Motorräder, die mit herkömmlichen Telegabeln – auch in Upside-Down-Bauweise – bestückt sind, tauchen beim Bremsen durch die dynamische Radlastverteilung vorn ab. Mit diesem Abtauchen verändert sich die Lenkgeometrie, zudem verhärtet sich die Federung. In Folge können Bodenwellen nicht mehr sicher absorbiert werden und das Vorderrad kann den Bodenkontakt und den Grip verlieren. Zudem wird das Hinterrad entlastet und auch hier geht im Extremfall der Bodenkontakt flöten.
Um dies zu vermeiden, müssen Telegabeln so abgestimmt werden, dass sie unter voller Bremslast nicht durchschlagen. Was dazu führt, dass die dazu nötige harte Feder und eine entsprechend stramme Druckstufendämpfung Ansprechverhalten und Federkomfort verschlechtern. Und das, obwohl diese straffe Abstimmung fast nur beim Bremsen gefordert ist, während sie bei konstanter Fahrgeschwindigkeit oder gar beim Beschleunigen (sehr wenig dynamische Vorderradlast) auf welligem oder holprigem Untergrund eher störend wirkt.
Mit modernen Dämpfungssystemen in Gabeln die sich in verschiedenen Einfedergeschwindigkeiten regulieren lassen (High- und Low-Speed) und/oder progressiv gewickelten Gabelfedern wurde dieses Problem weitestgehend ausgemerzt, aber eben nicht ganz. Weitere Möglichkeiten bieten die neuen elektronisch geregelten Fahrwerke. Gabelkonstruktionen wie der Telelever von BMW oder Gabeln nach dem Hossack-Prinzip haben schon konstruktiv ein Anti-Dive-Wirkung integriert, die das Bremsmoment zur Abstützung nutzt, werden aber von vielen Fahrern wegen der entsprechend gefühlten Entkoppelung vom Vorderrad kritisiert.
Anti-Dive-Boom in den 1980ern
In den 1980er Jahren hatten vor allem japanische Hersteller angefangen Anti-Dive-Systeme an ihre Motorräder zu bauen. Bei Rennmaschinen kamen mechanische Systeme zum Einsatz, bei denen sich die drehbar um die Radachse gelagerten Bremszangen über Schubstreben an der Gabel abstützen. Diese Systeme erhöhten aber die ungefederten Massen und das Trägheitsmoment um die Lenkachse. Im Serienmotorradbau setzen die Hersteller auf hydraulische Systeme. Über die Bremse angesteuert erhöhten sie die Dämpfung in der Gabel und reduzierten so deren Einfedergeschwindigkeit. Der Federungskomfort blieb dabei allerdings meist auf der Strecke. Unter dem Strich hat sich letztlich keines dieser Systeme durchgesetzt.

Mechanisches Anti-Dive für MotoGP
Jetzt scheint die Piaggio-Tochter Aprilia den Anti-Dive-Ansatz wieder aufzugreifen. In den USA wurde im März 2020 ein Patent veröffentlicht, in dem sich die Italiener mit einem mechanischen Anti-Dive-System beschäftigen. Aprilia sieht das Anti-Dive-System nur für einen Gabelholm vor. Dort stützt sich der um die Radachse nur wenige Grade drehbar gelagerte radial verschraubte Bremssattel über eine am Gabelfuß drehbar gelagerte Umlenkhebelei sowie eine ebenfalls drehbar gelagerte Schubstange am Tauchrohr der Gabel ab.

Die Geometrie der Gesamtkonstruktion soll so ausgelegt sein, dass die Anti-Dive-Wirkung mit zunehmenden Einfederweg abnimmt. Damit ist zu Beginn der Bremsung der maximale Anti-Dive-Effekt abrufbar. Taucht die Gabel weiter ein, reduziert sich der Effekt, so dass die Gabel ihren Feder- und Dämpfungsaufgaben vollumfänglich nachkommen kann und den Grip am Vorderrad sichert. Durch den einfachen Austausch verschiedener Komponenten oder die Verschiebung des Anlenkpunkts an der Gabel lässt sich die Systemcharakteristik beeinflussen.

Die Darstellung des Systems in der Patentschrift deutet auf einen möglichen Einsatz in der MotoGP oder anderen Rennserien hin. Später könnte das Anti-Dive-System auch an Serienmotorrädern auftauchen, wenn es überhaupt kommt.