Bei knapp 200 Sachen im spanischen Bergland gab es eine reiche Ernte an Erkenntnissen und eine kleine Erinnerung an den Physik-Unterricht: Drei Grad Celsius fühlen sich an wie Eiszeit, wenn der Fahrtwind zupackt. Das spielte aber keine übergeordnete Rolle, weil das Feuer im Herzen lichterloh loderte. Auffallend war, dass der neue, tiefer geschnittene Flyscreen wenig windabweisende Wirkung hat. Ab 180 km/h auf dem Tacho spürt man echten Druck im Nacken.
Optisch finde ich die neue Front mit der kompakt wirkenden Scheinwerfer-Bikini-Lufteinlass-Einheit großartig, weil es der Triumph Speed Triple R eine verschärfte Ausstrahlung gibt, zum schnellen Wüten aber sollte man sich den kleinen, transparenten Aufsatz zur Verbesserung des Windschutzes aus dem Zubehör gönnen. Da ist man dann einfach entspannter, wenn es sehr schnell zur Sache geht. Und das tat es hier. Weit gezogene Kurven, mörder Speed, herrliche Schräglagen, fester Nagel, wie man so sagt. Die mehr oder weniger unveränderte Geometrie der Speed Triple und das straffe Öhlins-Fahrwerk der „R“ funktionierten erwartungsgemäß, hielten die Maschine immer stabil auf Kurs und schluckten Wellen und Senken im Asphalt souverän.
Elektronik der Triumph Speed Triple R werkelt fantastisch
Ich muss zugeben, mein erster Gedanke war kein uneingeschränkt positiver, als ich im Spätherbst von der neuen Speed Triple hörte: „Warum verpassen sie der Ikone ein ElektronikPaket anstatt sie in neue Leistungssphären zu heben?“ Seit dem Ritt im katalanischen Bergland sehe ich die Sache anders. Denn die 140 PS und 112 Nm der Triumph Speed Triple R waren mir niemals zu wenig, und die Elektronik werkelt einfach fantastisch. Das „Ride-by-Wire“ entpuppte sich als echter Glücksgriff. Wow! Perfekte Gasannahme, keine Lastwechsel, volles und doch weiches Ansprechverhalten. Das geht nicht besser.
Auch die vier vorprogrammierten Riding-Modes (Rain, Road, Sport, Track) sind gut durchdacht und kombinieren Traktionskontrolle samt Wheeliekontrolle, ABS und Geschwindigkeit der Drosselklappen. Das System kommt von Keihin, die Software von Triumph. Die Wirkungsweise erlebte ich erstmals im Road-Modus, als ich nach einem Kreisverkehr forsch das Gas aufriss. Die alte Triple hätte das Vorderrad gehoben. Die neue Triumph Speed Triple R tat‘s nicht.
Traktionskontrolle, ABS und Ansprechverhalten frei konfigurierbar
Beeindruckend war, dass die Elektronik die Triumph Speed Triple R vorne am Boden hielt, aber trotzdem mörder beschleunigte. Da war kein Slide, kein Rattern und Ruckeln, keine wie auch immer geartete Unruhe, sondern gerade so viel Kraft, dass die Front nicht abhob. Wow! Sehr würdig.
Andererseits: Eine Speed Triple muss doch wheelen dürfen! Überhaupt jetzt, da der gewaltige Dreizylinder noch besser am Gas hängt und unglaublich gut zu dosieren ist. Und das kann die Triumph Speed Triple R auch! Im Modus „Rider“ lässt sich alles frei konfigurieren und abspeichern. Also in meinem Fall heißt das: Traktionskontrolle und damit auch Wheeliekontrolle auf „off“, ABS auf „Track“, Ansprechverhalten auf „Road“. So will ich durch die Stadt rabauken und an jeder Ampel stolz das Vorderrad heben. Für schnelle Fahrten im freien, unbekannten Land wie hier in den Bergen weit hinter der „Scheißhauskurve“ von Calafat war aber der Road-Modus einfach perfekt. Es ist halt auch für einen alten Haudegen wie mich ein Vorteil, wenn man eine perfekt arbeitende Traktionskontrolle als Rettungsschirm mit an Bord hat. Da geht man einfach ungestümer zur Sache.
Dreizylinder bekam 104 neue Teile
Der Motor der Triumph Speed Triple R fühlt sich so Drehmomentgewaltig an wie der Vorgänger, hat dasselbe Drehzahllimit bei 9500/min und dieselbe Charakteristik. Also viel Laufkultur, lineare Leistungsentfaltung und tischartiges Drehmoment. 104 Teile des Dreizylinders, so sagte man uns bei der Präsentation, sind aber neu. Kolben, Brennräume, Kurbelwelle, Kanäle, ECU – auch der Kühler ist neu, und zwar schlanker. Triumph spricht jetzt von 140 PS und 112 Newtonmetern.
Wir werden das demnächst am PS-Prüfstand klären. Ohne direkten Vergleich drängte sich der Leistungszuwachs nicht in den mentalen Vordergrund (5 PS und 1 Nm sind schwer zu spüren), aber dass der Motor jetzt mit noch weniger mechanischer Reibung läuft und noch drehfreudiger am Gas hängt wie der alte, durfte ich erfreut zur Kenntnis nehmen. Großartig fühlt sich auch die neue Anti-Hopping-Kupplung an. Nicht nur, weil das Heck der Triumph Speed Triple R in der Bremszone viel ruhiger liegt als früher, sondern auch wegen der dramatisch reduzierten Handkraft am Hebel. Man kuppelt jetzt „federleicht“.
Fantastisches ABS
Der erste Biss des radial aufgenommenen Brembo-Ankers ist deutlich entschärft worden, man darf ihn jetzt durchaus als mild bezeichnen. Das ist beim Straßenfahren sehr angenehm. Die Bremskraft und die Dosierbarkeit sind aber nach wie vor Supersportwürdig. Fantastisch finde ich das ABS. Auf der Straße draußen hat es kein einziges Mal ausgelöst, aber in der etwas welligen Bremszone vor besagter Scheißhauskurve der calafatanischen Rennstrecke griff es ein. Und zwar so, dass man die Reduktion der Bremskraft nur erahnen konnte. Also weder Rattern noch Pulsieren, sondern einfach eine Nuance weniger Biss. Ich denke, das ABS der Triumph Speed Triple R hat mich maximal einen Meter gekostet.
Es ist immer schwer, Vergleiche zu ziehen, wenn man nicht Zugriff auf die direkten Konkurrenten hat. Aber ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass sich die neue Speed Triple bei Landstraßen-Orgien auch von deutlich stärkeren Raketen wie Tuono V4 1100, 1290 Super Duke R und S 1000 R nicht abschütteln lassen wird. Auf Grand Prix-würdigen Rennstrecken und bei Autobahn-Bolzereien werden die fehlenden PS aber nicht wettzumachen sein. Auf dem gefinkelten Track in Calafat, wo Leistung nicht alles ist, war die neue Triumph Speed Triple R jedenfalls ein echter Bringer.
S-Version abgesehen vom Fahrwerk beinahe identisch
Für Menschen, denen Rennpisten nicht viel bedeuten, gibt’s die S-Version. Sie ist mit der „R“ fast identisch, abgesehen vom Fahrwerk. In der „S“ kommen hinten und vorne voll verstellbare Showa-Elemente zum Einsatz, bei der Triumph Speed Triple R sind es Öhlins-Produkte. Sie hat außerdem vorne einen Karbon-Kotflügel.
Ach ja, die Scheißhauskurve in Calafat heißt deshalb so, weil man – sofern man in der Bremszone die Kontrolle verliert – direkt in die Sanitäranlagen brettert. Insofern war es schon sehr wichtig, dass sich das ABS der Triumph Speed Triple R im Track-Modus nur irrwitzig feine Intervalle gönnte. Danke!
Technische Daten Triumph Speed Triple R

Triumph Speed Triple R
Antrieb
Dreizylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 103 kW (140 PS) bei 9500/min*, 112 Nm bei 7850/min*, 1050 cm³, Bohrung/Hub: 79,0/71,4 mm, Verdichtung: 12,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 44-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 67,1 Grad, Nachlauf: 91 mm, Radstand: 1445 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 120/130 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 255-mm-Einzelscheibe mit Doppelkolben-Schwimmsattel hinten, ABS
Gewicht
(trocken) 192 kg*
Tankinhalt: 15,5 Liter Super
Grundpreis
R-Version: 14.200 Euro (zzgl. NK)*
*Herstellerangabe