Bevor es losgeht: Natürlich sollte sich dein Motorrad immer in einem technisch einwandfreien Zustand befinden. Mängel an Bremsen, Reifen oder Fahrwerk werden schnell lebensgefährlich, egal wo du unterwegs bist. Eine Tour in die Dolomiten will aber noch besser vorbereitet sein als die Hausstreckenrunde, denn hier wird das Material besonders hart rangenommen. Vor dem Start solltest du dein Bike unbedingt genau prüfen und Teile, die während des Trips die Verschleißgrenze erreichen könnten, erneuern lassen. Unterwegs ist Ersatz meist nur mit einiger Wartezeit zu bekommen. Absolutes Vertrauen in das Material sorgt außerdem für die nötige Gelassenheit, um die Dolomiten sorgenfrei genießen zu können.

Beladung: Allein, zu zweit, mit oder ohne Koffer? Je schwerer wir unser Bike bepacken, desto tiefer sackt das Heck ab. Die Folgen: indifferentes Fahrverhalten und geringe Schräglagenfreiheit. Im besten Fall kann das Niveau des Federbeins elektronisch oder per Handrad wieder angehoben werden, oft muss dafür ein Hakenschlüssel her. Die Mühe lohnt sich aber.
Hebel: Für eine schnelle Reaktion im Notfall müssen alle Hebel gut erreichbar sein. Über die jeweilige Klemmung am Lenker sollte ihre Neigung so angepasst werden, dass Hand und Unterarm beim Ziehen des Brems- oder Kupplungshebels eine Linie bilden. Bei der Einstellung der Griffweite darauf achten, dass der Bremshebel mit allen Fingern erreichbar ist.
Reifen: Die gesetzliche Mindestprofiltiefe beträgt zwar 1,6 Millimeter – für die Alpentour ist das aber zu wenig. Fast abgefahrene oder alte Reifen deshalb vor Reisebeginn wechseln lassen. Das Geburtsdatum des Reifens findest du auf der Flanke. 0119 bedeutet zum Beispiel "1. Woche 2019". Auch der passende Luftdruck sollte regelmäßig kontrolliert werden.
Bremse: Scheiben und Beläge auf Verschleiß prüfen und nötigenfalls wechseln lassen. Frische Bremsflüssigkeit empfehlen wir in jedem Fall. Wenn sie zu alt ist, führt das zu einer mit steigender Temperatur stark abfallenden Bremsleistung. Bei den vielen langen Passabfahrten in den Dolomiten mit hoher Belastung für die Bremsen wäre das fatal.
Kehren sicher meistern
Die klassische Linie: Spitzkehren der Dolomiten sind keine gewöhnlichen Kurven. Vor allem rechtsherum sind einige von ihnen so eng, dass man geneigt ist, anzuhalten und zu rangieren. Auf der klassischen Linie ist es daher hier und da schwierig, rund um die Ecken zu zirkeln. Die klassische Linie bedeutet leichtes Ausholen am Kurveneingang, ohne dabei auf die Gegenfahrbahn zu geraten (auf engen Straßen ist das nur schwer vermeidbar), um dann im richtigen Moment einzulenken und die gesamte Kurve in der Mitte der eigenen Fahrbahnhälfte zu durchfahren. Auch wenn sie nicht der dynamischste Weg ist, eine Kurve zu durchfahren, lässt die klassische Linie jederzeit Raum für Korrekturen nach innen und außen und hält uns vom Gegenverkehr fern.

Die gefährliche Linie: Der Tatsache, dass die links eingezeichnete Linie gefährlich wird, sind wir uns beim Einfahren in die Kurve meist noch gar nicht bewusst. Sie ergibt sich zwangsläufig aus einem Fahrfehler: dem zu frühen Einlenken. Dadurch sind wir noch vor dem eigentlichen Kurvenscheitelpunkt am inneren Fahrbahnrand und werden schon bei mäßiger Geschwindigkeit von dort aus nach außen getragen. Am Kurvenausgang landen wir dann zwangsläufig auf der Gegenfahrbahn. Diese Linie ist selten geplant und einfach zu vermeiden: Kehren nicht von innen anfahren und ganz bewusst erst spät einlenken. Wenn das aufgrund von Gegenverkehr unmöglich ist, lieber bremsen und langsam durch diese Kehre rollen. Es folgen noch genügend weitere.


Die alternative Linie: Das Prinzip des Hinterschneidens ist noch aus der Fahrschule bekannt. Auf Kehren ist es gleichermaßen anzuwenden, was bedeutet: Außen anfahren, spät einlenken und erst hinter dem Scheitelpunkt dicht am inneren Fahrbahnrand sein. Wir empfehlen bei engen Rechtskehren zusätzlich, die Gegenfahrbahn – wenn möglich – zum Ausholen zu nutzen. Gegenverkehr ist auf Serpentinenstraßen oft schon sehr früh zu erkennen, weshalb bei freier Fahrbahn die volle Breite genutzt werden kann. Am Kurvenausgang ergeben sich dadurch bei gleicher Geschwindigkeit Reserven zur Korrektur nach innen. Achtung: Bei schlechter Sicht auf die Fahrbahn hinter der Kehre unbedingt auf der eigenen Fahrspur bleiben! Sicher ist sicher.
Die richtige Blickführung
"Guckst du scheiße, fährst du scheiße", lautet eine bekannte Regel der Blickführung. Dabei ist es in der Theorie doch ganz einfach: In den Kurven stets weit nach vorne schauen, den Kurvenausgang so früh wie möglich anvisieren und den Kopf für einen gerade gerückten Horizont leicht schräg zum Körper halten. Diese Grundlagen der Blickführung gelten in den Dolomiten genauso wie auf jeder Landstraße und klingen wie immer fast schon zu einfach – in den Alpen fordern sie aber besondere Konzentration. Verschmutzte Flecken auf dem Asphalt und Geröllbrocken am Fahrbahnrand ziehen den Blick nämlich geradezu magisch an. Unsicherheit über die Gripverhältnisse lenkt ihn zusätzlich nach unten bis kurz vors Vorderrad. Gefährlich, denn bei einer Geschwindigkeit von nur 50 km/h beträgt allein der Reaktionsweg 14 Meter. Wir müssen den Blickmagneten also widerstehen und den Kopf oben halten, um uns Zeit für Ausweich- und Bremsmanöver zu verschaffen. So weit, so unbesonders.

In den Dolomiten begegnen uns aber zusätzlich zwei Arten von Kurven, in denen die klassische Blickführung an ihre Grenzen stößt: Spitzkehren und uneinsehbare Kurven. Spitz darf gerne wörtlich genommen werden, vor allem bei Rechtskehren. Meist ist der Gegenverkehr bei Serpentinen schon lange vorher sichtbar, denn er kommt uns schon vor der Kehre wenige Meter höher oder tiefer entgegen. Ein Seitenblick zur Fahrbahn "hinter" der Kehre sollte daher zur Kurvenvorbereitung gehören.
In uneinsehbaren Kurven versagt die klassische Blickführung. Entlang vieler Felswände in den Dolomiten ist es unmöglich, den Kurvenausgang zu sehen, Kurvenverlauf und Gegenverkehr werden zur Überraschung. Neben gedrosseltem Tempo hilft es hier zusätzlich, das Motorrad in Schräglage zu drücken und den Kopf möglichst weit nach außen zu strecken.