Das Leben der Yamaha XT 550 war - aus produktionstechnischer Sicht - kurz. Bereits ein Jahr nach ihrem Erscheinen kam die Ténéré mit auf volle 600 cm³ aufgebohrtem Motor und dem Riesentank, 1984 löste die normale XT 600 die 550er endgültig ab. Mit Abverkäufen bis 1989 brachte es die XT 550 auf 2777 Exemplare in Deutschland, von denen heute immerhin noch rund 2000 Stück zugelassen sind.
Gegenüber der konventionellen XT 500 hatte Yamaha den Nachfolger sowohl motorisch als auch fahrwerkseitig kräftig aufgerüstet. Das Einzylinder-Triebwerk erhielt einen Vierventil-Zyinderkopf mit - erstmals bei Yamaha - zwei Vergasern in Registeranordung. Links sorgt ein Schiebervergaser mit Kaltstartanreicherung für Elastizität bis zum mittleren Drehzahlbereich, dann schaltet sich gleichdruckgesteuert das zweite Exemplar zu. Eine Ausgleichswelle minimierte die typische Einzylinder-Ruppigkeit auf ein Minimum. Das Fahrwerk mit der Cantilever genannten Dreiecksschwinge mit direkt angelenktem Federbein im Heck aus den Geländewettbewerbs-Modellen bot nicht nur deutlich mehr Federweg, sondern sparte auch Gewicht: Die XT 550 wog zehn Kilogramm weniger als die XT 500.
Doch leider hatten es die Yamaha-Designer verpaßt, diesem Urmodell der ungeheuer erfolgreichen Nachfolgerin XT 600 ein entsprechendes Äußeres mit auf den Weg zu geben. Mit der in Deutschland ausschließlich angebotenen weißen Lackierung und dem filigran wirkenden Cantilever-Dreieck wirkte die neue Kreation eher wie ein noch nicht ganz fertiger Eigenbau. Crosser hatten zur gleichen Zeit bereits Hinterradfederungen mit progressiven Hebelsystemen.
Wie fährt sich die 145 Kilogramm leichte Maschine heute? MOTORRAD konnte ein Exemplar mit 63000 Kilometer auf dem Tacho probefahren. Trotz eines halben Jahres Standzeit springt der Motor auf den dritten Tritt an, nimmt spontan Gas an und läuft sofort rund. Der erste Gang rastet überraschend leise ein. Schon auf den ersten Metern fällt auf, daß der montierte Metzeler Enduro 1-Reifen sich in Kurven anfühlt, als habe er zu wenig Luft. Auch beim Abbremsen bis zum Stand sind das Abrollgeräusch des moderaten Geländeprofils und die leicht unruhig werdenden Lenkerenden zunächst gewöhnungsbedürtig. Der Motor zieht ruckfrei auch schon unter 2000/min los, benimmt sich ziviler als das 600er Triebwerk in der Enduro- oder Straßenversion (SRX 6) und wirkt elastischer. Obenraus dreht der 550er zwar willig, doch über Tempo 120 km/h im fünften Gang legt er nur noch zögerlich zu.
Das Fahrwerk wirkt bei hohen Geschwindigkeiten einigermaßen flattrig, die Bewegungen der Federelemente hektisch, aber immerhin für den Straßenbetrieb ausreichend gedämpft. Weniger ausreichend ist dagegen die winzige Trommelbremse im Vorderrad, die zwar sensibel anspricht, aber auch gegenüber älteren Scheibenbremsen-Konstruktionen in Sachen Standfestigkeit und Verzögerung nicht mehr Stand der Technik ist. Ebenfalls antiquiert wirken die winzigen Instrumente für Tempo- und Drehzahlanzeige, irritierend auch die ausgeprägte Pendelneigung der Tachonadel.
Überraschend vom heutigen Standpunkt ist die Handlichkeit und Wendigkeit des Fahrwerks, und der (in den ersten vier Gängen) ungemein lebendige Motor macht einen soliden, standfesten Eindruck. Zumal der Besitzer vertrauenerweckend bestätigt, daß Kolben, Zylinder und Getriebe im Originalzustand sind.
Auch im Gelände wußte die leichte, wendige Maschine durchaus zu überzeugen. Als Reise-Enduro allerdings war sie weniger geeignet. Mit ihrem nur knapp über elf Liter fassendem Tank zwingt einen die XT 550 trotz geringen Verbrauchs von knapp fünf Litern auf 100 Kilometer alle 200 Kilometer zum Stopp. Ein Rucksack findet auf der zerklüfteten Tankoberfläche kaum Platz, ohne den Fahrer zu stören. Und das Reisen zu zweit wird wegen der direkt an der Schwinge befestigten Sozius-Fußrasten und der kurzen Sitzbank schnell zur Tortur.
Größtes Manko der XT 550 ist aber zweifelsohne die völlig ungenügende Wirkung der Trommelbremse vorn. Umbauten auf den kompletten Vorderbau der XT 600 mit Scheibenbremse (Vorderrad, Standrohre, Gabelbrücken) sind möglich, lohnen aber wohl nur dann, wenn man auf günstige Gebrauchtteile zurückgreifen und den Umbau selbst durchführen kann. Vorsicht: Eintragungspflicht.
Das Federbein der Cantilever-Konstruktion, das der abstrahlenden Hitze des Motor ausgesetzt ist, macht im Gelände schnell schlapp. Die Firma Wunderlich (Telefon 02641/97900), auf XT-Verbesserungen spezialisiert, bietet für 800 Mark soliden Ersatz von White Power. Auch Austauschfedern für die Telegabel sind dort für zirka 160 Mark erhältlich. Mit diesen Maßnahmen wird vor allen Dingen die fürs Gelände zu weiche Serienabstimmung gestrafft. Außerdem verringert sich das lästige Eintauchen der Telegabel beim Bremsen. Wenn sich die Prallbleche im Original-Auspufftopf losgeschüttelt haben und Ersatz fällig ist, greifen preisbewußte Fahrer zu Sebring (zirka 360 Mark mit Gutachten) statt zum Original ( 471 Mark).
Motoraussetzer bei 4000/min bei den ersten XT 550 waren auf eine zu kleine Hauptdüse im rechten Vergaser zurückzuführen. Yamaha modifizierte das Schwimmergehäuse und die Düsengröße im Rahmen der Garantie. Bei ähnlichen Symptomen heute ist die CDI-Einheit für die Zündung verantwortlich. Vibrationen und wenig Kühlung zerstörten das Teil auch an der Langstreckenmaschine (MOTORRAD 9/1983). Kosten: 596 Mark.
Führerscheinneulinge, die nur die gedrosselte Version mit 27 PS fahren dürfen, sollten sich gleich nach dieser umschauen. Denn eine Leistungsreduzierung ist nur mit einer anderen Nockenwelle möglich, die allein schon 180 Mark kostet. Mit anderen Düsen und einem Umbau (und Eintragung) beim Händler kommen gut und gerne noch mal mindestens 350 Mark hinzu.
In der Schwacke-Liste werden XT 550-Gebrauchtpreise gar nicht mehr aufgeführt. Wer eine sucht, muß je nach Zustand und Tachostand (zwischen 30000 und 50000 Kilometer) mit Preisen zwischen 1000 und 1500 Mark rechnen. Denn obwohl die XT 550 äußerlich nicht der große Bringer war, hängen ihre Besitzer wie die Kletten an ihr.
Lesererfahrungen - Yamaha XT 550
XT 550-Fahrer/innen sind über das Graumaus-Image ihres Untersatzes erhaben. Denn sie wissen die Qualitäten in Sachen Zuverlässigkeit und leichter Manövrierbarkeit ihrer Maschine zu schätzen.
Meine XT 550 ist Baujahr 1983 und hat 96000 Kilometer auf dem Tacho. Bereift habe ich sie mit dem Metzeler Enduro 1 vorn und 2 hinten. Das ist wohl der beste Kompromiß zwischen Straße und leichtem Gelände. Für mehr Off Road kann ich den Barum C11 Stone King empfehlen. Bei 50000 Kilometern ging die CDI-Einheit kaputt. Da sie in Kunststoff eingegossen ist, erübrigt sich ein Kühlblech, allerdings sollte man die CDI-Einheit gegen zu große Vibrationen auf Moosgummi setzen; hält bei mir jetzt auch schon wieder fast 50 000 Kilometer. Als der Auspuff hin war, ersetze ich ihn durch einen von Sebring. Vorteile: leichter, mehr Drehmoment und damit besserer Durchzug. Mein Tip: die ständige Pflege des Öldruckventils im Kupplungsdeckel. Wenn die Dichtung ausgehärtet ist, kann der exakte Ölstand kaum festgestellt werden und der Verschleiß im Zylinderkopf aus Ölmangel gravierend sein. Die Ölfüllmenge ist mit 1,9 Litern ja nicht gerade üppig. Das Teil bei der Firma Wunderlich (mit Kugel und Feder) kostet 13 Mark und verschleißt mit seinem weicheren Gummi nicht so schnell. Mein Motor hatte seine erste Überholung mit dem ersten Übermaßkolben erst bei 90000 Kilometern.Olaf Rübenach, Essen1987 kaufte ich meine XT 550 mit 28000 Kilometern. Bis 50000 kaum Ölverbrauch kaum meßbar, seitdem kontinuierlicher Anstieg von einem halben Liter Öl auf derzeit ( 100500 Kilomerter, erster Kolben) 1,1 Liter auf 1000 Kilometer. Mit knapp 90 000 Lagerschaden an der Kurbelwelle. Das zu schwach dimensionierte Kabel mit einem Millimeter Querschnitt im Kabelbaum wurde gegen einen 1,5er Draht ersetzt. Die Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit wurde durch konsequentes Einpacken aller zündungsrelevanten Stecker und zusätzliches Abdichten des Zündkerzensteckers mit Isolierband beseitigt. Der Anbau eines Acerbis-Africa-Tanks mit 30 Liter Fassungsvermögen erlaubt bei einem Verbrauch von 4,5 Liter/100 Kilometer eine Reichweite von 600 Kilometern. Eingebaut ist eine XT 600-Gabel (bei mir Typ 1 VJ, möglich ist allerdings nahezu die komplette XT/TT 600-Palette) wegen der völlig unzureichenden Wirkung der Original-Trommelbremse. Der Hauptständer von Götz ist ein Witz, total verbogen und kaum mehr funktionstüchtig. Ber Wunderlich gab es mal einen sehr guten, vielleicht hat ein XT 550-Besitzer einen übrig?Ulrike Gehrecke, JesenwangMeine schwarze XT 550 mit 18-Liter-Acerbis-Tank und Sebring-Topf kaufte ich mit 50000 Kilometern, bevor ich den Führerschein hatte. Die 27- PS-Drosselung mittles anderer Nockenwelle und Ansaugstutzen nahm ich selbst vor. Ein gebrochenes Kabel in der Lima-Wicklung war an einer plötzlichen Dunkelfahrt in der nächtlichen Schweiz schuld. Meine Idee, es einfach mit Löten zu versuchen, liegt jetzt helle 35000 Kilometer zurück. Gut gespart. Schlecht gespart aber beim Zubehör-Dichtsatz beim Umrüsten auf 38 PS: Der Motor war undicht, mein rechtes Bein voller Öl. Originaldichtungen lösten das Problem. Mit eingeschnittener Sitzmulde, runtergelassenem Federbein und ohne Luft in den Gabelholmen komme ich jetzt mit den Füßen bequemer auf den Boden. Beim Kuhle-Wampe-Test hat meine XT die hervorragende Note »Winzige Umweltsau« erhalten.Larissa Stallmeyer,Vettweiß Als ich meine XT 550 im Frühjahr 1988 für 1500 Mark mit 25000 Kilometern gekauft habe, gefiel sie mir anfangs überhaupt nicht. Auf zahlreichen Urlaubsfahrten mit Sozia innerhalb Europas und Nordafrika war sie stets eine treue Begleiterin, wenn man von der immer wieder auszutauschenden Tachowelle und dem anfälligen Kabelbaum absieht. Bei 60 000 Kilometern stand eine Motorrevision an, in deren Verlauf auch die Kurbelwelle und ein paar Getriebezahnräder ersetzt wurden. Zusätzlich habe ich ein Ölthermometer montiert. Davon ist jedoch allen Fahrern mit schwachen Nerven abzuraten, da die Thermometernadel im Sommer schon mal beängstigende Temperaturen anzeigen kann.Jörg-Dietrich Krohmer, Asperg
Technische Daten - Yamaha XT 550
Technische DatenMotorLuftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine obenliegende Nockenwelle, vier Ventile, eine Ausgleichswelle, Teikei-Register-Vergaser, 0 26 mm, Trockensumpfschmierung, Fünfganggetriebe, E-Starter.Hubraum 558 cm3Nennleistung 38 PS (28 kW) bei 6500/minFahrwerk Einschleifenrahmen, Telegabel, Dreiecks-Schwinge mit direkt angelenktem Federbein, Trommelbremse vorn und hinten, Reifengröße vorn 3.00 - 21, hinten 4.60 -18Federweg vorn/hinten 205/190 mmMaße und GewichteNachlauf 115 mmRadstand 1450 mmSitzhöhe 850 mmTankinhalt/Reserve 11,4/2 LiterGewicht vollgetankt 145 kgZul. Gesamtgewicht 340 kg TestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 149/136km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 5,7/7,7 sekVerbrauch 4,5 LiterKraftstoff Normal bleifrei Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungshebel 21 MarkLenker 68 MarkRückspiegel 29 MarkBlinker vorn 42 MarkTachometer 243 MarkGabelstandrohr 291 MarkSchutzblech vorn 67 MarkVorderrad 631 MarkAuspuff 471 MarkTank, lackiert 817 MarkVerschleißteileKettenkit 175 MarkKupplungsreibscheiben 205 MarkLuftfilter 44 MarkÖlfilter 15 MarkCDI-Einheit 596 MarkFederbein 497 Mark Stärken und SchwächenStärkenStandfester MotorLeichtes, handliches FahrwerkSchwächenUngenügende VorderradbremseFederbein läßt in Dämpfung nachSoziusfußrasten an Schwinge Test in MOTORRAD1Test 7/1982Vergleichstest 10/1982Langstreckentest 9/1983 Reifenfreigaben Typ 5 Y 3vorn hinten3.00 S 21 4.60 S 183.00-21 51R 4.00-18 64R AlternativbereifungInnerhalb der Seriengrößen keine ReifenbindungFußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.