Ein bißchen neben der Spur, dafür um so effektvoller: Buell X1 und Triumph Speed Triple sind immer gut für einen starken Auftritt.
Ein bißchen neben der Spur, dafür um so effektvoller: Buell X1 und Triumph Speed Triple sind immer gut für einen starken Auftritt.
Auffallen um jeden Preis, anders sein als andere, bloß nicht das Langweilige und Alltägliche verkörpern. Nicht ganz einfach in der heutigen Zeit, in der sich kaum noch jemand über knallbunte Haare oder Piercing wundert. Da braucht es neben einem auffälligen Äußeren schon noch ein bißchen mehr, um die Menschheit zu beeindrucken.
Das haben auch die Motorradhersteller begriffen. Buell und Triumph, zwei Vertreter der Extravaganz, konzentrierten sich für das Modelljahr 1999 bei ihren beiden Revoluzzern Lightning X1 und Speed Triple weniger auf äußere, als auf innere Werte. Denn eins ist klar: Fun ohne Funktion ist heute langfristig kaum mehr an den Mann oder die Frau zu bringen.
Die Briten setzten dabei hauptsächlich auf einen deutlich erstarkten Antrieb und implantierten der Speed Triple den Dreizylinder des sportlichen Daytona-Modells. Ein Hubraumvorteil von 70 cm³ gegenüber dem Vorgängermodell verspricht dabei nicht nur eine gesteigerte Endleistung von nunmehr 108 PS, sondern auch einen besseren Drehmomentverlauf vor allem im mittleren Drehzahlbereich. Außerdem werden die drei Auspuffkrümmer nun durch ein Interferenzrohr verbunden, was in Verbindung mit neuen Drosselklappengehäusen nochmals drehmomentsteigernd wirken soll. Um dabei den thermischen Haushalt im Gleichgewicht zu halten, erhielt die Speed Triple einen größeren Wasserkühler. Fahrwerksseitig vertrauen die Briten auf das Bewährte und verwendeten lediglich eine etwas weichere Feder am hinteren Federbein.
Während all diese Änderungen bei dem englischen Dreizylinder äußerlich kaum auffallen, gehen die Amerikaner einen deutlich radikaleren Weg. Nach dem Motto, Fortschritt muß sichtbar sein, präsentieren sie ein auf den ersten Blick erkennbares neues Modell. Und um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, trägt dieses auch einen neuen Namen. Die Lightning X1 ist somit eine weitere Evolutionsstufe der Lightning S1, die bislang die sportliche Flagge der amerikanischen Motorradschmiede um Firmenchef Eric Buell hochhielt.
Einspritzung statt Vergaser, kleine Lufthutze statt riesiger Brotkasten, Federungskomfort statt Starrahmengefühl, eine Sitzbank, die diesen Namen auch verdient, und ein Fahrzeugheck komplett aus Aluminiumguß sind die herausragenden Merkmale des jüngsten Buell-Familienmitglieds. Doch leider ist nicht alles Gold, was glänzt. Zumindest im Fall der X1 entpuppt sich die Abstimmung des 1200er Harley-Sportster-Motors als nicht sonderlich gelungen. Zwar überrascht die V-Twin auf dem MOTORRAD-Prüfstand mit sage und schreibe 97 gemessenen Pferdstärken, aber die Leistungskurve weist ein gehöriges Loch zwischen 2000 und 3000/min auf. Und genau in diesem Bereich sollte der mächtige Vau eigentlich seine Stärke haben. Beschleunigen im großen Gang aus dem Drehzahlkeller - mit der Buell leider Fehlanzeige.
Der ruppige Geselle will bei Laune gehalten werden, am besten im Bereich zwischen 4500 und 5500 Touren. Denn kaum hat der Drehzahlmesser die 6000er Marke überschritten, wird der bis dahin beeindruckende Vorwärtsdrang jäh gestoppt. Als ob er gegen eine Wand aus Gummi ankämpfen müßte, erreicht der Zweizylinder kaum aus eigener Kraft den roten Bereich bei 7000 Touren. Trotz der beachtlichen Spitzenleistung muß aufgrund der ungünstigen Leistungscharakteristik bei der X1 ungewöhnlich viel im Fünfganggetriebe gerührt werden. Lange Schaltwege und unpräzise Rasterung verderben einem dabei schnell den Spaß.
Von ganz anderer Natur präsentiert sich das englische Triebwerk. Das Leistungsloch des alten Modells bei 5000/min hat sich gar ins Gegenteil umgekehrt. Bereits aus Standgasdrehzahlen katapultiert der Dreizylinder die vollgetankt 219 Kilogramm schwere Maschine vorwärts. Mit gemessenen 109 PS scheint die Triple vor allem in den ersten beiden Gangstufen fast schon übermotorisiert. Zeitgenossen, die gern mit beiden Rädern auf der Straße bleiben, sollten das Beschleunigungspotential der Engländerin jedenfalls nicht voll nutzen. Weniger Bodenständige dagegen werden es als einen Genuß empfinden, wie der heiser fauchende Dreizylinder in Verbindung mit dem zwar etwas knochig, aber recht präzise zu schaltenden Sechsganggetriebe nahezu alle Ansprüche an Spurtstärke, Spontaneität und Durchzugskraft befriedigt.
Befriedigend, jedoch nicht ganz ohne Tadel ist das Triumph-Fahrwerk. Handlich, zielsicher und ausreichend stabil, fühlt sich der Triple-Treiber auf schnellen, gut ausgebauten Landstraßen ebenso wohl wie auf winkligen Bergsträßchen mit schlechtem Fahrbahnbelag. Die weichere Hinterradfederung macht sich aber kaum bemerkbar. Vor allem auf kurze, dicht hintereinander folgende Wellen reagiert das Triple-Heck immer noch recht bockig und gibt diese Stöße nahezu ungefiltert über die nur spärlich gepolsterte Sitzbank an den Fahrer weiter.
Ein weiterer Schwachpunkt zeigt sich bei größeren Schräglagen. Hier verliert die Engländerin etwas von ihrer Souveränität und reagiert kippelig und unpräzise auf Lenkkorrekturen aller Art. Die Schuld dafür ist am überbreiten 190er Hinterreifen auf Sechs-Zoll-Felge zu suchen. Gut für den effektvollen Auftritt, schlecht fürs Fahrverhalten.
Bei der Buell zeigt die überarbeitete Hinterradfederung Wirkung. Gemessen an einer Kawasaki ZRX 1100 funktioniert sie zwar immer noch nicht brillant, im Vergleich zum Vorjahresmodell ist aber eine deutliche Verbesserung spürbar. Die X1 filtert jetzt zumindest kleinere Unebenheiten im Asphalt weg und leitet derbere Schläge nicht mehr ungebremst ins Rückgrat des Piloten weiter.
Ein Fortschritt auch in Sachen Stabilität. Dank zusätzlicher Verstrebungen am Rahmengeflecht und einer massiven Schwingenkonstruktion läuft die X1 auch bei Topspeed sauber geradeaus und reagiert in Kurvenfahrt nicht mit unliebsamen Pendelbewegungen. Trotz der gewonnenen Stabilität hat die Buell sogar an Handlichkeit zugelegt, ihre Abneigung gegen Schräglage dagegen komplett abgelegt. Kurvenräubern - wenn auch nicht ganz mit dem Elan der Speed Triple - ist mit dieser Buell ein echtes Vergnügen.
Zu diesem Zwecke eignen sich auch die Bremsanlagen der beiden Kontrahentinnen recht gut. Die Triumph-Stopper gehören zum Besten, was es in dieser Klasse gibt: super Biß, prima dosierbar und auch unter voller Zuladung noch stets Herr der Lage. Die riesige Einscheibenanlage der X1 ist zwar nicht ganz so bissig, läßt sich aber ebenfalls gut dosieren, ohne große Schwächen unter erhöhter Last zu zeigen. Daß sich bei kräftigem Zupacken die Gabel etwas nach rechts verdreht, ist gewöhnungsbedürftig, wirkt sich aber nicht weiter störend aus.
Störend sind bei der X1 dagegen immer noch so Kleinigkeiten wie der Deckel vom Öltank. Man braucht Hände wie Schraubstöcke, um den Gummipropfen des Ölmeßstabs herauszuziehen. Aber unangenehme Nebeneffekte muß man wohl in Kauf nehmen, wenn man sich für die »etwas andere« Art des Motorradfahrens entscheidet. Bei der Triumph etwas weniger, bei der Buell etwas mehr.
Platz 2Es ist keine Schande, gegen die Triumph den Kürzeren zu ziehen. Zumal Buell mit der X1 technisch wie optisch ein großer Sprung nach vorn gelungen ist. Vor allem das Fahrwerk arbeitet jetzt auf einem ordentlichen Niveau, mit dem sich auch auf europäischen Straßen jede Menge Spaß einfahren läßt. Über die unglückliche Abstimmung der Einspritzanlage sollte sich der deutsche Importeur allerdings noch ein paar Gedanken machen, ehe die ersten Modelle ausgeliefert werden.
Platz 1Bravo Triumph. Doch nicht die Tatsache, daß die neue Speed Triple sich recht souverän den Testsieg gegen die Buell sichert, gibt Anlaß zur Freude. Gratulation gebührt den Engländern, da es ihnen gelungen ist, mit den Modifikationen für den Jahrgang 1999 aus einem guten ein noch besseres Motorrad zu machen. Wahnsinns Motor, gutes Fahrwerk, tolle Bremsen und eigenständige Optik bescheren der Speed Triple einen Erfolg auf der ganzen Linie.