Intervalle alle 10000 km

Öl-und Filterwechsel 10000 km/3,5 l
Leerlaufdrehzahl 1200 ± 100/min

Reifenluftdruck solo (mit Sozius)

vorn/hinten 2,2/2,4 (2,2/2,4) bar

Garantie zwei Jahre

Farben Rot, Grau

Preis 9800 Euro

Nebenkosten 250 Euro

Punktewertung Motor

82 PS aus 992 Kubik – das klingt nicht üppig, reicht im Alltag jedoch
völlig aus, um ganz vorn mit dabei zu sein. Wertvolle Punkte büßt die Duc durch die nicht optimal gelungene Einspritzung ein (Kaltstartverhalten, Konstantfahrruckeln). Auch die Kupplungsbetätigungskraft könnte geringer, die Ge-
samtübersetzung kürzer sein.

Punktewertung Fahrwerk

Schwuppdiwupp – rum ums Eck. Die GT überrascht durch spielerisches Handling und recht ordentliche Lenkpräzision. Und das, obwohl ihr Fahrwerk nicht optimal abgestimmt ist. Bei Bodenwellen in Schräglage wird die Duc leicht instabil.

Punktewertung Sicherheit

Die Bremse verzögert gut, verlangt allerdings einen kräftigen Zug am Hebel. Trotzdem lässt sie sich gut dosieren. Obwohl die Gabel komfortabel abgestimmt ist, neigt die GT zum Lenkerschlagen. Grund: Die Gabel arbeitet unsensibel,
filtert kurze, harte Stöße ungenügend heraus. Die Lichtausbeute
ist für einen Rundscheinwerfer dieser Größe eher schwach.

Punktewertung Alltag

Kein Hauptständer, Fahrwerk fast nicht einstellbar, Gepäck nur sehr schwer zu verstauen, bescheidene Zuladung – eine Alltagswuchtbrumme ist die GT keinesfalls.
Dafür ist die Reichweite ordentlich.

Punktewertung Komfort

Störende Ecken im Tank, zu kleine
Beinausbuchtungen – das vermindert den ansonsten guten Sitz-komfort des Fahrers. Der Beifahrer hockt auf einem leicht abfallenden Bankende und findet kaum Halt.

Punktewertung Kosten / Umwelt

Stilbruch? Die Verarbeitung ist im Großen und Ganzen zwar okay, doch eigentlich verbietet sich
klassischer Look mit verchromtem Plastik. Und schließlich wären angesichts des hohen Listenpreises Alufelgen und Vierkolben-Bremszangen auch ganz nett.

MOTORRAD-Fazit

Eine klassisch inspirierte, pure
Fahrmaschine mit hohem Fun-Faktor,
die sowohl Anfänger wie auch alte
Hasen begeistert – das könnte die
Ducati GT 1000 fraglos sein, denn die Anlagen dazu bringt sie mit. Etwas
Feinarbeit in Sachen Motormanagement, Übersetzung und vor allem hinsichtlich der Federbein-Abstimmung
ist jedoch notwendig.

War sonst noch was?

Plus
Gestreckte Tankform ermöglicht
großen Tankrucksack

Handhebel verstellbar

Wegfahrsperre serienmäßig

Minus
Einfache Stahlfelgenräder

Spiegel vibrieren – Sicht erschwert

Kein Warnblinker

Tank aus Kunststoff

Fahrwerkseinstellungen
Federbein: Federbasis in Stufe eins für
Solobetrieb, Stufe zwei für Soziusbetrieb

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