Mit Motorrad meint man Max.« Selbstbewusst wollte Pressesprecher Arthur Westrup mit dieser Aussage die Spitzenstellung der 250er-NSU in der deutschen Motorradlandschaft der 50er Jahre unterstreichen. Seiner Aufforderung: »Wann startest du auf NSU?« war »Das MOTORRAD« in dieser Dekade häufiger gefolgt. 1953 testeten die Redakteure die NSU Max, 1956 die Spezialmax und 1958 die Supermax. Alle drei Modelle des ausgesprochen sportlichen Einzylinders konnten eine durchweg positive, ja geradezu euphorische Bilanz verbuchen. Unisono appellierten die Tester an die Vernunft der Motorradfahrer, da nur Routiniers in der Lage wären, mit der enormen Leistung von 17, bei der Supermax 18 PS zurechtzukommen.
Die für damalige Verhältnisse überragende Leistung bezog der mit 69 Millimeter Bohrung und 66 Millimeter Hub kurzhubig ausgelegte Viertakter aus einem aufwendigen Motorenkonzept, dessen technische Details zu jener Zeit meist Grand-Prix-Motorrädern vorbehalten waren. So steuerte eine obenliegende, über zwei Schubstangen getriebene Nockenwelle die beiden Ventile, die von Haarnadelventilfedern auf ihren Sitz gepresst wurden. Eine Trockensumpfschmierung sorgte für das Wohlbefinden des Motors, eine Trockenkupplung für die sichere Kraftübertragung.
So wie die Max laut NSU als Inbegriff des Motorrads gilt, ist der Top-Test für MOTORRAD die ultimative Prüfung. Welcher sich die Max folglich unterziehen musste. Zu diesem Zweck stellte die »NSU-Vertretung« von Rolf Pössnecker eine Supermax aus der letzten Serie von 1962 zur Verfügung, bereits mit Blinkern und Rückspiegel ausgestattet. Die Spannung steigt bei der Bekanntschaft mit
dem Motorrad, dem die Kollegen vor vier Jahrzehnten so tiefen Respekt zollten.
Die erste Prüfung erfolgt beim Startvorgang per Kickstarter. Hat der Fahrer die Prozedur erst einmal intus, springt die Max stets zuverlässig an. Selbst kalte Witterung kann ihr nichts anhaben. Zweimal kurz den Tupfer an der Schwimmerkammer betätigt, den Gasgriff leicht geöffnet, ein beherzter Tritt, und schon tuckert der Einzylinder sauber im Leerlauf vor sich hin. Auch das Anfahren verläuft ganz locker. Sanft rückt die Trockenkupplung Ducati soll zu Studienzwecken angeblich schon eine Max geordert haben ein und schiebt den vollgetankt 173 Kilogramm schweren Single an heutigen Maßstäben gemessen eher unspektakulär voran. Die Gänge wollen sorgfältig und mit Nachdruck sortiert werden. Völlig gleichmäßig, bar jeglicher Einbrüche strebt der Eintopf dem Leistungszenit bei 7000/min zu und findet in den nächsten Gängen sauber Anschluss. Im Vierten lässt der Vorwärtsdrang wegen des zu langen Übersetzungssprungs jäh nach. Ein Problem, das sich besonders in bergigem Gelände zeigt. Die Drehzahl fällt bei leichten Steigungen in den Keller, permanent muss der Dritte bemüht werden. Dabei pries NSU den Einzylinder einst als Klettermaxe an. MOTORRAD würde sich eine engere Stufung zwischen dem dritten und vierten Gang wünschen oder besser gleich ein Fünfganggetriebe.
Mustergültig verhält sich dagegen das Fahrwerk, das mit der gebotenen Leistung souverän fertig wird. Selbst beim vollen Beschleunigen oder bei Höchstgeschwindigkeit sind Fahrstabilität oder gar Lenkerschlagen kein Thema. Ansatzweises Shimmy lässt sich durch den offensiv im Blickfeld liegenden, manuell während der Fahrt einstellbaren Lenkungsdämpfer eliminieren. Womit die Supermax in den beiden Kriterien 44 von 50 möglichen Punkten einfährt und dank Lenkungsdämpfer Hondas Fireblade und Yamahas R1 bei weitem übertrifft.
Unbeirrbar läuft die NSU geradeaus, verlangt in Kurven allerdings trotz des
geringen Gewichts hohe Lenkkräfte, um Biegungen aller Art stabil, neutral und mit tadelloser Schräglagenfreiheit zu umrunden. Die geschobene Kurzschwinge vorn spricht supersensibel auf kleinste Boden-
unebenheiten an und reagiert erst auf
gröberes Fahrbahnflickwerk bockig. Die beiden Federbeine, wichtigste Neuerung bei der Supermax, schlucken dagegen ausgeprägte Bodenwellen mit Bravour.
Weniger souverän meistern die Bremsen die zur Verfügung stehende Leistung. Zwar nimmt der NSU-Kapitän die Ver-
zögerung dank der 100-prozentigen Anti-
dive-Wirkung der geschobenen Schwinge mit Bremsmomentabstützung ähnlich wie beim Telelever von BMW weit weniger wahr als bei der Telegabel. Bei einer Vollbremsung bügelt die Federung welligen Asphalt einfach glatt. Doch 65,4 Meter Bremsweg aus 100 km/h treiben den Adrenalinspiegel insbesondere von hartgesottenen Spätbremsern ein ums an-
dere Mal in bedenkliche Höhen. Andererseits droht so niemals Blockiergefahr, die gefürchtete Aufstellneigung beim Verzögern in Schräglage ist der Max fremd.
Der Fahrer kann bis zum Kurvenscheitelpunkt maximal in die Eisen gehen und
anschließend den Gasgriff sofort wieder brachial bis zum Anschlag aufreißen.
Abgesehen von der Bremse ist das Fahrvergnügen auf der NSU äußerst
relaxed. Pilot und Sozius sind bequem untergebracht. Die variable Ergonomie von Lenker, Fahrer- und Beifahrerfuß-
rasten erlaubt lange Etappen. Die ermöglicht auch der Landstraßenverbrauch von 4,1 Litern, der bei dem 14-Liter-Tank für eine Reichweite von gut 340 Kilometern sorgt. Fleißig Punkte sammelt das 40 Jahre alte Zweirad außerdem bei der Ausstattung. Eine aufklappbare Sitzbank gehört ebenso dazu wie der Haupt- und Seitenständer oder das umfangreiche Werkzeug. Zudem erhält die Max nicht
allein wegen des sensationellen Wendekreises von 3,7 Metern bei der Hand-
habung 18 von 20 Punkten.
Auch wenn der Slogan: »Wer sportlich fahren will, fährt die stramme Max von NSU« heute nicht mehr uneingeschränkt für den Einzylinder gilt, findet sich doch eine beachtliche Summe auf dem Punktekonto. Speziell aufgrund der Ergonomie weder Fahrer noch Beifahrer mutieren zum Schlangenmenschen und nicht zuletzt wegen der mustergültigen Verarbeitung macht die NSU Supermax auch 2003 unverändert eine gute Figur. Und schlägt trotz bescheidener zwei Punkte bei den Fahrleistungen die wir im Gegensatz
zu unseren Vortestern auch weniger routinierten Motorradfahrern zutrauen im Top-Test sogar einige aktuelle Maschinen mit der mehrfachen Leistung klar .
Fazit - NSU Supermax
Wegen ihres hervorragenden Fahrwerks lässt die Supermax nicht nur die hubraumstärkere 350er-Horex Regina hinter sich und rangiert im direkten Vergleich nicht weit hinter einer BMW R 50, sondern lässt auch eine Harley-Davidson Fat Boy Injection, Jahrgang 2003, alt aussehen (Top-Test in Motorrad 3/2003: 442 Punkte). Nicht auszudenken, wie die NSU mit wirkungsvollen Bremsen samt ABS, Fünfganggetriebe und moderner Abgasreinigung abschneiden würde.
Technische Daten und MOTORRAD-Messungen
MotorLuftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine obenliegende, schubstangengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, Rundschiebervergaser, keine Abgasreinigung, Ø 26 mm, Kickstarter, Batterie-Licht-Zündmaschine, 60 W, Batterie 6 V/7 Ah.Bohrung x Hub 69 x 66 mmHubraum 247 cm3Verdichtungsverhältnis 7,4:1Nennleistung 13 kW (18 PS) bei 7000/minMax. Drehmoment 21 Nm (2,1 kpm) bei 5500/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Vierganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung 42:16.FahrwerkPressstahlrahmen, Motor mittragend, geschobene Kurzschwinge vorn, Zweiarmschwinge aus Stahl hinten, zwei Federbeine mit verstellbarer Federbasis, Simplex-Trommelbremse vorn, Simplex-Trommelbremse hinten.Speichenräder 2.15 x 19; 2.15 x 19Reifen 3.25-19; 3.25-19Bereifung im Test Metzeler Block C5Fahrwerksdaten Radstand 1320 mmService-DatenService-Intervalle alle 2000 kmÖlwechsel alle 2000 kmMotoröl SAE 20Zündkerze Bosch W 240 T11Ventilspiel Ein-/Auslass 0,05/0,10 mmReifenluftdruck solo (mit Sozius)vorn/hinten 1,3/1,8 (1,3/2,0) barFarben Blau, SchwarzPreis 2076 Mark (ab 1961)MOTORRAD-MessungenFahrleistungenHöchstgeschwindigkeit 126 km/hBeschleunigung080 km/h 13,8 sek0100 km/h 38,4 sekDurchzug4060 km/h 8,7 sek6080 km/h 14,8 sekKraftstoffart NormalVerbrauch im TestLandstraße 4,1 l/100 kmTheor. Reichweite 341 kmMaße und GewichteL/B/H 2010/680/960 mmSitzhöhe 780 mmWendekreis 3700 mmGewicht vollgetankt 173 kgZulässiges Gesamtgewicht* 325 kgZuladung 151 kgRadlastverteilung v/h 44/56%Tankinhalt/Reserve* 14/1,5 Liter