Das hätte auch kräftig schiefgehen können: Wenn es nach dem in den USA entwickelten "Morgenthau-Plan" gegangen wäre, hätte Kriegsverlierer Deutschland ab 1945 nur noch als industriefreier Agrarstaat weiterexistieren dürfen. Doch spätestens 1947 stellte sich die Lage völlig anders dar. Der ehemals verbündete "Russe" stand vor der Tür, und es galt für die drei West-Alliierten, ein "Bollwerk gegen den Kommunismus" zu errichten. Dafür lag die am 23. Mai 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland strategisch goldrichtig. Zudem war die in den USA und in Großbritannien mittlerweile von Kriegs- auf Zivilproduktion gewechselte Industrie auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Das Motto lautete nun "Wiederaufbau statt Kahlschlag". Deutsche Unternehmen, die eben noch im Rahmen von Reparationsleistungen demontiert worden waren, profitierten plötzlich vom "Marshallplan", einem gigantischen Wirtschaftsförderungsprogramm der USA, das den kriegszerstörten Staaten Westeuropas wieder auf die kapitalistischen Beine helfen sollte.
Bis zu 400.000 Zuschauer an den Rennstrecken
Im Sommer 1949 fielen die letzten Baubeschränkungen für die deutschen Motorradhersteller, endlich durften auch wieder "schwere" Motorräder über 250 cm³ produziert werden. Bei BMW lagen die Pläne für den ersten Nachkriegs-Boxer längst in der Schublade. Ausreichend Kauflust auf Kundenseite herrschte ebenfalls. Dafür hatten die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg erfolgreichen Motorsportler wie Georg "Schorsch" Meier und Ludwig "Wiggerl" Kraus gesorgt, die ihre "eingelagerten" Vorkriegsrenner herausgeholt und auf die Piste gebracht hatten. Bis zu 400.000 (!) Zuschauer standen an den Rennstrecken. Motorsport rangierte in der Beliebtheitsskala ganz oben, noch weit vor Fußball. Die nun nicht mehr körperlich, dafür aber immer noch emotional ausgehungerte Bevölkerung gierte nach Unterhaltung und Freizeitvergnügen. Seit der Währungsreform im Juni 1948 war das Geld auch wieder etwas wert, und es gab vor allem auch etwas dafür zu kaufen. Bei BMW war das ab 1950 die 24 PS leistende R 51/2, die weitgehend dem Vorkriegsmodell R 51 entsprach, das von 1938 bis 1940 im BMW-Programm zu finden war.
1951: Nachkriegs-Boxer BMW R 51/3
Den ersten echten, da in vielen Baugruppen neu konstruierten Nachkriegs-Boxer präsentierte BMW dann 1951 mit der R 51/3, deren Ventiltrieb nun wesentlich standfester war, die aber unverändert nur 24 PS leistete. Das parallel präsentierte und vorwiegend für den Gespannbetrieb gedachte 600er-Schwestermodell R 67 brachte es gerade mal auf zwei PS mehr. Das Traummotorrad und Superbike jener Tage hieß aber R 68: Mit satten 35 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von über 160 km/h entsprach sie dem Ideal des "Hundert-Meilen-Renners", womit sie besonders in den USA und auch in Großbritannien das BMW-Image positiv prägte und den 650er-Twins der Briten das Leben durchaus etwas schwerer machte. Für die Deutschen blieb die bis 1954 gebaute R 68 aber ein Traum; denn mit 3.950 Mark kostete sie mehr als die meisten Kleinwagen und kaum weniger als ein VW Käfer – womit wir bei einem Thema wären, das BMW spätestens ab der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre das Leben schwer machte und fast zum Ende als eigenständiges Unternehmen geführt hätte: dem Auto. Motorräder wurden immer mehr zum Freizeit- und Sportgerät. Steigender Wohlstand sorgte dafür, dass sich immer mehr Bundesbürger vom Zwei- oder Dreirad als Gebrauchsgegenstand verabschiedeten und sich einen Pkw gönnten.
1955 kam Isetta ins Programm
BMW hatte durchaus (wieder) Automobile im Programm, doch zumindest anfangs die völlig falschen. So ab 1951 den sechszylindrigen "Barockengel" 501, der 1954 mit dem Achtzylinder-Modell 502 ein ebenso schwülstiges Schwestermodell bekam – Luxusautos, auf die niemand gewartet hatte und die nur Verluste einfuhren. Erst 1955 kam mit der Isetta etwas Passendes ins Programm. Das Rollermobil stammte ursprünglich vom italienischen Hersteller Iso Rivolta und wurde dann von BMW mit einem eigenen 250er- bzw. 300er-Einzylinder-Motorradmotor bestückt. Ebenfalls 1955 startete bei BMW eine neue Boxer-Generation: R 50, R 60 und R 69 sollten als Vollschwingen-Modelle die Neuzeit einläuten, verkauften sich aber schlechter als erhofft – der Motorradmarkt war schlicht und einfach auf dem absteigenden Ast. Die Isetta konnte das Überleben von BMW nur hinauszögern, und auch der von 1957 bis 1959 gebaute, mit einem Boxermotor bestückte viersitzige Kleinwagen BMW 600 brachte nicht die erhoffte Wende. Das traditionell starke Behördengeschäft brachte BMW zwar im In- und auch im Ausland noch einige nennenswerte Aufträge, was aber nicht viel an der unzureichenden Rentabilität änderte. Um es kurz zu machen: Ende 1959 drohte für die Bayern der Bankrott!
Des einen Leid ist des anderen Freud, und dieser andere hieß Daimler-Benz. Die Schwaben beschäftigten seinerzeit 63.000 Mitarbeiter und hatten ein starkes Interesse daran, BMW mit seinen 6.000 Mitarbeitern zu übernehmen, um weitere Produktionskapazitäten für das florierende Mercedes-Pkw-Geschäft zu schaffen. Der Deal schien eine reine Formsache zu sein, die auf der BMW-Jahreshauptversammlung nur noch abgesegnet werden musste. Doch Daimler-Benz, der BMW-Vorstand, beteiligte Banken und andere Befürworter der Übernahme hatten die Rechnung ohne die BMW-Händler und (Klein-)Aktionäre gemacht. Der 9. Dezember 1959 verlief dann völlig anders als geplant, und am Ende wurde ein gewisser (und nicht unumstrittener) Herbert Quandt als "BMW-Retter" verehrt – BMW blieb unabhängig.