Bandit, Katana, SV 650 – wir blicken auf 100 Jahre Suzuki Motor Corporation zurück, die Firma, die mit Webstühlen ihre Produktion startete und 1954 ihr erstes Motorrad auf den Markt brachte.
Bandit, Katana, SV 650 – wir blicken auf 100 Jahre Suzuki Motor Corporation zurück, die Firma, die mit Webstühlen ihre Produktion startete und 1954 ihr erstes Motorrad auf den Markt brachte.
1909 gründet Michio Suzuki in Hamamatsu seine Firma "Suzuki Loom Works", die am 15. März 1920 in die "Suzuki Loom Manufacturing Company" umgewandelt wird. Der gelernte Zimmermann stellt jedoch nicht Motorräder, sondern Webstühle her. Das Unternehmen floriert, geht 1920 an die Börse und wird zu einem der größten Textilmaschinen-Hersteller Japans. 1936 kauft Suzuki einen britischen Austin Seven, auf dessen Basis mehrere eigene Prototypen entstehen. Nach dem II. Weltkrieg experimentiert Suzuki mit einem kleinen Hilfsmotor, der 1952 schließlich in Kombination mit einem Fahrrad als Power Free auf den Markt kommt. 1954 folgt mit der Colleda CO das erste Motorrad, ein Jahr später mit dem Suzulight das erste (Kleinst-)Auto. In den 1960er-Jahren startet der Export in die USA und nach Europa und damit der Weg zum international erfolgreichen Mischkonzern.
Wer echtes V2-Feuer zum kleinen Preis sucht, landet seit gut 20 Jahren bei Suzuki, und zwar meist in Form der SV 650. So viel Verve, so viel Japan-Qualität, für so wenig Geld (Preis im Jahr 1999: 11.090 Mark). Viel Motorrad fürs Geld – eine Formel so simpel wie erfolgreich. Die sich bei Suzuki nicht nur auf die SV 650 beschränkte: Schon Ende der 80er-Jahre kam mit der 1400er-Intruder die erste richtige Konkurrenz für die Big Twins von Harley. Mit lässigem Schwung in der Linie, luft-/ölgekühltem Dreiventiler, 1360 Kubik und 67 PS sowie 108 Newtonmetern bot der "Eindringling" aus dem Stand mehr Technik, Power und Laufruhe als das Milwaukee-Original. Für viel weniger Geld. Ein Segen für statusferne Schwermetallfans. Und für Suzuki – gut 24.000 Einheiten gingen in Deutschland weg.
Und dann wäre da ja noch die Urmutter aller Bestseller-Bikes: Königin Bandit. Eine Aristokratin, die Motorraddeutschland viele Jahre regierte. Vor allem die 1200er-Version bot ab 1996 für knappe 15.000 Mark eine Mischung aus mächtigem Tiefendruck, ansprechender Erscheinung und überragender Alltagstauglichkeit, der man sich kaum entziehen konnte. Weswegen sich von allen Varianten des zweirädrigen Banditen (Stand Januar 2018) noch annähernd 75.000 (!) Exemplare im deutschen Bestand befinden.
Knapp 20 Prozent Marktanteil war einmal
Doch bei aller Sparfuchsigkeit – Suzuki konnte nicht nur Mehr-, sondern oft auch Bestwert. Die schon 1965 160 Sachen schnelle T20, der zweitaktende "Wasserbüffel" GT 750, die mächtige Katana, der Porscheschreck Hayabusa oder die oft dominierende GSX-R: Der Hersteller aus Hamamatsu beteiligte sich ausdauernd und oft auch ziemlich erfolgreich an der Frage, wer der zweirädrige Chef im Ring ist. Bis weit in die 2000er-Jahre kannten die Japaner in Deutschland nur den Platz an der Sonne. Suzukis Stück vom deutschen Kuchen war mindestens knapp 20 Prozent groß, das Duell um die Marktführerschaft wurde traditionell mit Honda ausgefochten – und oft gewonnen. Logisch, verkauften sich doch die Bandits, die SV 650 und die Gixxer wie geschnitten Brot. 24 Modelle über 125 Kubik buhlten bei Suzuki 2005 um die Spitze der Zulassungsstatistik.
Marktanteil heute: 4,8 Prozent
Und heute? Sind es noch 12 Modelle. Ziel: Eher Klassenerhalt als Tabellenspitze. 5.394 Einheiten konnten die Japaner 2019 bei uns absetzen. 2002 setzte Suzuki fast die gleiche Menge an großen Bandits ab. Marktanteil 2019: 4,8 Prozent, weit abgeschlagen vom zweistelligen Restjapan. Honda mit 11,5 Prozent, Kawasaki mit 11,3 Prozent und Yamaha mit 10,2 Prozent.
Wie konnte das passieren? Die Zeiten sind halt andere, die fetten Jahre sind vorbei, alle müssen den Gürtel enger schnallen? Ein Argument-Triplett, das heute sicher nie ganz falsch, aber selten ausreichend ist. Zumal es Suzuki insgesamt nicht allzu schlecht geht. Umsatz und Betriebsergebnis steigen seit einigen Jahren kontinuierlich, und zwar im zweistelligen Bereich. Auch der weltweite Absatz von Zweirädern steigt seit 2016 kräftig, im Jahr 2019 auf 1,63 Millionen Einheiten. Natürlich finden auch bei Suzuki die großen Stückzahlen und Steigerungen vor allem in Indien und Südostasien statt. Auch ist die Umsatzrelevanz des Motorradgeschäfts mit unter sieben Prozent verschwindend gering. Die klassischen Industrienationen-Märkte verlieren abseits ihrer Leuchtturmfunktion halt an Bedeutung. Das ist nichts Neues und betrifft Suzuki nicht weniger als andere Big Player. Die aber im Falle von Yamaha und Kawasaki trotzdem auch hierzulande mit passgenauer wie begeisternder Ware Vollgas geben.
Einbruch Finanzkrise 2009
Dafür war bei Suzuki viele Jahre Bert Poensgen zuständig. Der Vertriebsboss hat Suzuki lange mit frühzeitiger Einflussnahme auf die Modellentwicklung sowie hochattraktiver Preisgestaltung verlässlich an die Spitze gebracht. Sein Weggang 2009 sowie die Finanzkrise im selben Jahr waren sicherlich mitverantwortlich dafür, dass Suzukis Marktanteile seitdem beständig in den Keller rutschen. Das Ergebnis ist eine seit Jahren zaghafte Modellpolitik aus Hamamatsu.
Die ärgsten Lücken, vor allem in der lukrativen Mittelklasse, wurden mittlerweile geschlossen, SV 650 und GSX-S 750 besitzen aber nicht mehr den Breitensog von einst. Gute Motorräder, keine Frage, für die Spitze im Segment reicht es aber nicht mehr. 200 Kilogramm in der 650er-Klasse, drehzahlgeile und -abhängige Screamer-Vierzylinder in der oberen Mittelklasse: Das trifft offenbar nicht mehr den Nerv, das Umfeld hat sich weiterentwickelt. Ähnlich sieht es bei den Power Nakeds aus. Der K5-Motor-Mythos reicht nicht, um davon abzulenken, dass die GSX-S 1000 im Jahr 2019 weit weg vom Niveau der Spitze ist. Die kleine V-Strom ist zwar immer noch für obere Testplatzierungen gut, kommt aber genau wie ihre große Schwester mittlerweile etwas bieder und profillos daher.
Die aktuelle Modellpolitik von Suzuki scheint daraus zu bestehen, spät, selten und weit hinten ins Motorenregal zu greifen, um dann mit wenig Aufwand ein solides Motorrad zu bauen. Das reicht zum Mitschwimmen, aber nicht zum Anführen. Das sollte die seit Jahren herbeigesehnte, von Grund auf erneuerte GSX-R 1000. Hat es geklappt? Jein. Der neue Gixxer ist ohne jeden Zweifel der beste aller Zeiten, technisch up to date und endlich wieder konkurrenzfähig. Doch der Supersportmarkt ist mittlerweile winzig. Wer hier einen Nachfragesog auf die restliche Modellpalette erzeugen will, muss die stärkste, schnellste und beste Rundenfeile von allen haben, das "Halo"-Bike. Und das heißt aktuell nicht GSX-R 1000.
Doch es gibt einen Ausweg: Auch mit einem zaghaften Zeh im kalten Wasser kann man Erfolg haben. Man packt seinen dienstalten Motor einfach in ein schmissiges Kleid und klebt gut sichtbar das Label "(Neo-) Retro" aufs Produkt, siehe BMW R nineT. Die Suzuki Katana brachte 2019 leider nicht diesen Erfolg – mit 155 verkauften Einheiten kam sie im Vorjahr auf Platz 160 der Neuzulassungen.
Ideen für neue Modelle
Style und Individualität sind heute die harte Währung in der Modellpolitik. Also: Eine ansprechende Cafe-Racer-Optik über die GSX-S 1000 gestülpt, ein attraktives Preisschild dran – und schon hätte man mit kleinen Mitteln einen wahren (Kurven-)Räuber wiederbelebt. Auch der von uns und der Community heftig herbeigeschmachtete Sport-Twin à la SV/TL 1000 ließe sich ganz im Sinne der dringend benötigten Diversifizierung Plattformprinzip-kompatibel zusammenfügen. Schließlich wummert der Twin aufgebohrt und Euro-4-konform in der aktuellen V-Strom 1000. Dann das SV 650-Chassis verstärken, den großen V2 mit etwa 125 PS einhängen, anständiges Fahrwerk, darüber ein knappes Gewand, einmal halb-, einmal unverkleidet. Fertig.
Und mit den reingespülten, natürlich umfangreichen Barmitteln könnten dann auch wieder neue Plattformen und neue Motoren entstehen. Damit aus guten Motorrädern wieder richtige Knaller werden. Hayabusa, DR, RG und so weiter. An klangvollen Buchstaben, die mit neuem Leben gefüllt werden wollen, mangelt es bekanntlich nicht in Hamamatsu ...