Die Entwicklungsgeschichte der neuen Moto-Morini-Modelle ist kurz. Denn erst Ende 2003 kündigte die traditions-
reiche Marke ihre Rückkehr an und präsentierte nun gleich zwei Big Twins: die Corsaro 1200, ein sportliches Naked Bike mit 1187 cm3 und 140 PS, sowie den
Prototyp der 91/2 mit 998 cm3 und 105 PS, vom Namen her an die legendäre Morini 31/2 V aus den 70er Jahren angelehnt.
Deren Konstrukteur Franco Lambertini entwickelte auch die beiden Neuen. Nach dem Niedergang der Marke Ende der 80er Jahre hatte er sich zum Rollerriesen Piaggio verabschiedet, kehrte aber flugs nach Bologna zurück, als die Familie Morini eine Rückkehr in die Motorradszene erwog. Den Ausschlag gaben letztlich die drei Brüder Berti, die mit 50 Prozent in das Unternehmen einstiegen. Nach dem Verkauf ihrer bisherigen Firma, die Fernseher produziert an die Merloni-Gruppe, zu
der wiederum die Marke Benelli gehört , suchten die motorradbegeisterten Bertis eine neue Herausforderung und fanden sie in Moto Morini.
Pläne für einen Zweizylinder in bester italienischer Tradition hatte Ingenieur Lambertini bereits in der Schublade. Im Herbst 2003 kam das Okay für die Entwicklung. Um Optionen für verschiedene Motorradtypen offen zu halten, legte er den was-
sergekühlten V2 mit dem ungewöhnlichen
Zylinderwinkel von 87 Grad für einen
Hubraum von 750 bis 1200 cm3 aus. Besonderheit: Die beiden Zylinder sind in das einteilige Kurbelgehäuse integriert. »Das ist der erste Zweizylinder mit einem sol-
chen Aufbau«, sagt Lambertini zufrieden, »das einteilige Gehäuse bringt viele Vor-
teile, denn es erlaubt einen schnellen Zugriff auf das Getriebe und die Kurbelwelle.«
Für den Einspritzer mit Drei-Wege-Katalysator wählte Lambertini ungewöhnliche Maße: Mit 107 Millimeter Bohrung und
66 Millimeter Hub ist das 1187 cm3 große Triebwerk der Corsaro schon sehr kurz-
hubig ausgelegt; die 91/2 legt mit einem Hub von nur 55,5 Millimeter bei gleicher Bohrung sogar noch eins drauf. Kein an-
derer serienmäßiger Motorradmotor ist derzeit nur annähernd so kurzhubig
wie der »Bialbero Corsa Corta«, so die
Bezeichnung von Morini, »Bialbero Corsa Corta«, zu deutsch »Kurzhuber mit zwei Nockenwellen«. Damit bietet er für die Zukunft ideale Voraussetzungen für eine hohe Leistungsausbeute.
Bereits am 18. März 2004 lief der Vierventiler mit je zwei über Zahnräder und Ketten getriebenen Nockenwellen erstmals auf dem Prüfstand. Wobei es fast zum Eklat gekommen wäre, weil einer der Techniker, abergläubisch wie viele Italiener,
einen Besen auf das Aggregat warf, um
es vor Unheil zu schützen und brachte damit Lambertini auf die Palme, der um sein Meisterstück fürchtete. Immerhin zeigte die Beschwörung Wirkung: Der Motor mit den mächtigen, 107 Millimeter dicken Kolben blieb im Lauf seiner Erprobung von größeren Problemen verschont. Worauf die Macher bei Morini ihre Pläne änderten: Von Herbst 2005 zogen sie die Präsentation
auf Ende 2004 vor.
Rund um den tragenden Motor der Corsaro 1200 bauten die Entwickler einen Gitterrohrrahmen aus Stahl und spendierten dem Naked Bike ein voll einstellbares Fahrwerk mit einer üppig dimensionier-
ten Marzocchi-Upside-down-Gabel mit 50 Millimeter Gleitrohr-Durchmesser, Federbein von Sachs, Bremsanlage sowie 17-Zoll-Räder von Brembo und Pirelli-Diablo-Bereifung. So entstand ein agiles Power-
bike, von dem MOTORRAD bei einer kurzen Testfahrt mit einem Prototyp einen ersten Fahreindruck sammeln konnte. Bereits
unter 3000/min zieht der Motor kraftvoll durch und entwickelt seine Leistung linear bis etwa 8000/min. 250 km/h Höchst-
geschwindigkeit, wie von Morini versprochen, mögen durchaus realistisch sein, auf einem Naked Bike aber eher nebensächlich. Dagegen spielt das opulente Drehmoment von nominell 123 Nm bei 6500/min für den Fahrspaß im Alltag eine viel
wichtigere Rolle. Und da hat die Corsaro im Vergleich zu anderen Zweizylindern nach dem ersten subjektiven Eindruck tatsächlich mehr zu bieten.
Zahmer fällt die kleinere 91/2 aus. Der V2 ist, bis auf den Hub, identisch aufgebaut, die Leistungsausbeute mit 105 PS vergleichsweise moderat, und das Drehmoment liegt mit 98 Nm auf klassenüblichem Niveau. Der in Bologna gezeigte Prototyp wurde erst in der Nacht vor der Präsentation fertig auf der Motor Show unschwer an den Augenringen der beiden Designer Marabese und Frascoli zu erkennen. Ende 2005 soll er in Produktion gehen.
Doch erst mal ist im Frühjahr die Einführung der Corsaro geplant. Deren Preis soll unter 12000 Euro liegen, so das Versprechen der Italiener. Damit nicht nur
das Debüt vor der Presse, sondern auch vor der Kundschaft klappt, bereiten die international erfahrenen Miteigner Berti seit einem Jahr die Vertriebsstrukturen vor, die Verhandlungen mit möglichen Importeuren laufen auf Hochtouren, auch in Deutschland. Das besondere Augenmerk der Morini-Macher gilt dem Service. »Allein ein gutes Motorrad zu bauen reicht nicht«, beschreibt Marketing-Chef Gianni Berti das Konzept. »Bevor wir die erste Maschine verkaufen, werden schon sämtliche Ersatzteile bereitliegen.« Schließlich soll die kurze Entwicklungsgeschichte der Corsaro eine Fortsetzung finden in einer möglichst langen Erfolgsstory.
Vorstellung Moto Morini Corsaro 1200 und 91/2 : Morini Bolognese
Auf der Motor Show in Bologna meldete sich der einst so berühmte Hersteller Morini, vor Ort ansässig, mit zwei in Eigenregie kreierten starken Big Twins in der Zweiradszene zurück.

Foto: Gori