Astron Omega 1 Turbinenmotor
Motorradmotor mit 160 PS bei 15 Kilo Gewicht?

Ein Startup aus den USA hat einen spektakulären Kreiskolbenmotor entwickelt. Die Maschine leistet 160 PS bei nur 15 Kilogramm Gewicht. Ist das der perfekte Motorradmotor?

Titel Omega BMW
Foto: BMW/Astron/Lang
In diesem Artikel:
  • Scheiben statt Kolben
  • Bis zu 14 bar Ladedruck
  • 162 PS, nur 15 Kilo schwer
  • Fazit

90 Jahre und der Traum lebt: 1932 entwickelte Felix Wankel seinen ersten Drehkolbenmotor, der die Basis für die einzige kommerziell erfolgreiche Rotationskolbenmaschine im Auto war: den Wankelmotor. Der Erfolg hielt sich in Grenzen, wenige Autos und noch weniger Motorräder wurden mit dieser logischen Form eines Motors über die Jahre angetrieben. Logisch daher, da ein Rotationskolbenmotor die für den Vortrieb nötige Drehbewegung direkt produziert und man nicht wie beim Hubkolbenmotor erst eine oszilierende Bewegung umwandeln muss. Das US-Start-Up Astron Aerospace lebt den Traum. Ihr Omega 1 getaufter Motor definiert den Begriff Rotationskolben völlig neu und stellt wohl direkt einen neuen Leistungsgewichtsrekord auf: Bei nur 15 Kilogramm Gewicht stellt der kompakte Omega-Motor satte 160 PS bereit. Das verdient ganz genau angeschaut zu werden, selbst wenn der Omega wohl nie eine GS antreiben wird.

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Scheiben statt Kolben

Kerngedanke des Kompressor-Turbinen-Rotationskolben-Motors – eine Definition ist schwierig – ist, dass zwei getrennte Doppel-Scheiben eine hohle Antriebswelle in Bewegung setzen. Dabei dient das erste Scheibenpaar als Kompressor für die Ansaugluft, während sich das zweite Scheiben-Duo um die Verbrennung und damit die eigentliche Arbeit kümmert. Dazu haben die gegenläufigen Scheiben je eine Aussparung und ein einseitig abgerundeter Zapfen. Die Aussparung ist der Kompressions- oder Verbrennungsraum, der Zapfen dient als Kolben, der im ersten Scheibenpaar die Ansaugluft und im zweiten das Verbrennungsgemisch komprimiert. Mittels einer normalen Zündkerze wird das Gemisch im Brennraum entzündet, dehnt sich im exzentrischen Gehäuse aus und treibt so die Welle an. Klingt enorm kompliziert und verlangt Aufklärung.Tatsächlich ist die Idee dahinter erstaunlich simpel.

Bis zu 14 bar Ladedruck

Astron verspricht gegenüber einem herkömmlichen Kolbenmotor gleich ein ganzes Bündel an Vorteilen. Begonnen mit dem Ladedruck, der bei Kompressoren oder Turbos nur in Extremfällen dauerhaft jenseits 1 Bar liegt. Hingegen verdichtet der Astron Turbinenmotor die Ansaugluft auf bis zu 14 bar. Dieser extrem hohe Ladedruck, die hohen Drehzahlen und extrem niedrige Toleranzen sollen dafür sorgen, dass keine zusätzlichen Abdichtungsmaßnahmen vergleichbar zu Kolbenringen in Standard-Motoren oder Flächendichtungen wie im Wankel nötig sind: Die Ansaugluft und das Gemisch hätten überhaupt keine "Zeit", sich gegen die Drehrichtung zu bewegen und so Druck zu verlieren. Die fehlende mechanische Dichtung verringert zusätzlich die innere Reibung im Vergleich zu Kolbenmotoren, reduziert den Verbrauch und steht damit den größten konstruktiven Nachteilen des Wankelmotors breitschultrig gegenüber.

Generell ist die innere Reibung respektive Verlustleistung gegenüber einem Hubkolbenmotor drastisch reduziert. Es gibt keinen Ventiltrieb, keine Kurbelwelle, keine Pleuel. Es muss weder Öl durch den Motor gepumpt noch mit Kühlflüssigkeit bewegt werden, der Turbinenmotor wird über den Luftstrom um den Motor und durch die Hohlwellen gekühlt. Lediglich die Synchronisationszahnräder und deren Lager müssen mit Schmierstoff versorgt werden. Da kein Öl im Brennraum nötig ist, sinken die Emissionswerte. Durch den Aufbau muss keine Kraft wie im Hubkolbenmotor über verschiedene Bauteile wie Kolben, Pleul und Kurbelwelle umgelenkt werden: Dreht sich der Verbrenner-Teil, dann dreht sich die Antriebswelle mit synchroner Geschwindigkeit. Und das mit ziemlich spektakulärem Tempo. Liegt die Leerlaufdrehzahl mit 1.000/min noch auf bekanntem Level, wird es obenraus wild: Bis zu 25.000/min soll die Maschine drehen, wobei jede Umdrehung für einen Verbrennungsvorgang steht. Damit ist der Astron Omega 1 ein Zweitaktmotor, nur eben ohne Ölfahne und RängDängDäng.

Dabei muss nicht jede Umdrehung mit einem Arbeitstakt gefüllt werden: Über die Steuerung von Spritzufuhr und Zündung soll bei Niedriglast über mehrere Umdrehungen kein Verbrennungsvorgang laufen, das kann zu nur einer Zündung alle 50 Umdrehungen führen, von Astron "Skip Fire"-Technik getauft. Ungefähr vergleichbar ist das mit der Zylinderabschaltung moderner Kolbenmotoren, wobei der Omega 1 konstruktionsbedingt ohne jede Verzögerung sofort wieder im Spiel ist, wenn Leistung gefordert wird. Damit zeigt sich, dass der Omega ein technisch kein Turbine ist, denn die würde dauerhaft zünden und weder Arbeitstakte kennen noch Zündunterbrechungen vertragen.

162 PS, nur 15 Kilo schwer

Durch den gegenüber einem Standard-Automotor viel simpleren Aufbau mit wenigen Bauteilen – Astron spricht von der Komplexität eines einfachen Rasenmähermotors – liegt das Gewicht der Maschine spektakulär niedrig. Für ein Standard-Modul mit 162 DIN-PS und einem Drehmoment von 230 Newtonmeter sollen nur 15 Kilogramm auf der Anzeige der Waage stehen, da ist jeder Mofa-Motor wuchtiger. Es kommt noch besser: Bei Großserienfertigung soll das Ganze für rund 1.000 Dollar über den Tresen gehen. Damit kommen wir zum eingangs genannten Traum zurück: Bislang existiert der Astron Omega 1 nur als Computersimulation, einen lauffähigen Prototypen gibt es noch nicht. Doch Astron will im Wortsinn hoch hinaus, denn leistungsgesteigerte Varianten sollen in Luftfahrzeugen eingesetzt werden. Wegen der dort aus nachvollziehbaren Gründen geforderten extremen Zuverlässigkeit würden die eingesetzten Bauteile aus hochwertigerem Material -Titan statt Alu – gefertigt, doch sollen die Kosten nur einen Bruchteil einer normalen Flugzeug-Turbine betragen. Patentiert hat Astron die ganze Angelegenheit nach eigenen Angaben bereits auf allen wichtigen Weltmärkten. Jetzt geht es daran, die Pläne in die Tat umzusetzen und echte, lauffähige Exemplare für die Erprobung zu bauen. Wir bleiben dran!

Fazit

Ein 15 Kilo schwerer Motor mit 162 PS – dafür würden nicht nur Auto- und Motorradhersteller Schlange stehen. Zahllose andere Anwendungen vom Bootsantrieb bis zum Stromaggregat wären für so ein Kraftpaket ideal. Aber, irgendwas ist ja immer, leider existiert das Projekt bisher nur auf dem Computer. Zahlreiche entscheidende Fragen vom Verbrauch über die Schadstoffwerte und die Standfestigkeit bis zum tatsächlichen Großserienpreis bleiben unbeantwortet. Aber aus dem Stromer-Bereich sind wir inzwischen spektakuläre Ankündigungen sattsam gewöhnt, warum also nicht zur Abwechslung mal einem lustigen Verbrenner-Konzept eine Chance geben?

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Erscheinungsdatum 26.05.2023