Die ungestüme Beschleunigung, ein abenteuerliches Fahrverhalten und der „Alles-oder-nichts“-Charakter machten die Kawasaki H1 zum Mythos. Wir lassen das ganz Wilde hier mal außen vor – und genießen einfach dieses perfekt restaurierte 1970er-Modell.
Die ungestüme Beschleunigung, ein abenteuerliches Fahrverhalten und der „Alles-oder-nichts“-Charakter machten die Kawasaki H1 zum Mythos. Wir lassen das ganz Wilde hier mal außen vor – und genießen einfach dieses perfekt restaurierte 1970er-Modell.
Eigentlich könnten wir uns jetzt so richtig in Klischees ergehen. Und wieder einmal über blitzartig steigende Vorderräder, ein heftig schlingerndes Wackelfahrwerk oder nahezu wirkungslose Bremsen schreiben. Über all den kleinen und großen Wahnsinn halt, mit dem die Kawasaki H1 seit 1969 die Motorradwelt in Atem hält.
Stattdessen wollen wir die Geschichte über unser Fotomodell diesmal jedoch von hinten beginnen. Und den Blick der Leser zunächst auf das Porträt lenken, das einen vor Freude strahlenden Herrn zeigt. Aus gutem Grund. Denn Andreas Mundt hat in unserem Studio seinen Jugendtraum in Empfang genommen. Ein magischer Moment. Weil selbst ein weniger enthusiastischer Kawasaki H1-Bewunderer wie unser Fotograf erkennen musste, dass so eine Dreizylinder-Kawasaki immer ein Hauch von Wahnsinn umgibt – in diesem Fall ein wahnsinniges Glück, an dem uns der 52-jährige Niedersachse Mundt teilhaben ließ.
Verantwortlich für diesen Gefühlsausbruch zeichnete Ralf Gille, der sich bereits seit 1979 mit großer Leidenschaft den Zweitakt-Legenden von Kawasaki widmet. Aus dem Hobby des Diplomingenieurs ist mittlerweile ein Beruf geworden. Berufung wäre angesichts der Akribie des Zweitakt-Spezialisten jedoch treffender. Denn diese 1970er-Kawasaki H1 in verführerischem Candy Red präsentiert sich bis ins Detail im perfekten Originalzustand!
Jedes Teil, jede Schraube hat Gille entweder überarbeitet oder erneuert, sofern nötig. Und nötig war viel, zumindest Arbeit. Ausgangspunkt für dieses Restaurierungsprojekt war nämlich nur ein lila lackierter Rahmen. Immerhin, mit deutschem Brief. Und der originalen Fahrgestellnummer aus dem Baujahr 1970.
„Bei Kawasaki hat es keine ‚Matching Numbers‘ gegeben. Allerdings wich der Nummernkreis der verbauten Motoren nicht allzu sehr von jenem des Chassis ab, weshalb sich die Suche nach dem passenden Motorgehäuse zog“, weiß Gille. In Lettland fand er schließlich ein Gehäuse, das numerisch zum Rahmen passte. Die restlichen Teile entnahm er seinem mittlerweile sehr umfangreichen Fundus. So auch den wegen seiner charakteristischen Ausbuchtungen „Beulentank“ genannten Spritbehälter der ersten beiden Baujahre. „Die werden heute in Gold aufgewogen.“
Anfang 2014 begannen die Arbeiten zu diesem Neuaufbau, der laut Gille „normalerweise rund neun bis zehn Monate dauert“. Zur Verwunderung des Restaurierers war das Fahrgestell maßhaltig – heute eine seltene Ausnahme. Ansonsten gab es jedoch keine Überraschungen, der Neuaufbau eines Motors oder die Überarbeitung von Vergasern sowie der Sitzbank sind für Ralf Gille längst Routine. Ebenso die Sorgfalt, mit der er dabei vorgeht und überall dort Verbesserungen einfließen lässt, wo es sinnvoll erscheint.
Mit der optimierten Kurbelwelle, frisch gehonten Zylindern, einem neuen originalen Kolbensatz und dem komplett überholten Getriebe ist der schlitzgesteuerte Dreizylinder-Zweitakter nun auch technisch wieder so fit wie sein Äußeres vermuten lässt. Klar, dass auch in den Vergasern jede Menge Neuteile stecken. Ebenso in den Gabelbrücken, denn Standrohre gibt es mittlerweile in guter Qualität als Replika-Teile.
Beim Lack geht es Gille jedoch um absolute Originalität, Dekorsätze sind tabu. Also wurde der weiße Streifen in „Pearl Candytone White“ lackiert, die schwarzen Streifen anschließend „passgenau durchgeschnitten und überlappend geklebt, so wie es ab Werk war“. Wahnsinn – wie so vieles bei der Kawasaki H1!
Motor:
Fahrwerk:
Höchstgeschwindigkeit: ca. 185 km/h
Preis 1970: 4300 Mark