Triumph Street Triple RS im Fahrbericht
Naked Bike für Straßenrennsport

Wir durften auf der MotoGP-Strecke Kataloniens am Kabel der lang ersehnten neuen Triumph Street Triple RS ziehen. Preisfrage: Geht es überhaupt noch besser?

Naked Bike für Straßenrennsport
Foto: Triumph

Die neue Street Triple RS ist da, und sie ist sensationell. Damit wäre im Grunde genommen alles gesagt. Da Sie als Leser einer Fachzeitschrift aber mit Recht mehr erwarten, und auch, um diesem einzigartigen Naked-Racer gerecht zu werden, folgt eine Erklärung, warum dies so ist. Zunächst aber, warum es nicht verwundert: Triumphs Street Triple war schon immer etwas Besonderes. Sie war der erste Dreizylinder in der Mittelklasse, und ein toller noch dazu. Sie war ein Gesicht in der Masse, leicht, fuhr so spielerisch wie das totzitierte Fahrrad. Sie war bezahlbar und folgerichtig ein Hit: Über 50.000 Einheiten hat Triumph nach eigenen Angaben weltweit abgesetzt.

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Triumph Street Triple RS mit 123 PS

Doch die Konkurrenz hat reihum kräftig gezündelt, sodass sich die Triumph Street Triple RS mit 675 Kubik und 105 PS in Sachen Feuerkraft zuletzt hinten anstellen musste. Die Lösung? Scheint simpel, war es aber nicht: Unter gehörigem technischem Aufwand wurde der alte Motor der Triumph bis an die Grenzen des Machbaren vergrößert, behielt zwar weiterhin dessen kompakte Gehäuseabmessungen, verfügt aber dank mehr Bohrung und Hub nun über 765 Kubik. Das ergibt in der von uns gefahrenen Street Triple RS-Spitzenvariante schneidige 123 PS Leistung und 77 Newtonmeter. Weil nebenbei trotz Hubraumzuschlag noch zwei Kilo Gewicht eingespart wurden (186 Kilogramm fahrfertig, Werksangabe), weil man das hervorragende Chassis natürlich ebenfalls kräftig weiterentwickelt hat, und weil an der RS-Fräse nur allerfeinste Zulieferer-Brocken hängengeblieben sind – nun, es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn da etwas verrutscht wäre.

Wie ein Laserstrahl brennt sie um die Piste

So sicher ist sich das Triumph-Team aus Hinckley, dass es die neue Triumph Street Triple RS (und nur die!) nach einem beherzten Ritt durch das Hinterland Barcelonas auf dem Moto GP Track Circuit de Catalunya von der Leine lässt. Tapfer, weil die Rennstrecke, erst recht bei einem Naked Bike, Grenzen verschiebt und so kleinste Schwächen gnadenlos aufdeckt. Aber auch schlüssig, schließlich soll die Rennsemmel bei ebensolchen Trackdays auch zu Hause sein.

Und das ist sie ohne Einschränkungen: Wie ein Laserstrahl brennt die kleine Triumph Street Triple RS um die Piste, überzeugt vor allem als extrem beherrschbares, potentes, rundum stark aufgestelltes Paket. Keine Einzelkomponente, keine Untergruppe des Gesamtsystems Kraftrad schwächelt hier – Motor und Getriebe, Chassis, Bremse und Fahrwerk, Elektronik, Ergonomie – alles funktioniert auf hohem bis höchstem Niveau. Als harmonische Einheit, fließend, Hand in Hand.

Dreht hoch wie ein angeschossenes Wildschwein

Der Motor hat im Vergleich mit der Vorgängermaschine trotz minimal längerer Sekundärübersetzung deutlich spürbar zugelegt. Er schiebt schon unten verhältnismäßig kräftig, profitiert davon, dass ihn wenig Masse einbremst. In der Mitte wird das Plus dann erklecklich, und von da an Richtung Begrenzer bei fast 13.000 Umdrehungen feuert der 765er glutheiß. Ging die 675er bislang oben vielleicht ein wenig bräsig, dreht die neue Triumph Street Triple RS hoch wie ein angeschossenes Wildschwein. Und klingt dabei, das sei ausdrücklich und mit Verlaub festgehalten, richtig geil. Heiserer, kehliger, zorniger – da behaupte noch einer, dass unter Euro 4 keine gut klingenden Motoren mehr machbar sind.

Erhalten geblieben sind die ausgezeichneten Tischmanieren der Vorgängerin: Gasannahme, Lastwechselreaktionen und Laufkultur sind ausgezeichnet, nicht unbedingt selbstverständlich bei einem so sportlichen Aggregat. Neu ist ein Schaltautomat (dieser war als Extra bei der Street Triple RX erhältlich), und der agiert in der neuen Triumph Street Triple RS, genau wie die Anti-Hopping-Kupplung, einwandfrei. Ein Motor ohne Fehl und Tadel.

Sauberes Ansprechen, weiter Einstellbereich, hohe Reserven

Die angespitzte Antriebseinheit liefert also ordentlich verwertbaren Vortrieb, den das Fahrwerk wiederum prächtig pariert. Zwei Merkmale bestimmen dessen Wesen: Leichtigkeit und Akkuratesse. 186 fahrfertige Kilo sind ein hervorragender Wert und glaubwürdig, entsprechend willig lässt sich die neue Triumph Street Triple RS hernehmen. Der Lenker ist nicht überbreit und eher sportlich niedrig, erzeugt so ein nach Track-Maßstäben passables, für ein Naked Bike wiederum sehr gutes Gefühl für das Vorderrad.

Pirelli Supercorsa SP, die Erstbereifung der Triumph Street Triple RS, sind genau für diesen Einsatz konstruiert: Der Reifen liefert Führung, Feedback und Grip bis zum Abwinken. Intuitiv und sehr tief lässt sich die Street Triple RS dank dieser Transparenz umbiegen. So tief, dass schon im zweiten Turn die kleinen Schleifnippel der Fußrasten zerspanen und davon künden, dass eine Schräglagenfreiheit, die auf der Straße nicht auszuloten ist, auf der Rennstrecke das Limit setzen kann. Verschobene Grenzen eben.

Beim Herausbeschleunigen aus solchen Schräglagen jedenfalls ist auf die Traktionskontrolle Verlass. Sie kommt als konventionelles System zwar ohne IMU aus, regelt im Track-Mode aber spät und sanft. Hier, am Kurvenausgang, kann man die Triumph Street Triple RS allerdings am ehesten aus der Reserve locken. Dann schaukelt sie beim Gasanlegen schon einmal leicht nervös um den Lenkkopf, reagiert eher sensibel auf Gewichtsimpulse seitens des Fahrers. Die kompromisslose Stabilität der schwereren Speed Triple bietet die 765er Street Triple also nicht. Auf der Suche nach etwas mehr Härte bitten wir Triumph-Fahrwerksentwickler und Testfahrer Felipe Lopez, Gabel (Showa Big Piston Fork) und Federbein (Öhlins STX 440) von der sämig-smoothen, mit Restkomfort gesegneten Landstraßen-Empfehlung hin zum straffen Track-Setup zu justieren. Mit Erfolg: Dank weiter geschlossener Druck- und besonders Zugstufe vorne wie hinten wird die Sache auch auf der Bremse noch einmal deutlich knackiger. Fazit Fahrwerk: sauberes Ansprechen, weiter Einstellbereich, hohe Reserven!

Bremsen der neuen Triumph Street Triple RS

Die Bremsanlage (320er Doppelscheibe vorne, Brembo M50 Monoblocks, Radialbremspumpe und mehrfach verstellbarer Hebel) ist wohl die stärkste Einzelkomponente der Triumph Street Triple RS, macht mit kristallklarem Druckpunkt, idealer Dosierbarkeit und heftigem Biss feiste Ankerorgien zum Kinderspiel. Im Track-Modus ist der Blockierverhinderer zwar aktiv, interveniert aber selbst dann nicht störend, wenn das Hinterrad schon verspielt über den Asphalt tänzelt. Ein Kunststück, das mancher 1000er-Supersportlicher nicht beherrscht, und Zeugnis einer präzisen Kalibrierung seitens der Elektronikabteilung.

Die hat sich ohnehin kräftig austoben dürfen. Wie das heute so ist, verfügt auch die neue Triumph Street Triple über Ride-by-Wire und verschiedene Fahrmodi. Im Fall der RS sind es deren fünf: Rain, Road, Sport, Track und Rider. Diese bündeln drei Motormappings (Rain, Road, Sport), zwei ABS-Stufen (Road und Track) und vier TC-Stufen (Rain, Road, Sport und Track) zu praxisgerechten, spürbar unterscheidbaren Presets. Der Rider-Modus ist zudem frei konfigurierbar, hier lassen sich ABS und TC bei Bedarf abschalten, auch wenn dies angesichts ihrer ambitionierten, voll rennstreckentauglichen Arbeitsweise nicht nötig erschien.

Wichtig: Dank neuem, hervorragendem TFT-Display und einer guten Bedienbarkeit per Mini-Joystick vom linken Lenkerende gelingen elektronische Einstellarbeiten leicht und ohne Studium des Handbuchs. Das Cockpit der neuen Triumph Street Triple RS wirkt hochmodern, bietet zig verschiedene, optisch ansprechende Ansichten (Themes, entsprechend dem Fahrmodus) und eine wahre Informationsflut, natürlich mit Schaltblitz und sogar Laptimer. Wichtiger: Die Ablesbarkeit ist dank heller, kontrastreicher Darstellung hervorragend. Das lässt die Klassenkonkurrenz diesbezüglich mit einem Schlag alt aussehen.

Die auf dem Rundkurs von Katalonien gewonnenen Eindrücke lassen sich auch auf die Landstraße, selbstverständlich weiterhin das bevorzugte Revier einer Street Triple, übertragen. Das enorme Potenzial ist auch hier omnipräsent, macht die RS-Streety zur echten Waffe. Schlicht bestechend, was mit diesem Feuerzeug geht. Und mehr noch: wie einfach es geht. Knalliger, ultraengagierter Motor und trotzdem breitbandig, sehr leicht und daher wieselflink, State-of-the-Art-Fahrwerkskomponenten, Mörderbremse, sinnvolle Elektronik – hier passt einfach alles zusammen. Das einzig Schlechte ist der ewige lange Wartemoment (warum nur, Triumph?), den die Elektronik zwischen Anlassbefehl und Zündung legt.

Einzel- und Vergleichstests folgen

Und damit zurück zum Anfang: Die neue Triumph Street Triple RS ist da, und sie ist sensationell. Das wissen wir jetzt, aber einige Fragen wären da noch offen.

Erstens: Was kostet die neue Triumph Street Triple RS? 11.600 Euro zuzüglich Nebenkosten, also runde 12 Mille. „Dafür bekomme ich anderswo beinahe eine 1000er“, wird sich mancher denken. Und das stimmt.

Zweitens: Rührt die Euphorie des Autors möglicherweise von dem Konsum illegaler Substanzen, welche die Urteilsfähigkeit beeinflussen? Nun, Rennstrecken-Endorphine fallen nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Und seien Sie versichert, dem Fahrbericht werden in MOTORRAD harte Einzel- und Vergleichstest folgen, in denen dieses erste Urteil auf die Probe gestellt wird. Bleiben Sie dran.

Drittens: Wie fahren die unter der Triumph Street Triple RS angesiedelten, günstigeren Varianten? Das ist die vielleicht interessanteste Frage und jene, die auch uns unter den Nägeln brennt. Triumph geht davon aus, dass ein Großteil der 765er als RS-Modell aus den Showrooms rollen wird. Aber für 8900 respektive 10.200 Euro sind S- und R-Modell sicher eine reelle Überlegung, wenn sie denn ähnlich gut sind. Wie viel Straßenrennsport in diesen Streetys steckt, wissen wir also noch nicht. Das herauszufahren, darauf freuen wir uns aber schon gewaltig.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023