Gebrauchtberatung Kawasaki ZXR 750

Gebrauchtberatung Kawasaki ZXR 750 Sound-Maschine

In der Musik- und Modebranche werden schon jetzt die Neunziger wiederbelebt. Die ZXR 750 hat als Gebrauchte ebenfalls Revival-Qualitäten: Als kultige Sportlerin mit aggressivem Styling ist sie besonders für kostenbewusste Superbike-Fans ein Hit.

Sound-Maschine Dentges

Harry Scholz schwelgt in der Vergangenheit wie jemand, der von einer besseren Welt erzählt. Die Vergangenheit liegt gerade mal 14 Jahre zurück: Als 18-Jähriger fuhr er mit seiner klapprigen Zweitakt-250er beim Kawasaki-Händler vor und erblickte im Schaufenster eine nagelneue Kawasaki ZXR 750, Modell H2. »Das Teil war der Knaller, mein absoluter Traum
von einem Sportmotorrad. Der Sound, unglaublich, den bekäme ein aktueller Sportler nur mit höchst illegalem Race-Topf hin«, erklärt er. Harry nahm damals die H2
mit nach Hause. Na ja, nicht ganz. Aber zumindest in Form eines Werbepro-
spekts vom Hersteller. Denn 15000 Mark für eine Neumaschine hatte er 1990
nicht. Der Traum von einer Sportmaschine
musste warten.
Den Prospekt hat er noch heute. Einsortiert in einem Ordner mit dem Original-Werkstatthandbuch für die ZXR 750, Fotos sowie ausgeschnittenen Testberichten aus diversen Motorrad-Zeitschriften. Harry ist bekennender H2-Fan. Aber warum will er dann seine erst vor kurzem erworbene ZXR 750, Baujahr 1990, loswerden? Wollen trifft’s nicht ganz. Harry schaut zu seiner Frau und dem knapp einjährigen Kind. »Wir haben im März zwei Gebrauchte gekauft, die ZXR und eine 600er-Monster. Eigentlich wollte ich die Kawasaki perfekt aufarbeiten, aber ich komm’ nicht zum Basteln. Die Ducati bleibt als Alltagsfahrzeug, und die ZXR muss aus Zeitmangel leider gehen«, erklärt der viel beschäftigte Kfz-Mechaniker und Händler für Motorroller.
Vor knapp einem halben Jahr hat er den grün-blau-weißen Straßenrenner erworben – laut Harry die einzig gültige Farbkombination, denn nur in dieser Lackierung komme der Superbike-Spirit der frühen Neunziger richtig rüber. Bei ihm ist die Maschine rund 2000 Kilometer gelaufen und stand meist in der Garage.
Das Motorrad befindet sich in einem recht ordentlichen Zustand. Bis auf verschiedene Aufkleber von Zubehörfirmen, die auf der Vollverkleidung prangen, ist der ursprüngliche Zustand erhalten, allerdings sind der Schalldämpfer und die goldenen Original-Lenkerenden leicht verkratzt. Er selbst hätte keinen Sturz gehabt, versichert Harry, aber er gehe davon aus, dass bei einem der drei Vorbesitzer das Motorrad schon mal auf der Seite lag. Anzeichen für einen größeren Unfall sind jedoch nicht zu erkennen. Kratzer am Rahmen, die bei einer unsachgemäßen Demontage des Tanks oder durch reibende Metallschnallen von einem Tankrucksack entstanden sein könnten, trüben das Bild. An der Verkleidung sind kleine Risse an den Bohrungen für die Halteschrauben sowie kleinere Schäden mit Spachtelmasse ausgebessert. Die Risse sind an-
gesichts der Laufleistung von über 70000 Kilometern und den nicht unbeträchtlichen Vibrationen der ZXR jedoch nicht ungewöhnlich und als normale Gebrauchsspuren zu verbuchen.
Um die H2 wieder in einen Top-Zustand zu versetzen, bedarf es wahrscheinlich einiger neuer Lackteile und viel Detailarbeit. Die Kratzer im Rahmen verschwänden nur bei einer großzügigen, eintragungspflichtigen Politur. Wer mit den kleinen Mängeln und der hohen Laufleistung leben kann, bekommt für den bereits am Telefon von 2200 auf 2000 Euro heruntergesetzten Kaufpreis ein nettes Spielzeug zum sportlichen Straßenfegen in einem vergleichsweise guten Zustand.
Harry wird die ZXR, wenn auch schweren Herzens, loswerden. Ein Mann aus dem polnischen Krakau will die Maschine haben. Falls der Deal platzt, gäbe es noch andere Interessenten. Von seiner Sammelmappe und dem Prospekt der H2 trennt sich Harry nicht, auch wenn die Kawasaki weg ist und vorerst kein Ersatz geplant ist. Denn eines steht für ihn fest: Eine
Neumaschine kommt nicht ins Haus. »Die Neuen sind seelenlos und im wahrsten Sinne des Wortes ohne Ecken und Kanten. Nein, wenn ich wieder was Sportliches für mich kaufen möchte, dann wird’s wieder eine ZXR 750«, konstatiert der 31-Jährige, der mittlerweile schon sechs Gebrauchte von dieser Sorte besessen hat. Eine H2 sollte es dann sein, Kilometer egal, aber diesmal in einem Zustand wie aus dem Prospekt. Eine, die keine zeitraubende Renovierungsarbeit benötigt. Vielleicht steht ja noch irgendwo eine ZXR im
absoluten Originalzustand vergessen rum. Dann wäre, ist sich Harry sicher, in der Garage doch genügend Platz für zwei Motorräder.

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Modellübersicht - Kawasaki ZXR 750

Modellgeschichte
Hightech zum Dumpingpreis – mit diesem Ruf kam 1989 die ZXR 750 als preisgünstiger Vollblut-Racer (15000 Mark) für jedermann auf den Markt. Und ließ sich über den Rennkurs scheuchen wie die aufwendiger ausgestatteten Honda VFR 750 R, bekannter unter der legendären Typbezeichnung RC 30, Yamaha FZR 750 R und Suzuki GSX-R 750 R. Während für diese speziellen Racing-Versionen zwischen 24000 und 36000 Mark geblecht wurden, ging die Grüne
für 15000 Mark weg. Vorbildlicher Geradeauslauf
und tadellose Zielgenauigkeit, dazu ein kraftvoller,
elastischer Motor mit 107 PS in der offenen Version. Die anvisierte Sportfahrer-Klientel war begeistert. Heute allerdings erscheint das Gewicht von rund 230 Kilogramm recht stattlich.
Um sich in der Modellgeschichte der ZXR zurechtzufinden, sollte man das Alphabet zumindest von H bis M beherrschen: Die erste ZXR hieß H1, wurde 1989 angeboten und litt unter Kinderkrankheiten wie ver-
zogenen Bremsscheiben, undichten Gabeldichtringen und einem rissanfälligen Auspuff. Ein Jahr darauf kam die modellgepflegte, gewichts- und fahrwerksoptimierte H2, die bis heute bei den Fans sehr hoch im Kurs steht.
Der Motor von H1 und H2 basierte auf dem Triebwerk der GPX 750 R, wobei der Zylinderkopf eine komplette Neukonstruktion war. Der J1 verpassten die Ingenieure ein Jahr später, 1991, einen komplett neuen Motor und ein äußerst straffes Fahrwerk mit Alu-Brückenrahmen ohne Unterzügen und einer Upside-down-Gabel. Im gleichen Jahr erschien eine 121 PS starke »RR«-Version, die intern unter der Typbezeichnung ZX 750 K lief.
Auf K folgt L: Die L1 kommt 1993, ist alltagstauglicher, und die fragwürdige »Staudruckbelüftung der Motoroberseite« (so nennt Kawasaki die vom Rest der Welt als Staubsaugerschläuche betitelten Luftschläuche oberhalb des Tanks) entfällt. Die Schläuche hatten technisch zwar keinen Sinn, verliehen der ZXR aber ein martialisches Aussehen und wurden deshalb von eingefleischten Fans vermisst, obwohl der Sportler statt dessen erstmals in der Motorradgeschichte ein Ram-Air-System besaß.
Alternativ zur L wurde 1993 erneut eine Race-Version (ZX 750 M) angeboten. Bis 1995 blieb die ZXR 750 im Programm und wurde dann von der nicht minder sportlichen ZX-7R abgelöst. Heute sind von den ursprünglich mehr als 12000 verkauften ZXR noch rund 8000 Fahrzeuge zugelassen.
Marktsituation
»Die ZXR 750 ist ein Kamikaze-Moped und so wird sie leider auch oft behandelt«, erklärt ein bayerischer Kawasaki-Händler und unterstreicht damit die Schwierigkeit, eine gebrauchte ZXR in gutem Zustand zu
finden. Häufig sind es verkratzte oder auf der Rennstrecke malträtierte Maschinen, die zum Verkauf angeboten werden. Interesse an solchen Offerten zeigen meist jüngere Fahrer, die für kleines Geld großes Superbike-Feeling erwerben wollen und Schönheitsfehler locker verkraften.
Entsprechende Angebote ab rund 1500 Euro finden sich allerdings nur auf dem Privatmarkt, denn kaum ein Händler mag für eine geschundene Gebrauchtmaschine die Gewährleistung übernehmen. Von Privat ist für 2000 bis 2500 Euro eine gut erhaltene, trotz des Alters aber immer noch sehr beliebte H oder J einfach zu bekommen, genügend Anzeigen sind jedenfalls im Internet und in Kleinanzeigenteilen von Zeitungen zu finden. Die üblichen Laufleistungen bewegen sich zwischen 35000 und 60000 Kilometern, nur wenige Fahrzeuge haben weniger als 30000 Kilometer auf der Uhr. Das ist auch bei den L-Modellen ab Baujahr 1993 kaum anders, die ab etwa 3000 Euro gehandelt werden.
»Kamikaze-Moped«, das meint der besagte Händler durchaus positiv, denn kaum eine andere 750er aus dieser Zeit versprühte so viel, fast schon Angst erregenden Sportsgeist. Besonders 30- bis 40-Jährige suchen, davon angeregt, heute nach möglichst original erhaltenen Fahrzeugen als Liebhaberstück, sozusa-
gen nach einem »Young-Young-Timer«. Serienmäßige Exemplare sind indes selten. Tauchen sie auf,
sind sie im Verkaufsraum der Gebrauchthändler gerne
gesehen und verweilen dort meist nur kurz. Unter
3000 Euro geht beim Händler jedoch wenig, auf dem
Privatmarkt sind sie ein paar hundert Euro günstiger. Die »RR«-Versionen (Modell K und M) sind in einwandfreiem Zustand noch stärker gefragt und werden entsprechend höher gehandelt.
Vereinzelt werden Umbauten mit dem 150 PS starken Motor einer ZX-9R angeboten, teilweise mit Eintrag im Fahrzeugbrief. Generell gilt für aufwendige Tune-up-Bikes, die eigentlich für die Rennstrecke gedacht sind: Der Preis richtet sich nach dem Gesamtzustand und dem Wert der Anbauteile, liegt für liebevoll verwandelte Race-ZXR aber im Regelfall um die 3500 Euro. Ganz anders Streetfighter-Umbauten: Sie sind schwer zu verkaufen und dementsprechend günstiger als Fahrzeuge mit möglichst vielen Originalteilen.
Besichtigung
Die ZXR 750 gilt als unproblematisches Motorrad mit wenigen typischen Schwächen. Kinderkrank-
heiten wie undichte Gabelsimmerringe des ersten H-Modells sind wahrscheinlich schon längst von einem der Vorbesitzer geheilt worden. Und so prüft man die Dichtigkeit: Die Gabel ein paar Mal kräftig einfedern, anschließend sollte bei einem Fühltest am vorher
trockenen Tauchrohr kein Öl am Finger haften. Den Gesamtzustand der Maschine beurteilt man durch eine ausgiebige Inaugenscheinnahme (Zustand von Verschleißteilen wie Kettensatz, Bremsbelägen oder Reifen; außerdem unter der Vollverkleidung schauen, ob irgendwo Öl aus dem Motor austritt) und eine Probefahrt. Der Motor sollte spontan anspringen, das Gas sauber annehmen und rund laufen. Deutlich vernehmbare mechanische Geräusche sind ein schlechtes Zeichen. Ist zum Beispiel im Leerlauf oder beim Gasgeben ein stärkeres Rasseln zu hören, könnte dies auf eine verschlissene Steuerkette hinweisen. Außerdem sollte man bei der Probefahrt prüfen, ob die Kupplung sauber trennt und die Gänge gut einrasten.
Bei besonders sportlichen Vorbesitzern ist die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass die ZXR irgendwann Kontakt mit dem Asphalt hatte. Spuren von einem Umfaller oder einem kleinen Rutscher sind bei
entsprechend günstigen Offerten kein Ausschlusskriterium für den Kauf. Vorausgesetzt, der Verkäufer schildert genau, was passiert ist. Eventuell kann man auch die Vorbesitzer anrufen und sich bei ihnen nach Stürzen oder vorherigen Rennstreckeneinsätzen erkundigen. Mit einer anderen Lackierung oder verdächtig neuen Lackteilen könnte unter Umständen ein Sturz kaschiert worden sein, also Vorsicht! Ebenso bei einem polierten Rahmen, mit dem eventuell Kratzspuren weggebügelt wurden. Außerdem muss ein polierter Rahmen eingetragen sein, sonst erlischt die Betriebserlaubnis.
Zubehörteile wie hochwertige Federbeine (für J-
Modelle: White Power, Telefon 05924/7836-0; für L-Modelle: Öhlins, Telefon 08669/848-200) oder modifizierte Umlenkhebel, die sich bewährt haben (Team Métisse, Telefon 07191/302030 oder LSL, Telefon 02151/555915) sind positiv anzurechnen. Freunde von Original-ZXR und interessanten Umbauten treffen sich zum Benzinplausch im Internet unter www.zxr750.de. Vor dem Kauf oder der Besichtigung einer Gebrauchten empfiehlt sich ohnehin ein Besuch auf der sehr informativen Homepage.

Technische Daten - Kawasaki ZXR 750

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene
Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, keine Abgasreinigung, vier Gleichdruckvergaser, Ø 38 mm, Transistorzündung, Lichtmaschine 430 Watt, Batterie 12 V/8 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 74 x 47,3 mm
Hubraum 749 cm³
Verdichtungsverhältnis 11,5:1
Nennleistung 74 kW (100 PS) bei 11 000/min
Max. Drehmoment 73 Nm bei 8800/min

Fahrwerk Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Alu-
minium, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 230 mm, Zweikolben-Festsattel. Alu-Gussräder 3.50-17; 5.50-17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße und Gewichte: Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 99 mm, Federweg v/h 120/135 mm, Sitzhöhe 780 mm, Gewicht vollgetankt 237 kg, Zuladung 178 kg, Tankinhalt/Reserve 18/5 Liter.

messungen
(MOTORRAD 4/1994)

Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit 245 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h 3,4 sek
0-160 km/h 7,9 sek
Durchzug
60–140 km/h 12,8 sek
60-180 km/h 20,2 sek

Verbrauch
4,4 bis 8,1 l/100 km, Normalbenzin

Modellpflege - Kawasaki ZXR 750

1989 Markteinführung der ZX 750 H1

1990Typ ZX 750 H2: mit 38er- statt 36er-Vergasern, modifizierten Gabeldichtringen und anderen Bremsbelägen, zwecks Gewichtsersparnis dünnere Wandstärke des Rahmens und leichtere Schwinge

1991Motor und Fahrwerk sind bei der jetzt
unter ZX 750 J1 geführten Kawasaki neu konstruiert. Unterzüge am Rahmen fallen weg, Motor selbsttragend, Schlepphebel statt Tassenstößel, Upside-down- statt Telegabel und härtere Abstimmung des Zentralfederbeins, Reifenbreite hinten wächst von 170 auf 180
Millimeter. Einführung der straßenzugelassenen, aber
wenig alltagsfreundlichen ZXR 750 RR (ZX 750 K)
mit Flachschiebervergasern, Rennübersetzung und
Einmannhöcker als Grundlage für eine reinrassige
Rennmaschine

1993 Die ZX 750 L1 bekommt einen Motor
auf Basis der RR mit Ram-Air-System. Neues
Rahmendesign und Fahrwerks-Modifikationen.
Parallel erscheint eine neue RR-Version (ZX 750 M)

Tests in MOTORRAD - Kawasaki ZXR 750

4/1994 (VT), 8/1993 (VT), 23/1992 (T), 11/1992 (VT), 10/1992 (T), 8/1992 (VT). 11/991 (VT), 10/1991 (T), 19/1990 (LT), 9/1990 (T), 16/1989 (VT), 7/1989 (VT), 5/1989 (T)

T=Test, VT=Vergleichstest, LT=Langstreckentest;
*Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229

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