Kawasakis Kardanmodell GT 550 war keine Märchenfee - sie überzeugte durch innere Qualitäten. Als zuverlässige Alltags-Maschine oder mit Packtaschen als bequeme Tourenmaschine tut sie auch heute noch ihren Dienst.
Kawasakis Kardanmodell GT 550 war keine Märchenfee - sie überzeugte durch innere Qualitäten. Als zuverlässige Alltags-Maschine oder mit Packtaschen als bequeme Tourenmaschine tut sie auch heute noch ihren Dienst.
Frei nach dem Motto »Reisen statt Rasen rundeten die Kawasaki-Techniker 1983 mit der GT 550 ihr Tourerprogramm nach unten ab. Als Antrieb diente ein modifizierter Motor der sportlichen GPZ 550, dem eine Drehmomentkur verabreicht worden war. Und zwar in Form zweier zahmer Nockenwellen, die den maximalen Gasdurchsatz durch geringeren Ventilhub und kleinere Öffnungswinkel verringerten, und einer reduzierten Verdichtung. Außerdem sorgte anstelle des 27-Millimeter-Vergaserquartetts der GPZ eine 26-Millimeter-Version für die Gemischaufbereitung.
Um den Tourencharakter des auf versicherungsgünstige 50 PS gedrosselten Reihenvierzylinders weiter zu unterstreichen, spendierten die Konstrukteure dem GT-Motor einen Ölkühler. Das Ganze wurde in einen konventionellen Doppelschleifen-Rohrrahmen gepackt und mit einem Kardanantrieb gepaart, der den hinteren Federweg auf 105 Millimeter beschränkt. GPZ-Schnickschnack wie mechanisches Antidive am 19-Zoll-Vorderrad erhielt die GT nicht, dafür verwöhnt ihr Cockpit den Fahrer mit Voltmeter und neckisch bunten LED-Lämpchen - sei es als Warnhinweis für Seitenständer, Batteriesäurestand oder aber als Tankanzeige. Letztere geht jedoch meist nach dem Mond und mahnt bereits bei halbvollem Tank zum Auffüllen des 22,5-Liter-Spritbehälters.
Ansonsten glänzt das als Alleskönner konzipierte Motorrad durch puren Pragmatismus. Die Telegabel, selbstverständlich mit Faltenbälgen, und die hinteren Federbeine sind luftunterstützt, die Sitzbank ist wunderbar bequem, und eine Gepäckbrücke gehörte zur Grundausstattung.
Um die trotz ihrer 221 Kilogramm recht handliche Maschine ordentlich zu verzögern, pressen vorn zwei Schwimmsättel ihre Beläge gegen gelochte Scheiben - unterstützt von einer Trommelbremse mit Verschleißanzeige im Hinterrad. »Sie fährt sich spielerisch leicht, lobt Tester Michl Koch 1983 im ersten MOTORRAD-Fahrbericht das damals 7199 Mark teure Bike, kritisiert aber gleichzeitig den Seitenständer, der die Schräglagenfreiheit bei sportlich flotter Fahrweise in Linkskurven beeinträchtigt. Damit der Seitenständer beim Losfahren nicht vergessen wird, wurde der Kupplungszug kurzerhand geteilt und klappt den Ständer bei der ersten Kupplungsbetätigung nach oben.
Auf das Modell G1, mit schwarzem Motor und goldlackierten Felgen, folgte 1984 die G2-Version mit verchromter Vier-in-Zwei-Auspuffanlage anstatt der mattschwarzen des Vorjahres. Die Zündverstellung arbeitete fortan elektronisch, der Zündzeitpunkt wurde geringfügig verändert. Ab der G4, die seit 1987 ausgeliefert wurde, erhielt die GT 550 vier Keihin-Vergaser mit je 30 Millimeter Durchlaß statt der 26er Teikei. Doch am schlechten Kaltstartverhalten änderte sich dadurch nichts. Noch immer jubelte der Vierzylinder bei gezogenem Choke entweder bis 4000 Touren hoch oder starb sofort wieder ab, wenn die Kaltstarthilfe zu früh zurückgenommen wurde. Aufgrund der mageren Einstellung gab es vereinzelt Probleme mit Kolbenklemmern. Betroffen sind dabei eher die Modelle mit Keihin-Vergaser, die mit 110er Hauptdüsen bestückt sind, während die Teikei-Vergaser größere 120er Düsen beherbergen.
Seit 1987 gibt es die GT 550 für Einsteiger auch auf 27 PS gedrosselt - wozu lediglich der Vergaserquerschnitt auf 13 Millimeter verengt wird. 1989 beließ der deutsche Importeur den Mittelklasse-Allrounder zum letzten Mal im Verkaufsprogramm, während die GT 550 als Modell G9 in Großbritannien noch heute neu angeboten wird - für sage und schreibe umgerechnet 14000 Mark. Kurierdienste in London und Manchester bestellen ganze Flotten dieser Arbeitspferde, um die inzwischen in die Jahre gekommenen Honda CX 500-Modelle abzulösen. Hierzulande bekam man bis Ende 1997 noch neue GT 550 als G8 mit 60 PS aus den Niederlanden bei Zweirad Weber in Straubenhardt bei Karlsruhe, Telefon 07082/20999. Neueinsteiger können dort ihre GT 550 auf 34 PS drosseln lassen. Kosten mit Einbau und TÜV-Eintrag: 300 Mark. In den GT 550 ab Baujahr 1991 arbeitet ein auf Kardanantrieb umgerüstetes Zephyr-Aggregat. Die äußeren Kennzeichen sind: Motornummer (KZ 550 FE anstatt KZ 550 FG), ein abgerundeter Ventildeckel und ein neuer Kupplungsdeckel. Die letzte Änderung der britischen G9-Modelle war eine Vergaservorwärmung gegen Vereisen bei extremer Kälte.
Und wie lange hält eine GT? In den Händen eines Motorradkuriers, weiß Ian Williams vom britischen Kurierfahrzeugverleih Mikes Bikes, ist jede GT 550 nach spätestens zwei Jahren fix und fertig. Im Klartext heißt das: mindestens 100000 Kilometer bei maximaler Beanspruchung. Bei guter Pflege hält die Kawasaki also sicher eine Ewigkeit. Fahrzeuge mit sechsstelligen Laufleistungen sind auch in Deutschland keine Seltenheit - das zeigen die Leserbriefe. Immerhin rund 7000 zugelassene GT 550 gibt es hierzulande noch, was für ihre Zuverlässigkeit spricht.
Interessenten sollten sich von den lauten Motor-Geräuschen nicht abschrecken lassen. Laute Triebwerke müssen nicht zwingend in Kürze die Flügel strecken, denn meist liegt die Lärmursache in rasselnden Steuerketten und zu großem Ventilspiel. Der Spanneinrichtung der Steuerkette kann mit einem fünf Millimeter längeren Spannstift und verstärkten Federn von Louis, Telefon 040/73419360, für zusammen rund 20 Mark auf die Sprünge geholfen werden. Manchmal genügt es auch, die beiden Schrägen der Spannstifte sauber zu ebnen und ihre Flächen plan abzuziehen.
Alte GT-Hasen verwenden statt der serienmäßigen 8er Zündkerzen DR 9 ES mit einem höheren Wärmewert und schwören bei rutschender Kupplung auf Kupplungsfedern der GPZ 900. Teuer wirds, wenn die beiden hinteren, gekoppelten Federbeine undicht sind. Es sei denn, der Besitzer verzichtet auf die Luftunterstützung und wählt als Ersatz Dämpfer von Koni, die nur die Hälfte der Originalen kosten. Exemplare des britischen Herstellers Hagon sind noch ein paar Mark günstiger, zu beziehen über die Firma Wilbers Products, Telefon 05921/6057.
Wer seine GT 550 noch tourentauglicher machen möchte und im Zubehörhandel nicht mehr fündig wird, ist bei Zweirad-Weber, Humboldstraße 39, in 75334 Straubenhardt-Cornweiler an der richtigen Adresse. Dort lagern neben rahmenfesten, lackierten Verkleidungen noch passende Kofferhalter für alle gängigen Packsysteme.
Sie sieht zwar altbacken aus, doch alle Leser loben die Wirtschaftlichkeit ihrer GT nach dem Motto: »Prima leben und fahren«.
Meine GT kaufte ich 1995 für 7990 Mark neu. Probleme gabs anfangs mit der Tankuhr-Geber-Dichtung und einem undichten Ventildeckel. Der fehlerhaft verlegte Kabelbaum zum Rücklicht wurde durch das einfedernde Hinterrad durchgescheuert und verursachte einen Kurzschluß. Bei Kilometerstand 25000 wurde der Wellendichtring des Kardanantriebs undicht, woraufhin sich das Öl auf dem Hinterreifen verteilte. Mit der Zeit fingen die Schalldämpfer an zu gammeln und rappelten etwas. Meine Empfehlung: Vier-in-eins von Motad, kerniger Sound, preiswert und mit EG-ABE.Ralf Römer, NeulußheimMit Tachostand 38600 erstand ich habe meine Marie (EZ 4/1984) Anfang 1991, inklusive Keim-Halbschale und Koffer. Nach 18000 Kilometern in der 27-PS-Version begann der Motor zu klingeln und war weder mit verbleitem Super-Benzin noch mit Ventil- oder Vergasereinstellung zu beruhigen. Also wurde Marie entdrosselt - und siehe da, das Glöckchen im Motor verschwand. Weitere 30000 Kilometer später wurden Spiegler-Stahlflexleitungen eingebaut. Nachdem sich der Original-Auspuff verabschiedete, besorgte ich die Vier-in-eins-Variante von BSM für 659 Mark. Hört sich gut an, tut der Leistung keinen Abbruch, hält aber nicht so gut: Die Innereien lösen sich nach kurzer Zeit. Mittlerweile zeigt der Tacho 153237 Kilometer, und liegengeblieben bin ich mit meiner Marie noch nie.Bernd Kretschmer, Vaihingen-Aurich/DresdenWir besitzen seit 1995 eine GT 550, Baujahr 1986. Direkt nach dem Kauf bewährte sich das Motorrad bei einem pannenfreien 4000-Kilometer-Schweden-Urlaub. Bei zirka 40000 Kilometern setzten wir einen verstärkten Steuerkettenspanner von Louis ein, der die Laufgeräusche des Nockenwellenantriebs deutlich verringerte. Nachteilig ist die Neigung zum Lenkerschlagen bei hoher Beladung. Um das Kawasaki-typische schlechte Kaltstartverhalten zu verbessern, haben wir einen Tip: Herausdrehen der Gemisch-Regulierschrauben an den Vergasern um drei Umdrehungen - dies verbessert zusätzlich bei warmem Motor die Gasannahme im unteren Drehzahlbereich.Katrin Harsdorf & Martin Szibalski, HeuchelheimIm April 1997 kaufte ich meine Kawasaki GT 550 mit einem Kilometerstand von 24500. Die Drosselung auf 1a-taugliche 34 PS verschlang 250 Mark. Trotz der antiquiert wirkenden Optik und des hohen Gewichts habe ich den Kauf nicht bereut. Ein günstiger Verbrauch von rund 4,5 bis fünf Litern und geringe Wartungskosten sind starke Pluspunkte. Die einzigen Reparaturen waren bislang die Reinigung des Vergasers und der Austausch des Benzinhahns. Als Extra-Zubehör spendierte ich dem Motorrad ein analoges Ölthermometer.Martin Lüning, Essen100 MARK TIPDas Los hat entschieden: die 100 Mark erhält Frank Globke aus Lindlar
Stärken
Robuster, durchzugstarker Motor
Wartungsarmer Kardanantrieb
Langstreckentauglich, bequeme Sitzposition
Schwächen
Schlechte Kaltstart-Eigenschaften
Dämpfung unzureichend
Lauter Motor, rauher Lauf
MotorLuftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor mit Ölkühler, zwei obenliegende Nockenwellen, je zwei über Tassenstößel betätigte Ventile pro Zylinder, Verdichtung 9,5:1, max. Drehmoment 46 Nm bei 7000/min, vier Teikei-Vergaser, Æ 26 mm, kontaktlose Transistorzündung, Batterie 12 V/12 Ah, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes Sechsganggetriebe, E-Starter, Sekundärantrieb über Kardanwelle.Bohrung x Hub 58 x 52,4 mmHubraum 553 cm3Nennleistung 50 PS (37kW) bei 8500/minFahrwerkDoppelschleifenrohrrahmen, luftunterstützte Telegabel vorn, zwei luftunterstützte Federbeine hinten, zwei hydraulisch betätigte Schwimmsattel-Scheibenbremsen vorn, Æ 270 Millimeter, Trommelbremse hinten, Æ 180 Millimeter.Federweg vorn/hinten 160/105 mmMaße und GewichteLenkkopfwinkel 62 GradNachlauf 107 mmRadstand 1475 mmSitzhöhe 770 mmTankinhalt/Reserve 21,5/3,5 LiterGewicht vollgetankt 221 kg Zul. Gesamtgewicht 415 kgTestwerteHöchstgeschwindigkeitSolo/mit Sozius 162/154 km/hBeschleunigung 0-100 km/hSolo 6,0 sekVerbrauch 6,3 Liter Normal-BenzinErsatzteil-PreiseSturzteileKupplungshebel 22 MarkBlinker vorn 63 MarkTachometer 361 MarkDrehzahlmesser mit Voltmeter 448 MarkGabelstandrohr 213 MarkVorderrad 1000 MarkAuspuffanlage komplett 2127 MarkTank, lackiert 1096 MarkRahmen komplett 1506 MarkFederbeine (Paar) 1133 MarkVerschleißteileBremsbeläge vorn, ein Satz 57 MarkKupplungsscheiben, Satz 114 MarkBremsscheibe vorn 346 MarkLuftfilter 40 MarkAnlasser 542 MarkTest in Motorrad1Fahrbericht 3/1983Vergleichstest 2/1986Test 27 PS-Drosselversion 8/1989ReifenVorn Hinten100/90-19 57 H 120/90-18 65 Hkeine MarkenbindungModellpflege1983 G1: schwarzes Motorgehäuse und Auspuff, goldene Räder, vier 26 Millimeter-Teikei-Vergaser1984 G2: elektronische Zündverstellung, geänderter Zündzeitpunkt, verchromter Auspuff, schwarze Räder1986 G3: Getriebe leicht abgeändert1987 G4: vier 30-Millimeter-Keihin-Vergaser1989 G5: geänderte Vergaserbatterie1991 G7/G8: Zephyr-Motor1994 G9 (nur GB): Vergaservorwärmung gegen VereisenSchwacke-Gebrauchtpreise1983 bis 1987: 1500 bis 2300 Mark1988: 2350 Mark (31500 Kilometer)1989: 2600 Mark (23100 Kilometer)1990: 2800 Mark (14700 Kilometer)
Erfahrungen gesucht
Für den Gebrauchtkauf in MOTORRAD sind Lesererfahrungen eine wichtige Informationsquelle. Wenn Sie also etwas über aufgetretene Schäden, Reifentips und Zubehör an einem der unten aufgelisteten Motorräder zu berichten haben, schreiben Sie bitte an: Redaktion MOTORRAD, Stichwort Gebrauchtkauf, Postfach, 70162 Stuttgart. Vergessen Sie nicht, Baujahr und Kilometerstand Ihres Fahrzeugs anzugeben, und legen Sie wenn möglich ein Foto von sich und Ihrem Motorrad bei. Der beste Schraubertip wird mit 100 Mark honoriert - gibts nichts zu verbessern, entscheidet das Los.