Vergleichstest Ducati Monster 900 i.e, Moto Guzzi V11 Sport Scura, Yamaha BT 1100 Bulldog

Vergleichstest Ducati Monster 900 i.e, Moto Guzzi V11 Sport Scura, Yamaha BT 1100 Bulldog Kribbeln im Bauch

Drei ganz unterschiedliche Twins mit bewegter Vergangenheit suchen tolerante Liebhaber – und werden sie finden. Garantiert. Mit dabei: die brandneue Moto Guzzi V11 Sport Scura.

Kribbeln im Bauch Gargolov

Irgendwann erwischt es einen. Ganz bestimmt. Auch wenn man vorher noch so überzeugt war vom turmhoch überlegenen Vierzylinder. Dann ziehen sie einen in ihren Bann, diese Zweizylinder, dieses italienischen Glaubensbekenntnis – und lassen einen nicht mehr los. Mit diesem Wummern, mit diesem stampfenden, schnaubenden Antritt einer Moto Guzzi V11, dem unvergleichlichen Stakkato des Ducati-Desmo einer Monster 900 i.e.. Oder dem satten Bass, den eine Yamaha BT 1100 Bulldog aus ihren beiden Schalldämpfern drückt. Yamaha? Moment mal. Das passt jetzt nicht wirklich in diese Szene mit rasselnden Trockenkupplungen und dem Duft von feinsten Agip-Synthetiköl. Da hat sich eine Japanerin eingeschlichen in diese ureigene italienische Domäne. Stimmt. Doch nur zur Hälfte. Erdacht wurde die Bulldog nämlich bei Belgarda, dem italienischen Yamaha-Importeur, und dort wird sie auch gebaut. Schlauer Zug von den Japanern, diese Wanderin zwischen Cruiser- und Naked Bike-Welten in Italien zu produzieren. Irgendwie haben sie es da unten im Süden raus mit allem Zweizylindrigen. Jeder Hersteller auf seine ganz eigene Art und Weise.
Die Bulldog, liebevoll verarbeitet, mit schönen Details, buhlt um die Gunst aller motorradelnden Genussmenschen, die nicht gleich bei der bloßen Andeutung einer Schräglage auf dem dicken Trittbrett herumschraddeln möchten. Dennoch kann und will sie ihre Cruiser-Gene gar nicht verleugnen. Schließlich stammt ihr V2 aus der 1100er-Drag Star, und deren Antrieb wiederum ist in direkter Linie mit der seligen TR1 verwandt. Heute kümmert sich wenigstens ein Sekundärluftsystem um einen verringerten Schadstoffausstoß. An Leistung hat der massive luftgekühlte Twin über die Jahre nicht zugelegt. Gemessene 61 PS sind nach heute gängigen Maßstäben nicht gerade üppig. Doch nicht die Leistung allein ist entscheidend, sondern wie einem diese dargeboten wird. Und die Bulldog weiß mit ihrem Antritt aus dem tiefsten Drehzahlkeller zu beeindrucken. Danach heißt es allerdings fix das gut schaltbare Sechsganggetriebe zu durchsteppen, denn bereits ab 4500/min geht der Zweizylinder reichlich lethargisch zu Werke.
Drehzahlregionen, in denen der Stoßstangen-V2 der Moto Guzzi V11 Sport Scura erst so richtig zum Leben erwacht. Ganz untypisch für einen Zweiventil-Twin geht er untenherum zwar akkurat seinem Job nach, gibt einem aber klar und unmissverständlich zu verstehen, dass es ihn wie einen Vierventiler nach Drehzahlen und, im Falle dieses Testexemplars, nach einer gehörigen Portion Benzin durstet. Oberhalb von 5000/min untermalt das Triebwerk dann mit wahrlich derben Vibrationen seine Leistung. Halt. Eine Guzzi vibriert nicht, sie pulsiert – jedenfalls aus Sicht des bekennenden Fans. Diese putzmuntere Scura mag partout nicht bummeln, sie will rennen.
Eine Ducati Monster 900 i.e. ebenfalls. Drehzahlen unter 3000/min betrachtet sie als persönliche Beleidigung und quittiert eine derart rüpelhafte Fahrweise mit deutlichem Unwillen. Springt der Drehzahlmesser aber in Regionen um 4000/min, dreht sich das Bild schlagartig um. Zufrieden mit sich und der Welt findet der Zweiventiler seine Mitte und schnurrt druckvoll und beinahe vibrationsfrei los. Drei sehr unterschiedliche Charakterdarsteller, die sich nicht den Deut um schiere Höchstleistung scheren, sondern nur dem einen verpflichtet fühlen: purem Fahrspaß.
Ob der auf der Yamaha nicht ein wenig zu kurz kommen würde, das war vor dem Start zur turnusmäßigen Testrunde auf der Schwäbischen Alb die durchaus berechtigte Sorge der Tester. Denn auf dem Leistungsprüfstand trennen die Bulldog einige Pferdestärken von der Ducati (78 PS) – und vor allem vom der 91 PS starken Twin der Moto Guzzi. Doch bereits nach wenigen Kilometern beweist die Yamaha, dass sie wunderbar mithalten kann. Vor allem in engen und trickreichen Passagen spielt sie ein ums andere Mal ihre Trümpfe aus. Etwa ihre aufrechte Sitzposition, die zu viel Spielübersicht verhilft. Für die überwiegende Mehrheit passt die Ergonomie der Bulldog sehr gut. Freilich mag sich nicht jeder auf Anhieb damit anfreunden, dass man in der tiefen und bequemen Sitzmulde beinahe wie angewurzelt hinter dem bulligen, hohen Tank fixiert ist. Und der schmale Lenker dürfte auch etwas weniger stark gekröpft sein. Der Guzzi-Fahrer muss sich schon etwas strecken, um über den langen Tank an die tief geschnallten Lenkerhälften zu gelangen. Und die Ducati teilt einem durch ihre sportlich nach vorne orientierte Sitzposition und dementsprechend hoch platzierte Fußrasten mit, dass sie sich zur Abteilung Attacke rechnet – und langsame Kehren verachtet.
Geradezu aufreizend lässig drückt der mit viel Schwungmasse gesegnete Yamaha-Twin aus engen Kurven heraus, lässt sich dabei kinderleicht und zielgenau dirigieren. Die Ducati wirkt in diesen Passagen etwas ungelenk, und auch die Moto Guzzi verlangt nach deutlich mehr Konzentration. Dennoch, egal welcher Kurvenradius, die Scura verblüfft ein ums andere Mal. Schon erstaunlich, was für enge Bögen mit dieser nicht gerade leichtgewichtigen Italienerin möglich sind. Damit verwöhnt sie aber nur den, der sie zu nehmen weiß. Hektikern, die gerne hart und auf dem vermeintlich letzten Drücker auf Kurven zu stürmen, zieht sie schnell den Zahn: Harsche Kardanreaktionen verhageln dann die angepeilten Linie. Dieses grob und archaisch erscheinende Motorrad möchte mit Gefühl behandelt werden. Also vor der Kurve sorgsam den richtigen Gang einsortieren, dabei weich einkuppeln, nur wenig Zwischengas geben, sonst wirft einen das Rückdrehmoment des schweren, längs liegenden Kurbeltriebs aus der Bahn. Und wegen der hecklastigen Gewichtsverteilung hinten leicht mitbremsen, die Drehzahl nicht zu weit in den Keller fallen lassen. Bereits am Kurvenscheitelpunkt das Gas wieder gleichmäßig, aber bestimmt anlegen. Schon schnallzt die Guzzi auf das nächste Eck zu.
Mit dem druckvollen Desmo der Ducati, der allerdings etwas hart ans Gas geht, funktioniert das ebenfalls wundervoll, schließlich offeriert die Monster gerade im mittleren Drehzahlbereich eine tolle Leistung. Zudem glänzt sie mal wieder mit dem niedrigsten Verbrauch. Wie kein anderer Hersteller hat Ducati seine Saugrohreinspritzung im Griff. Leider macht ihr das Fahrwerk, wie in vorangegangenen Tests auch, einen Strich durch die Rechnung. Dass die Monster vom Fahrer einen nachdrücklichen Körpereinsatz fordert, dass Schalten, Kuppeln und Bremsen mehr Kraft als die beiden anderen verlangt, passt zu ihrem stoischen Charakter. Deftiges Gemecker gibt es wegen schwer dosierbaren Brembo-Vierkolbenbremsanlage. Wie schon so oft treten bei Brembo deutliche und schwer erklärbare Funktionsunterschiede auf. Die fast baugleichen Brembos der Scura funktionieren nämlich tadellos. Aber auch wegen der hart gefederten und unsensibel ansprechenden Showa-Gabel muss sich die Ducati Kritik gefallen lassen. Erschwerend hinzu kommt der über wenig Eigendämpfung verfügende Vorderreifen mit 60er-Querschnitt. Unbeholfen rumpelt die Monster über wellige Abschnitte hinweg, was sich vor allem beim Einlenken in schnellere Kurven nicht gerade vertrauensfördernd auswirkt. Das hintere Sachs-Federbein dürfte ebenfalls feinfühliger ansprechen.
Die Yamaha Bulldog tendiert in eine ganz andere Richtung. Mit ihrer soft abgestimmten Hinterhand lässt sich prima leben, aber die völlig unterdämpfte Gabel bietet bei beschwingter Fahrweise eindeutlich zu wenig Reserven. Was vor allem zu Lasten der Schräglagenfreiheit in Rechtskurven geht. Insbesondere bergab, also mit viel Last auf dem Vorderrad, stößt die Bulldog an ihre Grenzen, verlangt ein hart über den Asphalt kratzender Auspuffkrümmer nach Mäßigung. Schade. Da besteht für Yamaha dringend Handlungsbedarf. Härtere Gabelfedern und ein Gabelöl mit höherer Viskosität würden die sportiven Talente der Bulldog maßvoll unterstützen. Ihre tolle Bremsanlage, bekannt unter anderem aus der YZF-R1-Baureihe, wäre in Kombination mit einer besser abgestimmten Gabel zu wahren Großtaten bereit. Sie würde nichts von ihrem lässigen Charakter einbüßen und könnte ihren deutlich sportlicheren Kolleginnen noch näher auf den Pelz rücken.
Fahrwerkseitig auf Topniveau präsentiert sich die V11 Sport Scura. Schön, dass Italiener zäh um den Erhalt ihrer Traditionsunternehmen kämpfen. In Mandello schien vor einigen Jahren der Ofen endgültig aus zu sein. Dann kaufte Aprilia die marode Firma. Seitdem geht es wieder steil bergauf. Jüngster Beleg: die besagte Scura. Was sich mit der Neuauflage der Le Mans im vergangenen Jahr angekündigt hat, führt sie konsequent fort. Mit Superlativen soll man sparsam umgehen. Aber dieses Motorrad ist schlicht und ergreifend die beste Moto Guzzi, die jemals die altehrwürdigen Hallen am Comer See verlassen hat. Da passt, bis auf klitzekleine Kleinigkeiten wie einen fummeligen und mit Handschuhen gar nicht einstellbaren Tageskilometerzähler, wirklich alles. Angefangen vom bestechenden Design und einer guten Verarbeitungsqualität überzeugt die Scura vor allem mit diesen wundervollen Fahrwerkskomponenten. Nur vom Feinsten, was Öhlins da geliefert hat. Allein diese fein ansprechende Gabel mit ihrem weiten Einstellbereich ist schon eine Klasse für sich. Sportlich-straff und dennoch sensibel bietet sie eine beinahe lückenlose und störungsfreie Übertragung des jeweiligen Fahrbahnzustands in die Hände des Piloten. Das schafft nahezu grenzenloses Vertrauen. Ebenso wie der Lenkungsdämpfer, natürlich auch von Öhlins. Kein Modegag, sondern eine Notwendigkeit, denn bei völlig geöffnetem Dämpfer zuckt die Scura auf zügig durchfahrenen Holperstrecken nervös mit den Lenkerhälften. Um zehn Klicks zugedreht unterbindet er jeglichen Ansatz zum Kickback wirkungsvoll, beeinträchtigt das Fahrverhalten jedoch ansonsten lobenswerterweise nicht negativ. Die Monster hingegen keilt beim kernigen Beschleunigen über Wellen schon mal kräftig aus, sie könnte einen so wirkungsvollen Lenkungsdämpfer deshalb gut vertragen. Alles im allem gebührt der Ducati ein dickes Lob für ihre Stabilität. Zwar haben die Guzzi-Techniker der V11 mit einem verstärkten Rahmen bessere Manieren beigebracht, dennoch pendelt sie bei Höchstgeschwindigkeit und rührt um die Lenkachse. Unbedenklich zwar, aber spürbar.
Die Bulldog lässt sich ähnlich wie die Monster nicht aus der Ruhe bringen. Nicht nur, was ihre tadellose Geradeauslaufstabilität anbetrifft, sondern auch nicht von den deutlich besseren Fahrleistungen ihrer Konkurrentinnen. Sie macht einfach ihr Ding. Und gewinnt, ganz rational und nach Punkten, diesen Vergleich. Wer dieses Frühjahr eine ergattert hat, darf sich glücklich schätzen, wer jetzt noch eine haben möchte, muss notgedrungen viele Yamaha-Händlern kennenlernen. Die BT 1100 ist nämlich offiziell so gut wie ausverkauft. Die Moto Guzzi Scura noch nicht. Aber das wird sich ändern. Ganz bestimmt. Schon allein deshalb, weil es weltweit nur 600 Stück der Sonderserie geben soll.

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1.Platz - Yamaha BT 1100 Bulldog

Nicht Spitzenleistung, nicht der oft strapazierte Charakter entscheiden diesen Test, sondern, wie so oft, die Ausgewogenheit. Herzlichen Glückwunsch, Yamaha BT 1100 Bulldog. Ein feines Angebot für alle, die ohne Stress einfach ihren Spaß beim Motorradfahren haben wollen. Mit einer straffer abgestimmten Gabel wäre der allerdings noch deutlich größer.

2. Platz

Vielen Dank, Aprilia, dass Ihr Guzzi gerettet habt. Sonst hätte man der treuen Fangemeinde am Ende noch dieses gelungene Motorrad vorenthalten. Die V11 Sport Scura ist kein Sonderangebot. Doch angesichts des toll abgestimmten Öhlins-Fahrwerks und des kräftigen V2 sicherlich eine Bereicherung. Und immer dran denken: Eine Moto Guzzi vibriert nicht, sie pulsiert!

3.Platz - Ducati Monster 900 i.e.

Es braucht keinesfalls die deutlich teurere S4, um der Ducati Monster mit Haut und Haaren zu verfallen. Dazu reicht die 900 i.e. allemal. Sahnestück: ihr luftgekühlter Zweiventiler, der gute Fahrleistungen bietet und sehr knauserig mit dem Sprit haushaltet. Gleichzeitig ist die Monster aber alles andere als ein perfektes Motorrad. Die unsensible Gabel sollte schleunigst überarbeitet werden.

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