Nordschleifen-Duell: Triumph Speed Triple 1200 RS und Street Triple 765 RS

Triumph Speed Triple 1200 RS und Street Triple 765 RS
Im Duell auf dem Nürburgring

Veröffentlicht am 24.05.2025

Es erfordert Konzentration, hinter einem Auto herzufahren, in dessen Gepäckraum ein Fotograf liegt und – mit einem Klettergurt gesichert – durch die geöffnete Heckklappe seine Bilderserien in die Speicherkarten feuert. Die Geschwindigkeiten, welche die Fotofahrer mit ihren Motorrädern dabei erreichen, liegen jedoch stundenmeilenweit unter denen einer "richtig" gefahrenen Nordschleifenrunde.

Triumph Street Triple 765 RS

Da pocht der Motor der Triumph Street Triple 765 RS schon in der Anfahrt zum Schwedenkreuz im sechsten Gang an den Drehzahlbegrenzer, am tiefsten Punkt der Fuchsröhre haut es die tief geduckten Fahrer mit der Brust auf den Tank. Selbst wenn sie noch deutlich langsamer sind als die knapp 270 km/h, die dort auch schon gemessen wurden. Und in der Vollgaspassage das Kesselchen hinauf, die bei kritischer Selbstbeobachtung vielleicht gar nicht immer mit Vollgas durchschossen wird, schwebt das Vorderrad auf einer Kuppe hier oder einer Bodenwelle dort in trügerischer Leichtigkeit über der Fahrbahn. Setzt dann leicht eingeschlagen wieder auf und verursacht mitunter unbehagliche Lenkreaktionen. Kurz, wir haben hier eine klassische Text-Bild-Schere: Die Wirklichkeit ist viel schneller, anstrengender, faszinierender, schöner und schrecklicher, als die Fotos suggerieren.

181 PS bei der Triumph Speed Triple 1200 RS

Das gilt insbesondere für die ersten Runden mit der Triumph Speed Triple 1200 RS. Ihr 1160er-Dreizylinder, gemessene 181 PS stark und von fülligem Drehmomentverlauf, frappiert mit seiner Wucht einen jeden, der in einschlägig bekannten Streckenabschnitten unbefangen den Gasgriff bis zum Anschlag aufzieht. Uiuiui, so war das dann doch nicht gemeint. Wann, wo, wie viel Motormacht eingesetzt wird, ist eine Frage, deren Antwort mit der Speedy nach und nach erarbeitet werden muss. Dabei kommt es in erster Linie auf die Gasgriffstellung an, weniger darauf, stets den richtigen Gang im Eingriff zu haben. Allerdings ist es nicht ratsam, zu weit herunterzuschalten.

Einen zu hohen Gang zieht der kräftige Dreizylinder locker durch, Überdrehzahlen – also Drehzahlen jenseits des Leistungsmaximums – kann er aber nicht bieten. Wie fast alle Triumph-Motoren, den 765er der Street Triple eingeschlossen, läuft er sofort nach Erreichen des Spitzenwerts in den Begrenzer. Das kommt mitunter überraschend, weil er ja kurz zuvor noch mit Verve hochgedreht hat. Im Alltagsbetrieb fällt dies kaum auf, weil man höchstselten die volle Leistung nutzen kann, in den Steigungen der Nordschleife dagegen schon.

Triumph Speed Triple RS für 18.245 Euro

Zahlreiche kleinere und größere Kuppen legen eine Eigenschaft der Triumph Speed Triple 1200 RS bloß, die den Genuss dieser einzigartigen Strecke trübt: Offenbar ist sie vorn zu leicht und/oder erfährt bei hohen Geschwindigkeiten etwas zu starken Auftrieb an der Vorderachse. So kommt es zu den eingangs geschilderten Fahrwerksreaktionen und gelegentlichem Auskeilen der Lenkung. Auch die lange Vollgasgerade auf der Döttinger Höhe erfordert vom Fahrer viel Aufmerksamkeit, die richtige Sitzhaltung und eine gewisse Portion Mut. Weniger Vorspannung der Gabelfedern brachte eine leichte Besserung. Mit mehr Zeit hätten wir sie noch weiter zurückgenommen. Weil der Grad der Vorspannung bei Öhlins-Gabeln von außen nicht sichtbar ist, muss sie Umdrehung um Umdrehung ausgezählt werden. Dafür baut man besser den Lenker ab, um den blau eloxierten Sechskant geradewegs von oben zu erreichen, und das dauert. Einstellen mit einem Ringschlüssel in kleinen Schritten birgt das Risiko, sich zu verzählen.

Triumph Speed Triple mit straffer Grundabstimmung

Wahrscheinlich sollen die harte Feder und die straffe Grundabstimmung des Öhlins-Federbeins der Entlastung der Front entgegenwirken. Weil die Strecke aber trotz des großflächig erneuerten Belags recht wellig ist, haut einem die Hinterhand mitunter recht uncharmant ins Kreuz und verliert den Bodenkontakt. Die Bodenwellen sind übrigens nicht vergleichbar mit denjenigen auf Nebenstraßen dritter Ordnung, sie rühren nicht von einem schlechten Belag her. Es scheint, als würden sie der Topografie entspringen und man hätte so manche Gesteinsader beim Bau der Strecke nicht vollständig abgefräst. Wie auch immer, im Unterschied zu normalen Rennstrecken braucht die Nordschleife auch bei gutem Wetter eine Art Regen-Abstimmung mit eher sanften Dämpfungsraten. Da kann die Triumph Speed Triple 1200 RS nicht dienen.

Agiles Lenkverhalten und hohe Präzision

Wo bleibt die Triumph Street Triple 765 RS? Sie erscheint in dieser Geschichte analog zu ihrem Erscheinen bei deren Produktion. Zunächst waren wir nämlich mit dem Naked-Bike-Konzeptvergleich beschäftigt, der in PS 10/2024 erschienen ist und bei dem die Speed Triple mitfuhr. Dann kam die Streetie dazu. Und wie sie kam. Am zweiten Nordschleifen-Fahrtag erstmals eingesetzt, tanzte sie schon in ihrer ersten Runde derart leichtfüßig übers Highspeed-Parkett, dass die lieben Kollegen unbedingt mit ihr fahren wollten. Nur eine Runde. Einer nach dem anderen musste danach energisch daran erinnert werden, sich doch bitte schön um die Geschichte zu kümmern, deretwegen er eigentlich hergekommen war.

Wer nie richtig nachvollziehen konnte, was wir meinen, wenn wir vom Gefühl fürs Vorderrad, manchmal auch zum Vorderrad, schreiben, kann es sich beim Umsteigen von der großen auf die kleine Triple in die Hände hinein erklären lassen. Im Zusammenspiel mit dem agilen Lenkverhalten, das dennoch nie kippelig wirkt, ermöglicht jenes Gefühl der Streetie, mit hoher Präzision bei höchstem Tempo genau die Kurvenlinie zu treffen, die der Fahrer mit seiner Blickführung vorgezeichnet hat. In dieser Hinsicht übertrifft sie ihre große Schwester bei Weitem. Das schafft Sicherheit, Sicherheit macht schnell, und schnell zu sein macht Freude.

Triumph Street Triple 765 RS fegt stabil über Wellen und Kuppen

Auf der Suche nach den Gründen für die Fahrwerksqualitäten der Triumph Street Triple 765 RS fallen der steile Lenkkopf, der kurze Nachlauf und der vergleichsweise schmale Hinterradreifen auf. Auch der Radstand ist nach heutigen Maßstäben eher kurz gewählt. Trotzdem und obwohl auch ihre Hinterradfederung nicht mit idealer Sensibilität die Stöße wegbügelt, fegt sie stabiler über Wellen und Kuppen als die Triumph Speed Triple 1200 RS. Und das liegt nicht daran, dass sie in diesen Passagen langsamer wäre als die Große. Auch mit 50 PS mehr wird man im Anstieg zum Klostertal oder zur Hohen Acht eine engagiert bewegte Street Triple nicht einfach überholen, sondern höchstens aufholen, was man im Kurveneingang verloren hat. Offensichtlich ist die 765er-Triple besser ausgewogen als die 1160er. Beim Blick auf die Fotos oben ist jedenfalls zu erkennen, dass der kleinere Dreizylinder näher am Vorderrad platziert ist als der große.

Gute Dosierbarkeit der Brembo-Anlagen bei beiden Triumphs

Hartes Anbremsen von Kurven ist auf der Nordschleife nur selten gefordert, und zwischen den jeweiligen Stellen ist genügend Abkühlpause, sodass die Bremsen trotz hoher Geschwindigkeiten nicht aufs Äußerste gefordert werden. Vom energischen Initialbiss und der guten Dosierbarkeit beider Brembo-Anlagen lässt man sich dennoch gerne verwöhnen. Der Aufwand, den Triumph bei den beiden RS-Varianten betreibt, macht sich in diesem Punkt voll bezahlt.

Die Frage liegt nahe, welche Triumph denn nun auf der Nordschleife die schnellere war. Wir wissen es nicht, weil wir keine Zeiten stoppen konnten. Dazu war zu viel Verkehr. Doch wer auch immer mit der einen Triumph hinter der anderen herfuhr oder umgekehrt, keiner hat sich gelangweilt, und jeder hatte Spaß. Mal mehr, mal weniger, aber immer genug.

Technische Daten
Triumph Speed Triple 1200 RS (2024)Triumph Street Triple 765 RS (2024)
Motor3, Reihenmotor3, Reihenmotor
Leistung132,0 kW / 180,0 PS bei 10.750 U/min95,0 kW / 130,0 PS bei 12.000 U/min
Hubraum1160 cm³765 cm³
Sitzhöhe830 mm836 mm
Grundpreis18.245 €12.795 €