Der V2 der KTM 990 Adventure rappelt und giert nach Drehzahlen. Auf langen Autobahnetappen schmerzt auf der schmal konturierten und harten Sitzbank der Bobbes, bei Top-Speed mit Koffern neigt die Fuhre zudem zum Pendeln. Alltägliches Rangieren ist für Menschen unter 1,75 Meter mit der 990er ein Albtraum. Oberlehrerhafte BMW-GS-Besitzer erklären mit erhobenem Zeigefinger: „Meine bietet mehr Komfort und besseren Schutz.“
Der Fahrer der KTM 990 Adventure indes bleibt gelassen und wartet, bis der Asphalt in Schotter oder Erdreich übergeht. Dann heißt es: „Ätsch, friss meinen Dreck!“ Denn keine andere Reiseenduro läuft schneller im Gelände. Wer sich traut (und grobe Profile montiert hat), peitscht mit über 180 Sachen, natürlich stehend, die Sportsitzbank zwischen die Schenkel geklemmt, über die Piste – Dakar lässt grüßen.
KTM 990 Adventure: heißer Tipp für reisende Hardenduristen
Schließlich wurde das Vorgängermodell, die 950er, tatsächlich bei der legendären Rallye entwickelt und dauererprobt und kam so fast eins zu eins als Serienmaschine in die Läden. Von 2006 bis 2012 führte die KTM 990 Adventure den konsequenten Offroad-Kurs fort. Ist mit kultivierterem, potenterem und zuverlässigerem Motor in Summe die bessere Maschine.
Bei der Standardversion freuen sich gemäßigtere Piloten über ABS – sinnvoll auf europäischen Landstraßen. Bei den kompromisslosen „S“ und „R“ geht es auch ohne, denn mit wettbewerbstauglichen Federwegen darf es gerne auch durch Wüstensand gehen. Bremsen? Dort lieber nicht! Merke: Die KTM 990 Adventure ist gewiss kein Alleskönner, aber der wohl heißeste Tipp für reisende Hardenduristen.
Technische Daten KTM 990 Adventure

Messungen
(aus MOTORRAD 18/2009)
Höchstgeschwindigkeit
210 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h
3,6 sek
Durchzug 60–100 km/h
5,0 sek
Verbrauch
6,1 l/100 km (Landstraße)
Modellpflege

2006 Modell KTM 990 Adventure mit aus der 120 PS starken 990 Superduke übernommenem und auf 98 PS gedrosseltem Einspritzer-Motor löst die 950er ab. Neu designte Verkleidung, ABS beim Standardmodell Serie. Bei Adventure S mehr Federweg (245 mm), aber ohne ABS. Preis: jeweils 12.598 Euro.
2009 Neues Cockpit, modifizierter Zylinderkopf, nun 106 PS. Modell KTM 990 Adventure R (200 Euro Aufpreis) ersetzt S-Modell mit 115 PS und 265 mm Federweg. Preis: 13.295 Euro.
2011 Dakar-Variante auf Basis von Standardmodell mit ABS, 115 PS, Speziallackierung, orangefarbenem Rahmen, Rallye-Sitzbank und Schutzbügeln. Preis: 13.695 Euro.
2012 Adventure/R (beide 115 PS) letztmalig in Deutschland. Preise: 13.795/13.995 Euro.
Marktsituation

Die beiden geländesportlich orientierten S- und R-Modelle finden sich nur selten im Angebot. Relativ wenigen Käufern war wohl viel Federweg wichtiger als ABS, und nicht wenige von denen fahren mit ihrem Gelände-Muli nach wie vor über Stock und Stein und haben als Erstbesitzer keine Verkaufsabsichten. Bietet so ein Offroad-Fan schließlich doch seine Maschine privat an, dann kaum unter 4500 Euro. Auffällig sind auch bei Standardmodellen die hohen Laufleistungen, es werden kaum Maschinen unter 20.000 Kilometer angeboten. Offenbar wird die KTM 990 Adventure gefahren und steht nur selten tatenlos herum – ein gutes Zeichen.
Aber auch trotz hoher Laufleistungen sind Schnäppchen rar: Sauber gepflegte, aber viel gereiste Erstbaujahre mit ABS sollen selbst mit mehr als 50.000 Kilometern auf der Uhr oft noch über 5000 Euro kosten. Ab 6000 Euro finden sich indes einige ordentliche Gebrauchte. Aus erster Hand, mit gut 30.000 Kilometern, Koffern und weiterer sinnvoller Zusatzausstattung. Solche empfehlenswerten Offerten bieten auch Händler. Die Schmerzgrenze – selbst für Schmuckstücke des letzten Baujahrs – liegt bei knapp über 9000 Euro.
Besichtigung

Die erste Frage, die sich stellt, ist die nach Geländeeinsätzen, besonders bei den S- und R-Modellen. Während andere Großenduros fast ausschließlich recht harmlos auf Asphalt bewegt werden, nutzen Besitzer der KTM 990 Adventure ihren Untersatz des Öfteren für Reisen in Gegenden ohne befestigte Straßen oder gar für Hobby-Rallyes. Das strapaziert das Material ungleich stärker, und bei Offroad-Vorgeschichten sollte man sorgfältig auf Sturzspuren, lose Speichen, undichte Federelemente und eingedellte Kühler schauen.
Wer sich selbst mit der Maschine später in Geländeabenteuer begeben möchte, kann allerdings auch mit ein paar Kratzern dann gut leben, wenn der Preis entsprechend niedrig und der Wartungszustand nachvollziehbar gut ist. Leicht wertsteigernd wirken Teile wie Schutzbügel und -platten, Scheiben oder stabile Navihalterungen aus dem KTM-Originalzubehör und von Nachrüster Touratech. Koffer werden grundsätzlich als Bonus aufgefasst.
Wettbewerber

BMW R 1200 GS

Die BMW R 1200 GS kann immerhin etwas Gelände und ist für Landstraßen-Touren wohl die bessere Wahl. Gebraucht gut 1000 Euro teurer als die KTM 990 Adventure.
BMW F 800 GS

Mit 21-Zoll-Vorderrad kann die schlanke BMW F 800 GS auch Gelände. Richtig gut sogar. Etwas weicher gespült als die KTM 990 Adventure, macht aber jedes Abenteuer mit.
Honda Africa Twin

Die Honda Africa Twin ist die Low-Budget-Alternative: nur 60 PS, aber voll offroad- und reisetauglich, ab 2500 Euro. Die zuverlässige XRV 750 war bis 2003 im Programm.
Yamaha Super Ténéré

Den sanften Riesen mit gediegenen Tourerqualitäten gibt es seit 2010. Die Yamaha Super Ténéré ist für Schotterpisten geeignet und ab 7000 Euro zu haben.