Die Sechser-Ypse ist das kompromissloseste Supersport-Wetzeisen. Dies gilt gerade für die Modelle ab 2006, die im Alltag Leidensfähigkeit einfordern. Wie schlägt sie sich als Gebrauchte?
Die Sechser-Ypse ist das kompromissloseste Supersport-Wetzeisen. Dies gilt gerade für die Modelle ab 2006, die im Alltag Leidensfähigkeit einfordern. Wie schlägt sie sich als Gebrauchte?
Als 1999 die erste R6 als Nachfolgerin der im direkten Vergleich eher pummelig daherkommenden Thundercat das Licht der (Rennstrecken-)Welt erblickte, stockte nicht nur der Fachwelt der Atem. Versprach doch der Prospekt stramme 120 PS bei irrwitzigen 15000 Umdrehungen. Wohlgemerkt nicht als handgestricktes Racebike mit einer Lebenserwartung von wenigen 100 Kilometern, sondern mit TÜV, mit Leise und mit Lebensdauer. Die Praxis sah zwar ein wenig anders aus (siehe Kasten S. 61), beeindruckend waren und sind die erreichten Werte aber bis heute. Die hier behandelten Versionen mit Einspritzung ab Modelljahr 2003 näherten sich den Prospektdaten im Lauf der Weiterentwicklung zwar an, konnten jedoch die Drehzahlen zumindest im Serientrimm bis heute nicht erreichen. Die grundsätzliche Frage indes bleibt stets dieselbe: Kann ein derart hochdrehendes Triebwerk auf Dauer halten, zumal fünfstellige Drehzahlen im Fahrbetrieb häufig vorkommen? Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: es kann. Und es wird, sofern man einige Grundsätze befolgt.
2003 bis 2005
Man muss es ganz klar sagen, für den Alltagsbetrieb ist die erste Einspritz-R6 die bessere Wahl. Die komfortable Sitzposition traut man dem Supersportler gar nicht zu, und der Motor bietet zumindest einen Hauch von Durchzugskraft. Für die flotte Runde auf der Landstraße taugt auch die Fahrwerksabstimmung. Für den Kringel-Betrieb ist insbesondere die Telegabel der Modelljahre 2003 und 2004 zu soft ausgelegt. Zudem stehen die Tele-gabel-Modelle von Haus aus vorne auf Reifen mit 60er-Querschnitt.
Den Handling-Vorteilen dieses Formats steht aber ein kippeliges und unharmonisches Einlenkverhalten gegenüber. Mittlerweile gibt es aber von fast allen Reifenherstellern Freigaben für aktuelle Gummis mit 70er-Querschnitt. Damit der Reifen nicht streift, muss der Kotflügel höher gelegt werden. Mit der -Umstellung auf Upside-down-Gabel samt strafferer Abstimmung war auch das Reifenthema passé.
Daneben waren die Vergrößerung des Drosselklappendurchmessers von 38 auf 40 mm, eine radiale Handbremspumpe sowie größere vordere Bremsscheiben die wichtigsten Änderungen. Für alle R6-Modelle gibt es jede Menge Zubehör, beileibe nicht alles ist sinnvoll. Für den Gebraucht-Interessenten ist eine genaue Besichtigung wichtig. Gerne werden etwa Carbon-Rahmenschützer erst nach dem Besuch eines Kiesbetts angebracht, und beileibe nicht jeder Zubehör-Auspuff hat TÜV. Das Originalrohr sollte in jedem Fall zum Lieferumfang gehören, um Stress bei der Abgasuntersuchung zu vermeiden.
Zu den quasi Pflicht-Umbauten gehören weiterhin Mini-Blinker und verkürzte Kennzeichenhalter. Hohe Laufleistungen müssen bei einer R6 kein Hinderungsgrund sein, vorausgesetzt das Bike wurde regelmäßig gewartet, mit hochwertigem Öl befüllt und einigermaßen behutsam warm gefahren. An der R6 wird gerne gebaut und gebastelt, das beweist ein Blick in das entsprechende Forum.
Bei www.r6club.de wird auf Hunderten Seiten und Tausenden von Beiträgen jedes erdenkliche Thema behandelt, wobei die Qualität der Fragen und Antworten ein sehr breites Spektrum hat. Für Interessenten, die lieber Fahren als Schrauben heißt das: Je originaler und scheckheftgepflegter das avisierte Objekt ist, desto besser. Interessantes Detail am Rande: Auch die Vorstellung der radikalen Nachfolgerin 2006 tat der Beliebtheit der „Alten“ keinen Abbruch. Unter der Bezeichnung R6S blieb sie bis 2009 im Programm.
2006 bis heute
Einem Donnerschlag gleich betrat 2006 eine komplett neu entwickelte R6 die Bühne. Im direkten Vergleich wirkte die Vorgängerin wie Oprah Winfrey zu Halle Berry. Kompromisslos für die Renne gebaut, Alltagstauglichkeit spielt keine Rolle. Mit einem ultrakurzen Hub von 42,5 mm, Titanventilen, einer Einspritzung mit zwei Düsen pro Zylinder und Anti-Hopping-Kupplung legte der Vierzylinder die Messlatte auf eine bis dato unbekannte Höhe. 2008 kamen in der Länge variable Ansaugtrichter sowie ein Rahmenheck aus Magnesium hinzu.
Bei weit über 14000 Umdrehungen drückten die verschiedenen Testmotorräder stets über 120 PS auf die Rolle. Und trotzdem: Der Motor hält. Egal ob Wolfgang Hester (www.motorrad-hester.de), seit Jahren im Yamaha R6-Cup unterwegs, Dominik Klein (www.motorradklein.de), gern gesehener Teilnehmer beim PS-TunerGP, oder Stefan Harms vom erfolgreich in der IDM aktiven Tuner SKM (www.skm-moto.de), alle stoßen ins selbe Horn: Die R6 ist zuverlässig, auch wenn sie oft und viel auf der Rennpiste hergenommen wird.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Bei 2006er-Modellen mündete die Kombination aus hohem Lagerspiel, minderwertigem Öl und hohen Drehzahlen gleich nach dem Kaltstart in einigen Fällen in Pleuellagerschäden. Aufgrund des hohen Drehzahlniveaus und den daraus resultierenden Belastungen der einzelnen Bauteile hat die Sorgfalt beim Schrauben am R6-Antrieb einen weit größeren Einfluss auf die Zuverlässigkeit als bei weniger hoch drehenden Motoren. Dennoch, bei Laufleistungen ab 40000 Kilometern, so Harms, ist gerne mal die Kupplung am Ende und der Ventiltrieb reif für eine Revision. Andererseits fährt im Kundenstamm von Hester eine ungeöffnete R6 mit 80 000 Kilometern auf der Uhr bis heute bei Renntrainings mit.
Wer nicht gerade auf dem Niveau des Vorderfelds des R6-Cups fährt, kommt mit dem Serienfahrwerk prima klar. Wem die Gabel dennoch zu soft agiert, von Öhlins gibt es einen Umbaukit. Entsprechend ihrer Auslegung wird die R6 oft und gerne artgerecht bewegt, was gelegentliche Ausrutscher mit einschließt. Zudem werden Cup-Motorräder nach Saisonende oft zurückgerüstet und im Straßentrimm verkauft. Eine beleg- oder zumindest nachvollziehbare Historie ist bei einer R6 kein Fehler.
Auch im Guten schlummert noch Potenzial: In den PS-Ausgaben 10 und 11/ 2007 wurde im Tune-up das beste Zubehör für das Wetzeisen ermittelt. Neben Auspuffen, Federbeinen und Gabelumbauten wurden auch die damals aktuellen Reifen sowie Lenkungsdämpfer und Nachrüstverkleidungen auf Herz und Nieren geprüft.
Kein Tune-up hingegen braucht es, um herauszufinden, dass die originale Heckleuchten/Nummernschild-Einheit nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Bei nahezu allen Angeboten, die zum Zeitpunkt der Recherche zu finden waren, war der Halter modifiziert, während nur ungefähr die Hälfte der Offerten einen anderen Auspuff trägt. Was nicht weiter wundert. Das Original ist schon laut, und legal mehr Leistung schaffen nur die Tüten von Akrapovic, BOS und Devil. Noch ein Tipp für Racer, die einen zweiten Radsatz benötigen: Die Räder (nicht die Bremsscheiben) aller Einspritz-R6 sowie der FZ-6 OHNE ABS sind identisch und untereinander austauschbar.
Alle Gebrauchtangebote: Yamaha YZF-R6
Nicht kleckern, klotzen: Bereits die erste R6 war ein kompromissloser Racer, vollmundig versprach der Prospekt 120 PS bei 15500 Umdrehungen. In der Praxis blieben auf dem Prüfstand davon rund 110 Pferde bei 12000 Touren übrig. 2005 gab es den nächsten Aufschlag: Ein komplett neues Bike mit Einspritzmotor ging auf Kunden- und Zeitenjagd. Die Werksangaben wurden auf realistischere 117 PS bei 13000 Touren korrigiert. Auf der Rolle blieb es je nach Tagesform und Serienstreuung stets bei rund 110 PS. Seit 2006 gibt es die heute noch aktuelle Form. Mit gemessenen 126 PS bei 14400 Umdrehungen kommt die 2008er-R6 der Papierform (129 PS bei 14500/min) sehr nahe. Das Drehvermögen der R6 ist irrsinniger (und geiler!) denn je. Danke Herr Yamaha für diesen Motor.
Yamaha YZF-R6 Modell 2003 (RJ05)
Antrieb
Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 86 kW (117 PS) bei 13000/min*, 66 Nm bei 12000/min*, 599 cm³, Bohrung/Hub: 65,5/44,5 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,4:1, Zünd-/Einspritzanlage, 38-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopf-winkel: 66 Grad, Nachlauf: 99 mm, Radstand: 1380 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Fe-der-basis, Zug- und Druckstufe. Zentral-federbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druck-stufe. Federweg vorn/hinten: 120/120 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Guss-räder 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/60 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, Erstbereifung: Michelin Pilot Sport, Sonderkennung N(v)/B(h), 298-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten
Maße und Gewicht
Länge/Breite/Höhe: 2025/690/1090 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 820/875 mm, Lenkerbreite: 640 mm, 189 kg vollgetankt, v./h.: 50,6/49,4 %
Hinterradleistung im letzten Gang
73,8 kW (100 PS) bei 229 km/h
Sturz- und Verschleißteile
Bremshebel: 75,40 Euro
Kupplungshebel: 43,01 Euro
Lenkerstummel inkl. Gewicht: 263,18 Euro
Auspuffendtopf: 1051,15 Euro
Fußrastenanlage (rechte Seite): 105,08 Euro
Bremsscheibe vorn (eine Seite): 131,64 Euro
Bremsbeläge (je Sattel): 40,06 Euro
Frontverkleidung komplett: 2543,99 Euro
Heckverkleidung komplett: 423,06 Euro
Verkaufte Einheiten 5426 Stück (Quelle Yamaha)
Gebrauchtpreise Baujahr 2003 bis 2005
Mittlere Laufleistung: 15000 Kilometer
Durchschnittspreis: 5200 Euro
Mittlere Laufleistung: 25000 Kilometer
Durchschnittspreis: 4500 Euro
Yamaha YZF-R6 Modell 2008 (RJ15)
Antrieb
Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 95 kW (129 PS) bei 14500/min*, 66 Nm bei 11000/min*, 599 cm³, Bohrung/Hub: 67,0/42,5 mm, Verdichtungsverhältnis: 13,1:1, Zünd-/Einspritzanlage, 45-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopf-winkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 97 mm, Radstand: 1380 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 41 mm, einstellbar in Fe-der-basis, Zug- und Druckstufe, Lenkungsdämpfer. Schubstange. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druck-stufe. Federweg vorn/hinten: 115/120 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Guss-räder 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, Erstbereifung: Bridgestone BT-016, 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 210-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht
Länge/Breite/Höhe: 2040/705/1100 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 830/810 mm, Lenkerbreite: 685 mm, 192 kg vollgetankt, v./h.: 52,3/47,7 %
Hinterradleistung im letzten Gang
85 kW (116 PS) bei 241 km/h
Sturz- und Verschleißteile
Bremshebel: 41,26 Euro
Kupplungshebel: 43,01Euro
Lenkerstummel inkl. Gewicht: 197,66 Euro
Auspuffendtopf: 883,31 Euro
Fußrastenanlage (rechts): 148,80 Euro
Bremsscheibe vorn (eine Seite): 165,76 Euro
Bremsbeläge (je Sattel): 44,41 Euro
Frontverkleidung komplett: 2145,00 Euro
Heckverkleidung komplett: 233,02 Euro
Verkaufte Einheiten 6663 Stück (Quelle Yamaha bis 8/11)
Gebrauchtpreise Baujahr 2006 bis 2009
Mittlere Laufleistung: 15000 Kilometer
Durchschnittspreis: 6500 Euro
Mittlere Laufleistung: 25000 Kilometer
Durchschnittspreis: 5800 Euro