BMW kann auch hübsch und fürs Herz: Seit 2014 betört die BMW R nineT Freunde des puristischen Genussfahrens. Tipps und Tipps für den Gebrauchtkauf des Retro-Bikes.
BMW kann auch hübsch und fürs Herz: Seit 2014 betört die BMW R nineT Freunde des puristischen Genussfahrens. Tipps und Tipps für den Gebrauchtkauf des Retro-Bikes.
Wortspielereien, am besten in Kombination mit Fremdsprachen und verspielter Nutzung der Groß- und Kleinschreibung, gehen selten gut. Manchmal gehen sie sogar richtig schief: nineT – „nein, Tee“; „nie nett“? Nur gut, dass das so ziemlich der einzige echte Fehlgriff war, den sich die BMW-Verantwortlichen beim Gestalten ihres Geburtstagsgeschenkes zum 90. Jubiläum erlaubten. Der Rest gelang richtig gut. Gerüchte besagen, dass in Vorbereitung der Feierlichkeiten sogar die viele Jahrzehnte lang verwaiste Designabteilung wiederbelebt wurde. Hatte man doch zuvor den Eindruck, dass seit dem Abschied des legendären Hans A. Muth (R 90 S, R 100 RS) in den frühen 80er-Jahren der Designjob von den Maschinenbauern in Personalunion miterledigt werden musste. Wie auch immer: Die BMW R nineT knallte ab Präsentation durch die Decke
Blindbestellungen, Zahlung des vollen Listenpreises, elendig lange Lieferzeiten – wann gab es das zuletzt bei BMW? Das Erfolgsrezept war vermutlich, dass die BMW R nineT-Macher Purismus nicht mit Retro verwechselten. Retro allein klappt nämlich eher nicht. Hübsche, aber etwas müde und blutleere Zitate wie die Kawasaki W 650 oder die Triumph Thruxton sind dafür kaufmännisch abschreckende Beispiele.
BMW war so schlau, für die BMW R nineT nicht nur zu zitieren, sondern einen Stilmix aus dem Best-of verschiedener Motorradepochen mit einem potenten Motor zu kombinieren und das Ganze so schnörkellos wie irgend möglich zu gestalten. Fette Upside-down-Gabel, üppige 320er-Bremsscheiben mit Brembo-Monoblock-Zangen, dazu die letzte Ausbaustufe des luftgekühlten und göttlich tönenden dohc-Boxermotors sowie jede Menge liebevoll gemachter Details – die BMW R nineT ist eben nicht retro, sie ist einfach nur wunderbar pur. Gut drei Jahre nach Markteinführung wechseln nun die ersten Exemplare des Bestsellers als Gebrauchte den Besitzer. Und das zu immer noch recht heftigen Preisen – und trotz des ziemlich merkwürdigen Namens.
Hohe Nachfrage, stabile Preise, geringe Standzeiten – gebrauchte BMW R nineT sind des Verkäufers Lieblinge. Auch Vorführer und ehemalige Mietmaschinen finden schnell Interessenten.
Niedriges Preisniveau
Der Begriff „niedrig“ ist in diesem Zusammenhang natürlich sehr relativ, aber mit etwas Glück ist eine weitab der Ballungszentren stehende und mit vielen Kilometern (alles über 10.000 km) antretende 2014er-BMW R nineT schon für unter 12.000 Euro zu bekommen.
Mittleres Preisniveau
Unter 10.000, teilweise sogar unter 5.000 Kilometer sind in dieser Preisliga üblich, nahezu alle stammen aus Erstbesitz. Kleinere Umbauten (Blinker, Spiegel, Höcker) sind durchaus zu finden, entsprechende Angebote liegen dann aber meist schon über 13.000 Euro.
Hohes Preisniveau
Hier tummeln sich sehr viele Vorführer mit geringer Laufleistung und umfangreichere Umbauten, die auch selten mehr als 5.000 Kilometer auf der Uhr haben. Ab 15.000 Euro wird die Luft für Verkäufer dann sehr dünn, realistisch nur für top gemachte Extrem-Umbauten.
Helge Schröder (42), Serviceleiter beim Hamburger BMW-Original Stüdemann, über Kunden, Umbauten und Reifen.
MOTORRAD: Was unterscheidet eure R nineT-Kunden von der übrigen BMW-Kundschaft?
Helge Schröder: Das sind welche, die richtig Lust darauf haben, ihr Motorrad umzubauen und über das hauseigene Zubehörprogramm hinaus zu individualisieren. Das gab’s in diesem Maße bei BMW zuvor noch nie. Und wenn unsere übrige Kundschaft meist Motorräder für die große Tour haben will, suchen R nineT-Fahrer einfach mal etwas Nettes fürs Herz und die Sonntagabendrunde.
MOTORRAD: Was haben eure R nineT-Kunden zuvor gefahren?
Helge Schröder: Viele sind klassische Boxer-Liebhaber mit reichlich BMW-Erfahrung. Die Übrigen sind meist Café Racer-Fans, die von Fremdfabrikaten und dabei auffällig oft von Triumph kommen.
MOTORRAD: Welche Klamotten sind Pflicht, wenn die Jungs bei dir am Tresen stehen?
Helge Schröder: Klare Sache: Jeans, Lederjacke und Halbschale.
MOTORRAD: Stichwort Umbauten: Lassen R nineT-Fahrer schrauben, oder sind sie Selbermacher? Und was wird überhaupt am liebsten umgebaut?
Helge Schröder: Hälfte/Hälfte. Und Heckumbauten sind mit Abstand am beliebtesten. Entweder einfach nur der Alu-Höcker oder aufwendiger von Schnitzer, Wunderlich und wie sie alle heißen. Das Lackieren von Teilen – natürlich in Schwarz – wird auch gern gemacht: zum Beispiel die Ventildeckel schwarz pulvern und den anfangs grauen Endantrieb schwarz machen.
MOTORRAD: Welche Umbauten sind technisch sinnvoll?
Helge Schröder: Das Fahrwerk ist ja nun für engagiertes Angasen – nun ja – eher durchwachsen. Wer es wirklich wissen will, bekommt zum Beispiel mit dem Touratech-Fahrwerk etwas ganz Feines. Kostet komplett rund 3200 Euro, ist aber auch echt richtig lecker.
MOTORRAD: Wo wir gerade beim Fahrwerk sind: Was sagt der Serviceleiter zum Thema Reifen?
Helge Schröder: Die meisten Kunden sind mit dem Metzeler Roadtec Z8 zufrieden. Ich empfehle aber den Pirelli Angel GT, damit legt die R nineT noch mal deutlich bei der Kurvenstabilität zu.
MOTORRAD: Dein Besichtigungstipp?
Helge Schröder: Achtet auf Schrammen am vorderen Rahmen. Es ist nämlich fast unmöglich, den Tank schrammenfrei allein abzubauen, um z. B. an die Batterie zu kommen. Wir machen das in der Werkstatt immer zu zweit und kleben den Rahmen vorher ab. Und achtet beim Heckumbau auf eine funktionierende Elektrik, da gibt‘s manchmal Probleme.
Tests in MOTORRAD:
23/2013 (V), 4/2014 (FB), 7/2014 (VT), 8/2014 (VT), 17/2014 (VT), 17/2015 (VT), 16 + 17/ 2016 (VT), 20/2016 (VT), 21/2016 (VT)
V = Vorstellung, FB = Fahrbericht, VT = Vergleichstest;
Internet:
Fansites: www.ninet-forum.de, www.ninetowners.com (englisch), Gebrauchtangebote: www.motorradonline.de/rnineT_kaufen
Literatur:
Modellspezifische Literatur ist noch Mangelware, die enge Verwandtschaft zur R 1200 GS bzw. R 1200 R macht aber den 2013 erschienenen 304-Seiten-Wälzer von Delius Klasing über die dohc-Vierventil-Boxer empfehlenswert (ISBN 978-3768853521, 29,90 Euro). Auch okay: der Technik-Sonderband 6012 von Bucheli für 34,90 Euro (ISBN 978-3716821480).
Honda CB 1100
Spielend leicht zu handhabende Hommage an selige CB Four-Zeiten, perfekt für entspanntes Landstraßen-Cruisen. Technische Daten: Vierzylinder-Reihenmotor, 1.140 cm³, 90 PS, 249 kg, 0–100 km/h in 4,2 sek, Vmax 180 km/h, Verbrauch 4,3 Liter, ab 6.700 Euro
Moto Guzzi V7 Racer
Statt Leistung gibt’s jede Menge Charisma und wunderschön gemachte Details. Handlicher Hingucker für Genussfahrer. Technische Daten: Zweizylinder-V-Motor, 744 cm³, 48 PS, 199 kg, 0–100 km/h in 6,1 sek, Vmax 155 km/h, Verbrauch 4,3 Liter, ab 6.300 Euro
Yamaha XJR 1300
Seit 1999 das Original und eine Wuchtbrumme in bester Big Bike-Tradition. Druckvoller Motor und attraktive Preise. Technische Daten: Vierzylinder-Reihenmotor, 1251 cm³, 98 PS, 251 kg, 0–100 km/h in 3,4 sek, Vmax 213 km/h, Verbrauch 5,9 Liter, ab 5.000 Euro (Mj. 2007)
Triumph Thruxton
Bildschöne Bonneville im Trainingsanzug, die in Sachen Druck und Sound recht zahm agiert. Blender? Welch hässliches Wort … Technische Daten: Zweizylinder-Reihenmotor, 865 cm³, 69 PS, 231 kg, 0–100 km/h in 4,9 sek, Vmax 200 km/h, Verbrauch 4,9 Liter, ab 6.500 Euro
BMW R nineT (Modelljahr 2014)
Motor: Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, geregelter Katalysator, hydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan.
Bohrung x Hub 101,0 x 73,0 mm, Hubraum 1.170 cm³, Nennleistung 81 kW (110 PS) bei 7.750/min, Max. Drehmoment 119 Nm bei 6.000/min
Fahrwerk: Tragender Motor-Getriebe-Verbund aus Stahl, Upside-down-Gabel, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten, ABS. Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17, Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Maße + Gewicht: Radstand 1.476 mm, Lenkkopfwinkel 64,5 Grad, Nachlauf 103 mm, Federweg vorn/hinten 120/120 mm, Sitzhöhe* 800 mm, Gewicht vollgetankt* 222 kg, Tankinhalt 18 Liter.
Messungen: (MOTORRAD 7/2014)
Höchstgeschwindigkeit** 217 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h 3,3 sek
Durchzug 60–100 km/h 3,3 sek
Verbrauch 5,3 l/100 km (Landstraße)
* MOTORRAD-Messungen; ** Herstellerangabe