Vergleichstest: Kawasaki Versys 1000, Kawasaki Z 1000 SX, Kawasaki Z 1000
Die 1000er-Interpretationen von Kawasaki

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Man nehme den famosen vierzylindrigen Kraftmeier von Kawasaki und stecke ihn in nunmehr drei verschiedene Modelle. Eine Charakterstudie.

Die 1000er-Interpretationen von Kawasaki
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Kawasaki Z 1000 SX, Kawasaki Versys 1000 und Kaswasaki Z 1000.

Neben dem für 2010 komplett neu entwickelten nackten Straßenkämpfer Z 1000, von den Fans kurz Zett genannt, dem darauf basierenden und 2011 hinzu gekommenen voll verkleideten Sporttourer Z 1000 SX ist die jüngst vorgestellte Versys 1000 das dritte Modell, das den charakterstarken 1043-cm³-Motor tragen darf. Diese Versys tritt an, die Rangordnung im Feld der reisetauglichen, großvolumigen Spaßmotorräder ohne jegliche Offroad-Am-bitionen vom Schlage einer KTM 990 SMT, Ducati Multistrada oder Triumph Tiger 1050 durcheinanderzuwirbeln. 
 
Doch zunächst gilt es herauszufinden, was Kawasaki dafür mit dem Vierzylinder angestellt hat. Während der Motor bei der Z 1000 und der SX bis auf die unterschiedliche Sekundärübersetzung identisch ist (die Zett hat zwei Zähne mehr am Kettenblatt als die SX), musste er für den Einsatz in der Versys einige Modifikationen über sich ergehen lassen. Für mehr Bums im unteren Drehzahlbereich wurde die ehemalige Spitzenleistung von 139 Pferden um 20 PS gekappt, diese lässt sich bei Bedarf per zweitem Mapping um weitere 25 PS -senken. In diesem Low-Power-Mapping mutiert der ebenfalls recht rau laufende, gleichmäßig und linear hochdrehende Vierer aber einerseits zum subjektiv zahnlosen Gaul, andererseits sind 95 PS für wirklich schlüpfrigen Untergrund immer noch sehr viel Leistung. Dann aber kommt die dreistufige, bequem vom Lenker aus zu bedienende und bei Bedarf abschaltbare Traktionskontrolle zum Einsatz, die den Leistungsüberschuss sanft und feinfühlig wegregelt.

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Vergleichstest: Kawasaki Versys 1000, Kawasaki Z 1000 SX, Kawasaki Z 1000
Die 1000er-Interpretationen von Kawasaki
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Von ganz anderem Kaliber sind Zett und SX: Obwohl laut Kawasaki identisch, hängt der Vierer der Zett nochmals deutlich bissiger am Gas als der der ebenfalls gierigen SX und fühlt sich subjektiv kräftiger an. Ab 7000/min wechseln beide in den Kick-Ass-Modus und sparen dann auch nicht mit Vibrationen. Durch ihren gierigen Charakter, der stets zum Heizen animiert, und die mangels Verkleidung schlechte Aerodynamik braucht die Zett mit 8,5 Litern denn auch am meisten, die SX liegt mit 8,1 Litern knapp davor, und auch die Versys ist mit 7,6 Litern kein Sparwunder.

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Die Kawasaki Versys 1000 besitzt eine dreistufige, bei Bedarf abstellbare Traktionskontrolle.

Im Vergleich zur Zett und SX wurden bei der Versys die Getriebeabstufungen dem Reisegedanken angepasst. Die Gänge eins und zwei wurden etwas kürzer, die Stufen drei bis sechs hingegen länger übersetzt, der sechste Gang fungiert fast schon als Overdrive. Das ist auch der Grund, warum die Versys trotz deutlich fülligerem Drehmomentverlauf auf dem Papier gegenüber ihren Schwestern real nicht so gut dasteht. Bei der Beschleunigung von null auf 200 km/h (Versys 12,4 sek, Z 9,9 sek, SX 9,6 sek) schlagen die geringere Leistung und die große Stirnfläche zu, beim Durchzug von 50 auf 150 km/h (Versys 9,9 sek, Z 8,1sek, SX 8,2 sek) stellt ihr der lange sechste Gang ein Bein.


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Günstiger Preis dank einfacher Komponenten: herkömmlich angeschlagene Bremssättel.

In der Praxis hat das zur Folge, dass man auf der Versys deutlich häufiger schalten muss als auf den beiden Geschwistern. Ärgerlich, dass ausgerechnet bei ihr die Umlenkung deutliches Spiel aufweist und mit recht langen Schaltwegen operiert. Überflüssiger Speed wird bei allen Dreien ABS-unterstützt abgebaut. Auffallend ist, dass die Bremse der Versys deutlich weniger bissig abgestimmt ist und höhere Handkräfte nötig sind. Zudem werden die beiden 300er-Scheiben von konventionellen Sätteln in die Zange genommen, die wiederum auf die Befehle einer herkömmlichen Bremspumpe reagieren. Bei der Zett und SX sind diese Komponenten jeweils Vertreter der radialen Art. Dessen ungeachtet gibt die Wirkung auf keinem Bike Anlass zur Klage, im Regelbereich agieren die Anlagen feinfühlig am Rande des Machbaren, mitunter auch mit leicht erhobenem Hinterrad. Trotz etlicher Versuche bestand aber nie auch nur ansatzweise die Gefahr eines Überschlags. 

Zwischen dem Bremsen und Beschleunigen liegen entweder rote Ampeln, langsamere Verkehrsteilnehmer oder im Idealfall Kurven unterschiedlichster Güte. Hier schlägt das Herz des Bikers -höher, am höchsten - rein räumlich - auf der Versys: Sitzhöhe 840 Millimeter (Zett und SX je 820 mm). Doch nicht nur deswegen. Dank aufrechter, wenngleich etwas passiver Sitzposition und breitem Lenker lässt sie sich sehr leicht von einer Seite auf die andere werfen, durchläuft Biegungen neutral und nahezu ohne Aufstellneigung beim Bremsen. Kein Wunder, denkt der Pilot, bei den schmalen Reifen. Doch weit gefehlt: Statt des vermuteten 160er-Gummis wurde eine stramme 180er-Pirelli Scorpion Trail-Pelle (hinten in „K“-Spezifikation) auf die Felge gespannt. Zwar fehlt es dem recht komfortabel abgestimmten Fahrwerk an Rückmeldung, dem Wohlbefinden und dem Fahrvergnügen tut dies aber kaum einen Abbruch. Schade nur, dass die in Gummi gelagerten, für bequemen Kniewinkel weit unten liegenden Fußrasten so früh aufsetzen. Mit dem PS-Setup ist diese Neigung zwar vermindert, aber nicht aus der Welt. 

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Aggressiv zeigt sich die Kawasaki Z 1000 im Design.

Die Zett könnte kaum gegensätzlicher sein: Die schmale, konifizierte und seltsam gekröpfte Lenkstange, die beim Autor schon nach kurzer Zeit für eingeschlafene Handballen sorgte, spannt den Fahrer in eine Vorderradorientierte Sitzposition, die Füße weit nach hinten und oben. Molto aggressivo! Alle Zeichen stehen auf Sturm, der Blick streift über das schlecht ablesbare und wenig auskunftsfreudige Cockpit hinweg und richtet sich auf den nächsten Brems- und Einlenkpunkt.


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Nackt und wild: der Bremssattel der Kawasaki Z 1000 mit alufarbenen Applikationen und eigenständigem Gabelfuß.

Die Zett lässt sich deutlich tiefer abwinkeln als die Versys, lenkt aber vergleichsweise nervös ein, verlangt nach gelegentlichen Kurskorrekturen und nervt sogar mit deutlichem Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. Möglicherweise sind die montierten Pirelli Diablo Rosso (vorne in „R“-, hinten in „K“-Spezifikation) daran nicht ganz unschuldig, denn die mit Bridgestone BT 016 (jeweils „BB“) besohlte SX fährt deutlich satter und souveräner um die Ecken.

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Die Kawasaki Z 1000 SX ist das Bike für den relaxten Racer.

Souverän ist ohnehin das Adjektiv der SX: egal, ob Sitzposition, Fahrverhalten oder Motorcharakteristik. Die SX ruht in sich selbst, sie zwingt dich zu nix, macht aber alles mit. Mal ’ne Runde cruisen, gern auch zu zweit? Kein Problem. Lange Strecken auf der Autobahn? Dank großem Tank und verstellbarer, wenngleich in hoher Stellung arg lauter Scheibe auch kein Problem. Dem nervigen Punkt, der im Rückspiegel hängt wie der Terrier an der Briefträgerhose, mal zeigen, wo der Hammer hängt? Erst recht kein Problem. Wenngleich zum forcierten Ritt sämtliche Einstellschräubchen am Fahrwerk in Richtung straff gedreht werden müssen. Die SX ist das Bike für den relaxten Racer. Hochwertige Anbauteile wie die gegossenen Halter für die Lenkerstummel und eine solide Verarbeitung machen auch im Stand Freude.


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Da freut sich der Feingeist: schöne Schwinge mit Exzenter-Verstellung zum Kettespannen, radial angeschlagener Bremssattel an kunstvoll gegossenem Gabelfuß.

Da kann die Versys nicht mithalten. Der hohe, breite und dürre Lenker wirkt im direkten Vergleich wie Fichte gegenüber Eiche, zudem wirkt die Plastikeinfassung des Cockpits recht billig. Auch ihre Scheibe ist mittels zweier Rändelschrauben blitzschnell in der Höhe verstellt, was aber in erster Linie den Lärmpegel verändert. Und der mattschwarze Auspuff dürfte wohl bei den meisten Kunden sehr schnell durch ein ansehnlicheres Exemplar ersetzt werden. Zufällig gibt es da von Kawasaki hübsches Original-Zubehör.

Die Zett macht gerade einen optischen Reifeprozess durch: Einerseits verschwand das arg prollige Schlangenleder-Imitat der Sitzbank des ersten Jahrgangs, andererseits konnte dieser mit polierten Felgenhörnern und Endtöpfen aus Edelstahl sehr schön glänzen. 2012 ist dies mit überwiegend mattschwarzen Anbauteilen nur noch bedingt möglich.

Im Alltagsbetrieb macht sich bei allen Dreien der nicht vorhandene Hauptständer - Stichwort Kettenpflege - bemerkbar. Sein Platz ist vom voluminösen Hauptschalldämpfer belegt, was aber relativ kleine und leichte Endtöpfe ermöglicht. Bei der Versys sorgt das vor dem Lenkkopf und tief in der Verkleidung versteckte Zündschloss besonders bei Dunkelheit für ausgedehnte Fummeleien. Die Zett trägt ihren Schlüssel in einer engen Vertiefung im Tank, nur bei der SX sitzt das Zündschloss da, wo es hingehört: gut erreichbar an der oberen Gabelbrücke. Was sagt jetzt der Skatler zu diesem Trio? Die Zett hat ihr Spiel nach Punkten knapp verloren, ist aber deutlich aus dem Schneider, die Versys gewinnt zwar nach Punkten, zum Durchmarsch fehlen ihr aber noch ein paar Trümpfe, während die SX neben ihren Vorzügen auch noch das Trumpf-Ass auf der Hand hat und ihre Kolleginnen blank spielt.

FAZIT
1. Die SX macht aufgrund ihrer Ausgewogenheit das Rennen. Brennen oder Bummeln, beides liegt ihr. Dazu kommen das souveräne Fahrverhalten, die entspannt rasante Ergonomie sowie das sportlich abgestimmte ABS.

2. Rasen liegt der Versys nicht so im Blut, dazu ist die Dämpfung zu weich, die Sitzposition zu passiv und die Schräglagenfreiheit zu gering. Dafür ist sie superhandlich, saukomfortabel und dennoch nicht langsam.

3. Schade eigentlich: Die pure Zett ist die Aggressivste und Giftigste der Drei. Aber ohne Verkleidung und Traktionskontrolle gehen ihr halt etliche Punkte flöten. Ein Geil-o-Mat für Puristen.

Technische Daten

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Kawasaki Versys 1000.

Technische Daten

Kawasaki Versys 1000
Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 87 kW (118 PS) bei 9000/min*, 102 Nm bei 7700/min*, 1043 cm³, Bohrung/Hub: 77,0/56,0 mm, Verdichtungsverhältnis: 10,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 38-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette.
Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 63,0 Grad, Nachlauf: 107 mm, Radstand: 1520 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis und Zugstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis und Zugstufe. Federweg vorn/hinten: 150/150 mm.
Räder und Bremsen:  Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, Erstbereifung: Pirelli Scorpion Trail, hinten „K“, 300-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 250-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, Traktionskontrolle, ABS.
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe: 2235/900/1405 - 1430 mm*, Sitz-/Lenkerhöhe: 840/855 mm, Lenkerbreite: 800 mm, 241 kg vollgetankt, v./h.: 48,5/51,5%.
Hinterradleistung im letzten Gang: 81 kW (110 PS) bei 214 km/h
Verbrauch: Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 7,6 Liter/100 km, Tankinhalt 21 Liter, Reichweite: 270 km. 
Grundpreis: 11995 Euro (zzgl. Nebenkosten, zirka 180 Euro).

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Kawasaki Z 1000 SX.

Kawasaki Z 1000 SX
Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 101,5 kW (138 PS) bei 9600/min*, 110 Nm bei 7800/min*, 1043 cm³, Bohrung/Hub: 77,0/56,0 mm, Verdichtungsverhältnis: 11,8:1, Zünd-/Einspritzanlage, 38-mm-Drossel-klappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette.
Fahrwerk :Leichtmetall-Rückgrat-rahmen, Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 102 mm, Radstand: 1440 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 41 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis und Zugstufe. Federweg vorn/hinten: 120/138 mm.
Räder und Bremsen: Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/50 ZR 17, Testbereifung: Bridgestone BT 016 „BB“, 300-mm-Doppelscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln vorn, 250-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten.
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe: 2105/790/1230 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 820/1020 mm, Lenkerbreite: 700 mm, 231 kg vollgetankt, v./h.: 50,8/49,2%.
Hinterradleistung im letzten Gang: 91 kW (124 PS) bei 219 km/h Verbrauch.
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnitts-testverbrauch: 8,1 Liter/100 km, Tankinhalt 19,0 Liter, Reichweite: 230 km.
Grundpreis: 12595 Euro (zzgl. Nebenkosten, zirka 180 Euro).

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Kawasaki Z 1000.

Kawasaki Z 1000
Antrieb:
 Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 101,5 kW (138 PS) bei 9600/min*, 110 Nm bei 7800/min*, 1043 cm3, Bohrung/Hub 77,0/56,0 mm, Verdichtungsverhältnis 11,8:1, Zünd-/Einspritzanlage, 38-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette.
Fahrwerk:Leichtmetall-Rückgratrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 103 mm, Radstand: 1440 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 41 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis und Zugstufe. Federweg vorn/hinten: 120/138 mm.
Räder und Bremsen: Leichtmetall-Guss-räder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/50 ZR 17. Erstbereifung: Pirelli Diablo Rosso „K“. 300-mm-Doppelscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln und radialer Bremspumpe vorn, 250-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten.
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe 2100/865/1245 mm, Sitz-/Lenkerhöhe 815/1025 mm, Lenkerbreite 715 mm, 222 kg vollgetankt, v/h 50,0/50,0%.
Hinterradleistung im letzten Gang: 94 kW (128 PS) bei 215 km/h.
Verbrauch - Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 8,5 Liter/100 km, Tankinhalt/davon Reserve: 15/k. A. Liter, Reichweite: 170 km.
Grundpreis: 11695 Euro (zzgl. Nebenkosten, zirka 180 Euro).

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023