Gebrauchtkauf
Husqvarna TE 510/610

Husqvarna dealt mit einer harten Droge, die schon viele Fans abhängig gemacht hat. Wer beim Gebrauchtkauf Fehler macht, für den kann die Hard-Enduro 610 TE jedoch zur echten Härteprüfung werden.

Soviel vorweg: An einer Husqvarna kann so ziemlich alles kaputtgehen. Ausgelaufene Pleuellager, abgerissene Ventile, geborstene Getrieberäder, durchgebrochene Rahmen, Risse in der Schwinge - die Liste der möglichen Schäden an den Viertakt-Huskys liest sich wie ein Horror-Szenario. Wie gesagt: All das kann, muß aber nicht passieren. Beim Kauf einer Gebrauchten heißt es daher mehr als bei allen anderen Motorrädern: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

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Daß die italienische Hard-Enduro an dieser Vielzahl von Gebrechen leidet, hat Gründe: Zum einen verleitet die brutale Leistung einfach dazu, das Potential voll auszukosten. Andererseits ist die Husky als reinrassige Off-Road-Rennmaschine konzipiert. Und wer mit solch einem Motorrad auf der Straße unterwegs ist, muß sich darüber im klaren sein, daß die Lebensdauer hochbelasteter Bauteile begrenzt ist. Von noch höherer Bedeutung als bei üblichen Gebrauchtmaschinen ist beim Kauf einer Husky aus zweiter oder dritter Hand daher die Vorgeschichte. Der Tachostand gibt bestenfalls eine grobe Orientierung. Entscheidend ist vielmehr, ob die Husqvarna überwiegend im Gelände oder auf der Straße eingesetzt wurde.

Ausschließliche oder überwiegende Off-Road-Vergangenheit belastet meistens weniger den Motor, um so mehr jedoch den Rest. Zu erkennen ist das in der Regel ganz einfach am malträtierten, weißen Lack der Unterzüge, der ohnehin nur recht oberflächlich aufgesprüht ist. Extrem beanspruchte Fahrwerke von beherzten Cross-Fahrern reagieren ab und zu mit Rißbildung. Beliebte Stellen: unterhalb des Steuerkopfs am unteren Ende des Verstärkungsblechs, am unteren Ende des dicken Zentralrohrs oberhalb des Motorblocks, außerdem am hinteren Ende des mittleren Verstärkungsrohrs unter dem Motor. Die Rahmen sind zudem schon von Haus aus übel zusammengebruzelt, manchmal liegt der Schweißautomat ein paar Millimeter daneben.

Crosser schweißen solche Risse gern im Do-it-yourself-Verfahren, was aber meist den nötigen Tausch (Ersatzteilpreis 1900 Mark) nur hinausschiebt. Teuer kommen auch verschlissene Lager in der Hebelei zu stehen. Diese können zwar vorbildlich mittels Schmierpresse gefettet werden, was wird aber von vielen Fans der schnellen Dampfstrahlwäsche vernachlässigt wird. Zur raschen Kontrolle reicht es, bei aufgebockter Maschine das Hinterrad anzuheben. Relativ preiswert ist hingegen eine optische Auffrischung mit neuen Plastikteilen. Optisch und fahrwerksmäßig einwandfrei präsentieren sich dem Interessenten meistens jene Huskys, die überwiegend auf der Straße als Alltags-Enduro, Lastesel oder Super Moto-Flitzer zweckentfremdet wurden.

Versteckt können hier allerdings Zeitbomben ticken - im wahren Wortsinn: Einem nur leise klapperndem Motor kann in kürzester Zeit der Exitus bevorstehen. Der Schwachpunkt ist die pumpenlose Schmierversorgung per Spritzöl. Hohe Drehzahlen über einen längeren Zeitraum führen zu Ölmangel und Überhitzung des unteren Pleuellagers. Besonders beim Kauf von Super Moto-Umbauten ist Vorsicht angebracht, diese können im Duell mit vierzylindrigen Superbikes auf der Landstraße regelrecht verheizt worden sein. Wer gute Ohren hat, kann bevorstehendes Unheil vielleicht rechtzeitig erahnen, dann steht »nur« der Tausch des Pleuels inklusive Lager an, was mit etwa 500 Mark plus Arbeitslohn zu Buche schlägt. Wer bis zum bitteren Ende weiterfährt, riskiert hohes Schmerzensgeld. Dann sind durch die Metallpartikel im Kurbelraum auch Nikasilzylinder (1500 Mark) und Kolben (600 Mark) fällig.

Anhand der Geräuschkulisse auf den Gesundheitszustand des Triebwerks zu schließen gelingt aber nur absoluten Experten. So manch eine übelst rasselnde Klapperkiste aus den achtziger Jahren erfreut sich noch eines langen Lebens, während vermeintlich gesund klingende Motoren urplötzlich den Geist aufgeben. Abgesehen vom Kurbeltrieb gab es je nach Baujahr weitere Problemzonen: Die Modelle 1990 und 1991 litten beispielsweise unter schwächlichen Kupplungen, die zudem nicht richtig trennen wollten. 1992 gab es vorübergehend Probleme mit abreißenden Ventilen. Beim 1995er Modell wurden die Kühler aufgrund eines geänderten Alulegierung beim Lieferanten gleich reihenweise undicht, woraufhin viele Motoren der Hitzekollaps ereilte. Erstaunlicherweise hielten die fast gleichen Kühler in der KTM LC 4, den derben Vibrationen der Husky waren sie aber nicht gewachsen.

Trotzdem schaffen einzelne Motorräder in der Hand kundiger Husky-Fahrer durchaus Laufleistungen von über 20 000 Kilometern. Bei extrem rüder Fahrweise können die Motoren auf der anderen Seite auch schon nach ein paar tausend Kilometern verrecken. Wichtig sind, da sind sich alle Husky-Kenner einig, neben der schonenden Behandlung auf langen Straßenetappen sehr kurze Ölwechsel-Intervalle. Trotz aller Geschichten um verendende Triebwerke lassen sich viele weder vom Neukauf noch vom Erwerb einer gebrauchten Husky abschrecken, die trotz kapitaler Schäden zufriedenen Leser zeugen von der Faszination der Italo-Enduros.

Das Preisniveau ist sogar hoch, da das Angebot in den letzten Jahren aufgrund der Schwierigkeiten im Mutterkonzern Cagiva knapp war und der Neupreis mittlerweile fast 14 000 Mark erreicht hat. Einjährige Husqvarnas in gutem Pflegezustand dürften nicht viel mehr als 10 000 Mark kosten. Erfeulich für Käufer neuer wie neuwertiger Maschinen: Der Wertverlust fällt für eine Geländemaschine erträglich aus. Kauftip: Die TE bis Baujahr 1991 ist weniger zu empfehlen, es sei denn, der Preis ist extrem niedrig. Interessant sind die Modelle mit der aktuellen Linienführung ab Baujahr 1992. Gut erhaltene 93er oder 94er sind nur mit Glück billig zu ergattern, unter 8000 Mark sind für ein einwandfreies Exemplar ein faires Angebot.

Wer vor den Preisen oder anfälliger Technik zurückschreckt, sollte einen Blick auf die Konkurrenz riskieren. Die KTM LC 4 ist robuster und besser verarbeitet, wirkt allerdings deutlich zahmer und schwerfälliger. Die Gebrauchtpreise liegen auf ähnlichem Niveau. Die 600er Husaberg ist praktisch nur als Rennmaschine einsetzbar und eher ein Exot. Billiger ist die Honda XR 600, aber die spielt in bezug auf Motor wie Fahrwerk in einer anderen Liga.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023