Die neue Aprilia Tuono V4 1100 Factory mit elektronischem Fahrwerk trifft auf bewährte Konkurrenz: BMW S 1000 R, KTM 1290 Super Duke R, Yamaha MT-10 SP. Welches Naked-Bike des Modelljahrgangs 2019 holt den Sieg im Vergleichstest?
Die neue Aprilia Tuono V4 1100 Factory mit elektronischem Fahrwerk trifft auf bewährte Konkurrenz: BMW S 1000 R, KTM 1290 Super Duke R, Yamaha MT-10 SP. Welches Naked-Bike des Modelljahrgangs 2019 holt den Sieg im Vergleichstest?
Zum Einstieg ein kleines, nur minimal angepasstes Zitat von MOTORRAD-Kapo Michael Pfeiffer: "Schon lange merkt kein Mensch mehr, ob man fünf PS mehr oder weniger hat, ob es nun 175, 180 oder gar 185 PS sind. Und auf öffentlichen Straßen ist der Fahrer damit eh ganz schnell zu schnell. […] Und mit 15.000 Euro ist für viele die Schmerzgrenze erreicht." Worte, die angesichts des illustren Testfelds an Power-Naked-Bikes, die wir für diese Geschichte versammelt haben, durchaus nicht aus der Luft gegriffen erscheinen. Und das, obwohl sie nicht mal ansatzweise mit den nackten Granaten von Aprilia, BMW, KTM und Yamaha im Kopf verfasst worden sind. Diese gab es damals nämlich allesamt noch nicht. Damals, das ist ziemlich genau zehn Jahre her, und statt der aktuellen Naked- Bike-Elite schwirrte im Editorial von Ausgabe 6/2009 die damalige Supersport-Meute im Kopf des Chefs umher. Warum also der Blick in die Vergangenheit? Weil wir oft dann erst merken, wo wir aktuell stehen und wie schnell sich das unaufhaltsame Rad der Entwicklung weiterdreht.
Längst haben die stärksten Naked Bikes das Leistungsniveau noch gar nicht so alter Sportmotorräder erreicht oder sogar überflügelt. Und für die "schockierenden" 15.000 Euro Gage aus dem Zitat lässt sich keiner der nackten Stars mehr zu einem Auftritt motivieren, höchstens die BMW, wenn man sie nicht nur verkleidungstechnisch, sondern auch ausstattungsmäßig nackt bestellt. Ein mehr als seltener Fall im Hause der Blau-Weißen. "Warum also nicht einfach eine gut abgehangene R1, RC8 oder 1098 von damals erstehen und Tausende von Euros für Benzin, Zubehör und einige Kugeln Eis für den Zwischenstopp beiseitelegen?", mag man fragen. Erstens, weil kein noch so guter Youngtimer-Sportler sein zweifellos heftiges Dynamikversprechen so nutzerfreundlich feilbietet wie Tuono, S 1000 R, Super Duke und MT-10 SP.
Das liegt sowohl an der deutlich menschenfreundlicheren Ergonomie als auch – und da liegt der wirkliche Fortschritt – an einem umfänglichen Paket von Elektronik, von dem die Sportler von einst nur träumen konnten. Zweitens, weil es heute nicht mehr nur Reihenvierer oder V2 heißt. Und drittens, weil es damals wie heute wie morgen einfach geil ist, den neuesten Scheiß zu haben, um es mal direkt auszudrücken. Und dieser heißt aktuell Aprilia Tuono V4 1100 Factory, nicht erst seit gestern der wohl eindrücklichste Beitrag zur Causa Landstraßenfeger. Seit heute aber um ein elektronisch gesteuertes Fahrwerk bereichert. Gleich dahinter drängt die ebenfalls in jüngster Zeit fein geschliffene KTM 1290 Super Duke R qua absurd starkem V-Twin auf Thronnachfolge. Japans einziges Mitglied im nackten 160-PS-Plus-Club, die Yamaha MT-10 SP, hält mit zornigem Crossplane-Röhren und feinster E-Ware von Öhlins dagegen. Und Deutschland? Tut, was es am besten kann, und schickt mit der BMW S 1000 R zwar nicht gerade den neuesten, aber zur Perfektion gereiften Viertopf-Screamer ins Rennen. Schauen wir mal, ob sich was Zitierfähiges für 2029 finden lässt.
Das muss geschmerzt haben in Bologna. Das jahrzehntelang unangefochtene Epizentrum gepflegten Twin-Bebens verlagerte sich 2014 nach Mattighofen. Einen mächtigeren V2 hatte bislang niemand in so wenig Motorrad gesteckt. Und auch heute noch speist sich das Erlebnis Super Duke maßgeblich aus der rohen Kraft, die topmoderne 1301 Kubikzentimeter, verteilt auf nur zwei Zylinder, eben ergeben. Um genau zu sein: verbriefte 177 PS und 140 Newtonmeter, beides bei vergleichsweise moderaten Drehzahlen. So viel Kraft, dass der Ritt auf dem österreichischen Herzog trotz kontinuierlicher Domestizierung immer noch sehr viel vom selbigen auf einer Kanonenkugel hat. Sicher, gegen die verschiedenen Vierzylinder-Konzepte hat der Monster-V2 in Sachen Laufkultur konstruktionsbedingt eh einen schweren Stand, doch zeigt die Super Duke auch ohne dieses Handicap im Kopf eindrücklich, welche Konsequenzen ein absurd großer und absurd starker Twin in einem absurd kompakten Motorrad halt mit sich bringt.
Die KTM ist nämlich auch absurd lang übersetzt, wodurch das tiefe Drehzahl-Tal des Hackens und Peitschens eher größer als kleiner wird. Unter 3.000 bis 4.000 Umdrehungen ist zwar bereits massig Kraft, aber kaum Rundlauf vorhanden. Im vierten Gang durch die Stadt schnorcheln, auf Vierzylinder normal, ist höchstens ein frommer Wunsch. Darüber dann zieht sie trotz merklich defensiver Übersetzung zwischen Gasgriff-Drehweg und Drosselklappenöffnung sowie sichtlich bemühter Traktionskontrolle so jenseitig an, dass alles vorbei ist. Voll durchladen ist hier eine noch größere Mutprobe als bei den ebenfalls wirklich starken restlichen Kombattanten. Das beeindruckt und unterhält auch nach einigen Jahren des Motorrad-Testens immer noch. Schwer vorzustellen, wie das Biest ohne all diese Zähmung fahren würde. Obwohl, wer 341 Euro fürs Track Pack lockermacht, kriegt eine Vorstellung. Dann kann die strenge Traktionskontrolle feinstufig bis hin zur Untätigkeit gelockert, die WheelieUnterdrückung abgeschaltet und die an sich sehr geschmeidige Gasannahme auf digitales Ansprechverhalten justiert werden. Wer jetzt seine Fähigkeiten nicht realistisch einzuschätzen vermag, sollte "alle nötigen Vorkehrungen" bereits getroffen haben.
So oder so, ein rauer Geselle also. Was auch zum Getriebe und Fahrwerk passt. Ob mit oder ohne Schaltautomaten: Es braucht Schmalz in der Fußspitze. Die gänzlich analoge White Power Hardware macht beileibe keinen schlechten Job, lässt es in dieser elitären Gesellschaft aber etwas an Stabilität und Präzision missen. Die Duke braucht eine führende Hand, wenn es in die Kurve gehen soll. Das letzte Quäntchen Feedback fehlt, ein Vorwurf, der sonst gerne den E-Fahrwerken gemacht wird. Auch kommt in Schräglage gerne mal etwas mehr Bewegung in die Fuhre, als man wollte. Dafür gibt es bei aller nötigen Straffheit eine ordentliche Packung Restkomfort und Ansprechverhalten, aber das direkt angelenkte Federbein leitet kurze Straßenirritationen sehr gefühlsecht in die Rückenkette. Hier könnte eine zeitgemäße Umlenkung samt humanerer Federrate Wunder wirken. Und sonst so? Punktet die Österreicherin dort, wo man es von "The Beast" nicht unbedingt erwartet: im Alltag. Man sitzt fast so aufrecht wie auf einer Supermoto, nur mit einer richtig gepolsterten Sitzbank, und kann sogar halbwegs guten Gewissens Passagiere einladen. Nächte werden dank des LED-Scheinwerfers zum Tag, brenzlige Situationen dank mächtiger und sensibler Anker zur Lappalie. Und wer hätte es gedacht: Das Biest ist abgesehen vom Verschleiß der Hinterradreifen vergleichsweise genügsam. Sieg nach Punkten.
Pomm PrroPomm Propp." Jedes Mal, wenn man vom Gas geht. Immer exakt gleich, nie dezent und immer als Folge von veritablem Gekreische. Dass eine BMW in der Krawallwertung weit vorne steht, überrascht trotz der stetigen Markendynamisierung immer noch. Wo man auch hinschaut, -hört oder -fühlt, für diesen Wüterich aus München gibt es nur eine Richtung: nach vorne, und zwar schnell. Von Heck bis Front wie ein Keil geformt, immer am Brüllen, Mahlen und Schaben und dann diese Power. Konventioneller Reihenvierer, vergleichsweise wenig Hubraum, nicht gerade der neueste. Alles egal, wer Wind am Gasgriff sät, erntet Sturm am Hinterrad. Bis auf die noch zornigere Aprilia rennt dieser stabil vibrierende Screamer alles in Grund und Boden. Und beweist trotzdem, dass die Bayern immer noch ein Herz für die echte Welt haben. Keiner geht – und zwar unabhängig vom Fahrmodus – sanfter ans Gas, keiner lässt die Gangräder schmatzender ineinandergreifen, sei es konventionell oder per Schaltautomaten, und keiner ist günstiger. Richtig gelesen, diese BMW ist selbst mit der üblichen Vollausstattung – wenn auch knapp – das günstigste Angebot im hochpreisigen Testfeld.
Dafür ist man elektronisch zwar nicht voll auf der Höhe, aber auch nicht chancenlos abgeschlagen. Das Fehlen von modernem Licht und einem fancy TFT-Cockpit sowie lediglich zwei Einstellungen für das semiaktive Fahrwerk schmerzen nur am Stammtisch. Die konventionellen Quasimodo-Scheinwerfer machen ihren Job nämlich deutlich besser als beispielsweise das LED-Zyklopenauge der Yamaha. Der analoge Drehzahlmesser ist besser ablesbar als alle Digitalpendants. Und das Fahrwerk erstickt jeden Vorwurf der Zweidimensionalität mit souveräner Funktion: sticht frech ins Eck, ist herausragend beweglich, bleibt trotzdem jederzeit stabil und streichelt geplagte Midlife-Rücken, so gut es Klasse und Positionierung zulassen. Da kann die entsprechende Einstellung "Road" in 90 Prozent der Fälle getrost drinbleiben. "Dynamic" taugt dann für alle, die es ernst meinen, die weit weg von Midlife sind oder gerne Bodenwellen zählen wollen.
Apropos Zählen: Das geht schnell, wenn es um Schwächen geht. Der Kupplungshebel steht unangenehm weit ab. Was kein Problem wäre, wenn er zeit- und preisklassengemäß einstellbar wäre – was im Übrigen auch die Aprilia nicht hinbekommt. Und den früher fast unnachgiebigen Biss der Vorderradbremse hat man in München beim letzten kleinen Update 2017 wohl zusammen mit feiner Dosierbarkeit ins Nirvana geschickt. Sonst spricht funktional wenig gegen die BMW, siehe Wertung. Nur gilt das Gleiche auch für Angela Merkel, die aber – da lehne ich mich jetzt mal aus dem Fenster – eher selten Objekt feuchter Träume sein dürfte. Und da liegt die vielleicht größte, wenn auch oberflächliche Krux der Bajuwarin: So richtig sexy ist mittlerweile anders.
Groß waren meine Hoffnungen, als Yamaha 2016 endlich mal seinen famosen Crossplane- ergo Zündversatz- ergo Pseudo-V4-Antrieb aus der R1 in eine nackte Umgebung steckte und die längst ergraute FZ1 beerbte. Das könnte ja vielleicht eine Art Budget-Tuono werden, mit japanischer Solidität und japanischer Preisgestaltung? Weit gefehlt. Man darf sich von den imposanten Leistungdaten, der martialischen Optik und dem betörenden Klang nicht täuschen lassen: Die MT-10 ist weder gestrippter Supersportler noch ultimatives Richtgerät für die Straße. Gentleman’s Choice für die flotte und bei Bedarf sehr flotte Landpartie trifft es eher. Daran ändert auch die Begehrlichkeiten weckende SP-Spezifikation nichts Grundlegendes
Schon die erste Sitzprobe legt davon Zeugnis ab. Gefühlt steht man auf dieser wie fast auf jeder MT, wird höchstens in Rufweite vom Vorderrad platziert. Das lässt hohen Tageskilometerständen entspannt entgegenblicken, verwässert das, was da permanent über die Gabel zu den Lenkerenden hochwandert, aber merklich. Daran hat auch das semiaktive Öhlinsgold seinen Anteil. Das ist aber auch schon dessen einziger Nachteil. Wie sanft schmatzend sich diese Hightech-Teile über jeglichen Asphalt streicheln, hat Seltenheitswert. Ansprechverhalten und Fahrkomfort haben in diesem Umfeld keine Gegner zu fürchten. Dazu lenkt der Transformer so einfach ein, schmiegt sich so neutral von einer Schräglage in die nächste und liegt so vertrauenerweckend satt, dass man über das Fehlen des letzten Häppchens Transparenz generös hinwegsehen kann. Starke Leistung. Der weniger harte der beiden Automatikmodi ("A2") passt eigentlich immer, wenn man nicht gerade eine wild gewordene Tuono verfolgen muss. Wie die beiden semiaktiven Modi sind auch die drei konventionell dämpfenden Setups M1 bis M3 umfänglich manipulierbar, verlieren aber im Vergleich ein bisschen von der viel beschworenen Sämigkeit. Die Grenze wird bei der engagierten Hatz nicht vom Fahrwerk, sondern von der fehlenden Handlichkeit gesetzt. Die MT braucht eindeutig am meisten Kraft, wenn es schnell gehen muss.
Was für den Motor keinerlei Problem darstellt. Das ist ganz großes Verbrennerkino. Man genießt annähernd die reihenvierertypische Laufkultur inklusive frühesten Rundlaufs und riesigen nutzbaren Drehzahlbandes, ohne aber auf V4-artiges Röhren verzichten zu müssen. Ganz unten packt der "CP4" noch etwas unentschlossen an, um ab 4.500/min wild nach vorne zu schießen. Inkusive feiner Gasannahme (Empfehlung: "PWR 2"), exklusive Vibrationen. Brööp, Brööp, Brööp: Wenn man dann noch per Quickshifter (übrigens der einzige ohne Runterschaltfunktion) die Gänge im etwas kraftaufwendigen Getriebe durchreißt, kommt wahres GP-Feeling auf. Das allerdings schnell wieder vergeht, sobald Geschwindigkeit abgebaut werden muss. Minimaler Hebelweg, glasiger Druckpunkt: Die Bremssdosierung ist kein Glanzlicht, woran sicher auch die verbaute Zubehörhebelei nicht ganz unschuldig ist. Top-Tipp also: Originalhebel. Dann hat man auch etwas mehr Geld übrig für Benzin. Und davon braucht die Yamaha fast genauso viel wie die Aprilia. Ich sagte ja: Das ist keine Budget-Tuono. Und das ist gut so.
Wenn es um den nackten Donner aus Noale geht, erzähle ich immer dieselbe simple Anekdote: Ich mache den Job jetzt seit knapp fünf Jahren und kann nicht mehr zählen, geschweige denn rekapitulieren, wie viele Motorräder ich seitdem gefahren bin. Wenn ich aber gefragt werde, welche für mich persönlich die Beste, Krasseste oder Eindrücklichste war, heißt die Antwort immer: Tuono 1100. Egal ob Factory oder Standard, Euro 3 oder Euro 4. Dieses Motorrad besitzt eine emotionale Wucht, gepaart mit heftigster High-End-Funktion, die sich trotz wiederholter Versuche nur schwer in Worte fassen lässt. Die Konstanten sind dabei der unfassbar klingende und anreißende Motor, die unfassbar sensible Elektronik und das unfassbar scharfe Handling. Ersteres wurde für das Modelljahr 2019 nicht angerührt, hat also, sowohl was Sound als auch Durchschlagskraft ganz unten angeht, schon zum Euro-4-Update ein paar Federn gelassen. Das ist allerdings ungefähr so, als hielte man Arnold Schwarzenegger auf seinem sportlichen Zenit für einen Schwächling, weil er statt 120 nur noch 117 Kilo wiegt. Es reicht immer noch, um das gesamte Testfeld an die Wand zu sprinten. Dabei kommt die Leistung nicht überfallartig wie bei der KTM, ist dank passender Übersetzung und viel höherer Laufkultur und feiner Gasannahme viel besser anzapfbar.
So weit, so bekannt. Neues gibt es bei der Elektronik. Und beim Handling, und zwar gleichzeitig: Heuer wurde die Tuono Factory nämlich um ein semiaktives Fahrwerk ergänzt. Die "Aprilia Suspension Control" (ASC) baut auf feinste Öhlins-Ware, NIX-Gabel an der Front, TTX-Dämpfer am Heck. Wie nicht anders zu erwarten, funktioniert das System hervorragend. Und wie nicht anders zu erwarten, ist die Bedienung katastrophal. Erstens: Der dafür vorgesehene Joystick ist hypersensibel. Zweitens: Während der Fahrt ist eine Verstellung nicht möglich. Drittens: Es dauert, bis man die Bedienlogik verstanden hat. Während die drei konventionellen Fahrwerks-Modi mit 31 elektronisch verstellbaren Klicks für Druck- und Zugstufe arbeiten (21 für den Lenkungsdämpfer!), sind die drei semiaktiven Modi auf den ersten Blick vermeintlich alle gleich eingestellt. Statt Druck- und Zugstufe können Härte und Bremsunterstützung in fünf Plus- sowie Minusschritten eingestellt werden. Im sportlichsten Semiaktiv-Modus "A1" kann gar noch "Beschleunigungs"- und "Lenkunterstützung" (nicht zu verwechseln mit der Einstellung des Lenkungsdämpfers) eingestellt werden. Eine wahre Spielwiese für Setup-Tüftler.
Alle anderen legen den Automatik-Modus "A3" ein, der die Tuono bei entsprechender Rücknahme des Punktes "Härte" komfortabler denn je macht. Der ist immer noch so straff und sportlich, dass es für die meisten lebensbejahenden Anwendungen reicht. Bei "A2" sollte das Messer bereits zwischen den Zähnen verweilen, "A1" taugt eher für die Rennstrecke. Auch hier liefern die semiaktiven Modi ein noch etwas feineres Ansprechverhalten als die konventionellen. In jedem Fall liefert das ASC eine Transparenz und Präzision, die man bisher auf noch keinem Nicht-Supersportler mit E-Fahrwerk erleben durfte. Man merkt nicht, dass es da ist, was ja bekanntlich das höchste Lob für den ganzen Elektro-Vodoo am Zweirad ist. Dazu liegt die Tuono so stabil und satt in Schräglage, wie es halt nur eine Tuono kann, ohne es an Beweglichkeit missen zu lassen, wie die MT-10. Kritikpunkte? Ja, 19.992 Stück. 19.990 davon entfallen auf den Kaufpreis. Bei dem ein einstellbarer Kupplungshebel echt angemessen wäre. Und bei so vielen Manipulationsmöglichkeiten hätte man die Federvorspannung doch auch gleich digitalisieren können, zum Beispiel an der good old BMW. Sei es drum, meine Antwort bleibt nach wie vor die gleiche: Aprilia Tuono 1100.
Platz 1: KTM 1290 Super Duke R (713 Punkte von möglichen 1000)
Platz 2: BMW S 1000 R (707 Punkte von möglichen 1000)
Platz 3: Aprilia Tuono V4 1100 Factory (688 Punkte von möglichen 1000)
Platz 4: Yamaha MT-10 SP (675 Punkte von möglichen 1000)
Sobald man sich an der Spitze befindet, kann natürlich immer die Sinnfrage gestellt werden: Würden nicht auch fünf statt zehn Millionen für den DAX-Vorstand reichen? Muss eine Luxuslimousine wirklich 2,5 Tonnen wiegen? Und wer braucht eigentlich 280 km/h schnelle Naked Bikes? Ja, nein und keiner, möchte einem die Vernunft als Antworten entgegenschreien. Und doch verschieben sich die Grenzen der Vernunft stetig, wie der eingangs gemachte Blick in die Vergangenheit zeigt. Was gestern als Superlativ galt, kann heute ganz normal sein. Vielleicht wundern wir uns in zehn Jahren, wie ein Power-Naked-Bike überhaupt noch mit weniger als 200 PS und 300 km/h Spitze ernsthaft antreten kann. Wie man dazu steht, muss jeder selbst wissen. Unstrittig ist, dass das Spiel mit der Speerspitze unverkleideter Krafträder ein faszinierendes ist. Und dass man in der aktuellen Ü 160-PS-Klasse keinen Fehlkauf machen kann. Ob man nun auf überbordende Kraft (KTM), laborhafte Perfektion (BMW), rennstreckentaugliche Performance (Aprilia) oder feinnervige Souveränität (Yamaha) steht: Leer muss niemand ausgehen, vorausgesetzt, der Geldbeutel ist genau das nicht: leer. Aber wer weiß, vielleicht fragt in zehn Jahren irgendwer an dieser Stelle: "Warum nicht einfach eine gut abgehangene Super Duke, S1000 R, Tuono oder MT-10 kaufen?"