Es ist passiert. Einfach so. Helmut stolperte über eine 750er-Laverda, jetzt steht sie in seiner Garage. Wohl wissend, dass in „die gute Gebrauchte“ für 3000 Euro mindestens noch einmal diese Summe fließen wird. Um sie in den Originalzustand zu versetzen. Und um sie noch ein bisschen besser, also zuverlässiger zu machen. So geht es zunächst nach Breganze, Ersatzteile müssen her.
Dort ist Riccardo Oro unsere erste Adresse. Er ist mit Laverda aufgewachsen, sein Vater arbeitete viele Jahrzehnte im Versuch. Früher hatte Oro seinen kleinen Laden an der Breganzer Hauptstraße, jetzt liegt er in einem Industriegebiet vor Breganze in Sichtweite zum alten Laverda-Werk. Vor drei Jahren zog er mit Werkstatt, Lager und den eigenen Motorrädern in einen 800 Quadratmeter großen Industriebau. Im Erdgeschoss steht ein Teil seiner Maschinen sowie Laverdas von Kunden, die er herrichten soll. Sie sind in allen möglichen Erhaltungszuständen. Ein „wirtschaftlicher Totalschaden“ sticht uns besonders ins Auge. „Der Besitzer hatte vor 35 Jahren einen schweren Unfall damit, seitdem ist sie im Schuppen gestanden“, erzählt Riccardo grinsend. „Kürzlich hat er sie angeliefert mit dem Auftrag, sie wieder aufzubauen. Das wird aber ein Weilchen dauern.“ Der Einschlag muss heftig gewesen sein: Die Nabe des vorderen Gussrads ist ebenso gebrochen wie Bremsscheibe und Vorderachse.
Im Obergeschoss richtet Oro gerade ein kleines Museum ein. Dort stehen alle möglichen Laverdas, von der ersten 75er-Viertakt-Einzylinder der frühen 1950er-Jahre über eine 200er-Zweizylinder bis zur 750er-Zweizylinder. Darunter befinden sich einige 750er-SFC im Topzustand. Auch Dreizylinder, egal ob 1000er oder 1200er, sind in allen Erhaltungszuständen vertreten, daneben auch die seltenen Zweitakt-Laverdas mit Zündapp-Motor. Mehr als 100 Exemplare gehören ihm - kein Wunder, dass der Bau ringsum von Kameras gesichert wird.
Ersatzteile führt Riccardo Oro für alle Modelle, Schwerpunkt sind natürlich die 750er-Zweizylinder sowie 1000/1200er-Dreizylinder. Nagelneue Rahmen hängen in Ölpapier eingepackt an der Wand, hinten in den großen Regalen stehen Telegabeln, Räder, Bremsen, Schwingen und Federbeine. Viele Ersatzteile, speziell für den Motor, werden aus Altteilen hergerichtet, gelten dann als „gebraucht, aber technisch neuwertig“. Was es an Neuteilen von damals nicht mehr gibt, wird nachgefertigt: Fußrastengummis, Handhebel, Bowdenzüge, Schalter, Zahnräder und Wellen für Getriebe, auch Kupplungsteile und Primärantriebsketten sind als Neuteile erhältlich, ebenso Vergaser und ihre Innereien.
Die Preise sind reell: Gaszug 28 Euro, Tachowelle 15 Euro, zwei Laverda-Tankembleme 40 Euro, eine Dichtung für den Primärdeckel 9 Euro - gut, am Ende stehen dann doch 599 Euro auf der Rechnung. Mit dem guten Gefühl, alles bekommen zu haben, was wir wollten, machen wir uns auf in die Via San Felice (“Straße des heiligen Glücklichen”) im Breganzer Vorort Maragnole.
Dort wohnt und arbeitet Giuseppe Andrighetto. Im Erdgeschoss seines kleinen Häuschens sind Werkstatt und Teilelager in der Größe einer Vierfachgarage untergebracht. Die Räume sind Dreh- und Angelpunkt für Laverda-Fans aus aller Welt, die den netten älteren Giuseppe entweder nur auf einen Schwatz besuchen oder Ersatzteile brauchen: Auch hier hat alles seinen ordentlichen Platz, die eigenen Maschinen stehen staubgeschützt unter durchsichtigen Planen, einige Kundenmaschinen fertig zur Abholung davor. Giuseppe gilt unter Laverda-Fans als lebende Legende: Er hat nicht nur die 750 SFC zusammengebaut, sondern kennt (fast) alle der knapp 550 gebauten Production Racer. Außerdem war er bei vielen Langstreckenrennen, die mit der 750er und 1000er gefahren wurden, als Organisator und Mechaniker dabei. In den späten 1970er-Jahren hat er den Langstrecken-Renn-Gitterrohrrahmen für die 1000er-Dreizylinder entwickelt und 15 Stück gebaut. Wenn jemand einen solchen Rahmen möchte, baut er einen und den Tank dazu; man kann sich damit also quasi eine Langstrecken-Laverda als „originalen Nachbau“ zusammenbauen.
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Hat (fast) alles und weiß noch viel mehr: Laverda-Tausendsassa Andrighetto (rechts).
In seinen Jugendjahren galt Giuseppe bei Laverda als „Hans Dampf in allen Gassen“. War an allen bedeutenden Rennstrecken Europas und in Afrika, wo er die in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren an Ghaddafis Polizei gelieferten 750er-Behördenmaschinen technisch betreute. In der Versuchssabteilung von Laverda sorgte er für Ordnung bei Sport-Homologationen, darüber hinaus versorgte er Importeure mit allen technischen Daten zur Zulassung.
Auf die Frage nach der Marktsituation der 750er-Laverdas antworten Andrighetto und Oro unisono: „Wenn du eine Laverda 750 haben willst, dann kaufe eine - falls du eine findest! Denn der Markt ist eng, es sind mittlerweile echte Liebhabermaschinen.“ Beide warnen: „Vorsicht bei Laverda-Angeboten in Italien, hier gibt es viele überteuerte Schrottkisten!“ Die Empfehlung der Spezialisten: beim Kauf Zeit lassen. Außerdem sollte man wissen, welches Modell es überhaupt sein soll. Laverda-Laien raten beide, sich zuerst einmal in Foren, auf Marken-Treffen und im Spezialistenkreis zu informieren, was einen erwartet, wenn man sich eine Laverda 750 zulegt: Oft erfüllen sie nicht die hochgesteckten Erwartungen, die heutige Interessenten italienischer Klassiker an ihr italienisches Traummotorrad stellen. Warum das so ist, verraten wir Ihnen auf den folgenden Seiten.
Kontakt
Riccardo Oro
Via dell Industria, 1
I-36042 Breganze (VI)
Telefon und Fax 00 39/0 445 873 005
Giuseppe Andrighetto
Via San Felice
I-36042 Maragnole (VI)
Telefon 0039/0 445 850 259
Die Historie der Zweizylinder
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Trommelbremsen, japanische Instrumente, Höckersitzbank: die 750 SF1 von 1973.
Um verstehen zu können, warum die Laverda-Twins so massig ausfielen, muss man weit zurückblicken. Und zwar bis Mitte der 60er-Jahre.
Schon damals gab es große Motorräder. Bikes mit 500, 600 oder gar 650 Kubikzentimetern, die mit Leistungen um 50 PS und knapp 180 km/h Spitze als „Donnerbolzen“ bezeichnet wurden. Beispielsweise die BMW-Boxer mit 500 und 600 cm³. In England bauten AJS, BSA, Norton und Triumph ihre langhubigen Zweizylinder, in Italien Guzzi die V7-Modelle. Die 750er- V2-Ducatis kamen erst später, MVs waren einfach zu teuer, Harleys damals Exoten, und die Japaner eben erst im Anmarsch.
Kawasaki, Suzuki und Yamaha boten zu der Zeit eher kleine Maschinen zwischen 90 und 350 cm³ an. Nur Honda hatte mit der CB 450 schon den Sprung in die „große Klasse“ gewagt: 1965 setzte Soichiro Honda mit dem Zweizylinder einen ersten Fixpunkt, mit dem er andeutete, dass er drauf und dran ist, die ewig ölenden und immerfort unzuverlässigen Engländer baldmöglichst auszuknocken.
Und genau in dieser Zeit begann das Familienunternehmen Laverda mit der Entwicklung einer „großen“ Maschine. Geld war vorhanden, denn die Mutterfirma „Pietro Laverda Agricole“ baute seit ewigen Zeiten Landmaschinen, während Pietros Enkel Francesco 1947 die Fahrzeugfirma Moto Laverda gründete. Die Idee zum „Laverda-Big Bike“ hatten die Laverda-Söhne Massimo (er verstarb 2005) und Piero, damals Mitte 20 und begeisterte Motorradfahrer auf BMW R 69 S und Vincent Black Shadow. Die Firma ihres Vaters baute Motorräder schon seit 1950, stellte aber eher Kleinzeug zwischen 75 und 200 Kubikzentimeter her, die taugten aber nur bedingt zum Angeben auf der Via Principale del Sol („Hauptstraße zur Sonne“) in Richtung Espressobar. Rennluft schnupperten die kleinen Laverdas bei den in Italien beliebten Langstrecken-Straßenrennen wie „Milano-Taranto“. Dort schlugen sie sich tapfer, errangen sogar Klassensiege.
Die neue, große Laverda sollte eine Synthese bilden zwischen europäischer Motorrad-Tradition und Fortschrittsglauben, der in den 1960er-Jahren ausgerechnet aus Japan kam. Genau das war dem neuen Laverda-Motor anzusehen, denn Zylinder und Kopf ähnelten den Honda-Modellen CB 72 und CB 77, die Anfang der 60er-Jahre den Markt der „kleinen“ Maschinen rund um die Welt erobert hatten.
Massimo Laverda, der ältere der beiden Laverda-Brüder, hatte seine Vision in einem Touren-Sportmotorrad umgesetzt.Die 650er entsprach damit exakt dem Geist der Zeit. Ein klassisches „Naked Bike“, nach heutigem Sprachgebrauch. Kurze Zeit später kam Norton mit der 750er-Fastback. Laverda bohrte deswegen den 650er-Motor auf 750 cm³ auf, ein zweiter Prototyp wurde vorgestellt und ging dann auch so in Serie. Entsprechend dem „Geist der Zeit“ stellte Massimo Laverda zusammen mit seinem Chefkonstrukteur Luciano Zen (er starb 1983) höchste Anforderungen an Standfestigkeit und Zuverlässigkeit. Deswegen wurde die neue 750er eben kein filigranes Leichtgewicht, sondern ein ziemlicher Brocken: Allein der Motor ist mit rund 85 Kilogramm ein massiges Teil, dem das (später unten offene) Rohrrahmen-Fahrwerk mit den 32er-Rahmenrohren nicht nachsteht. Vollgetankt brachte die 750er heftige 240 Kilogramm auf die Waage.
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Tank hinten schmal und niedrig, hoher Tourenlenker: die 750 GT von 1970.
Nicht ganz so üppig war hingegen das Käuferinteresse. Wobei rund 14500 produzierte Laverda 650 und 750 Twins zwischen 1968 und 1978 gar nicht so schlecht sind. Hinzu kommen nochmal knapp 550 der immer in Orange lackierten Production Racer 750 SFC (SFC bedeutet „Super Freni Competizione“). SFCs wurden in drei Blöcken gebaut: Die Ersten gab’s 1971, sie hatten Trommelbremsen und waren vorrangig für den italienischen Markt bestimmt. Die zweite Charge kam 1973 mit Scheibenbremsen, die Letzten im Jahre 1975 hatten zudem eine kontaktlose, elektronische Zündung. Einige wurden auch mit den Fünfspeichen-Gussrädern der „normalen“ 750er ausgeliefert.
Aber schon früh in den 70ern war ihre große Zeit vorbei, weil Paul Smart und Bruno Spaggiari auf ihren Ducati 750 SS Desmo den legendären Doppelsieg beim 200-Meilen-Rennen von Imola 1972 eingefahren hatten und Moto Guzzi mit der V7 Sport ein heißes Eisen im Feuer hatte, das auf dem Markt gut angenommen wurde. Die „normalen“ Laverda 750-Straßenmodelle schafften in Tests der Fachzeitschriften zwar Achtungserfolge, aber so „richtig gut“ waren sie eben nicht: besser als Engländer, klar, vor allem zuverlässiger. Doch im Vergleich zu den mit immer neuen und hubraumgewaltigeren sowie leistungsstärkeren Modellen angreifenden Japanern kamen die 750er-Laverdas schon nach kurzer Zeit nicht mehr an.
Das lag vor allem daran, dass viele Dinge konstruktiv nicht gut gelöst waren. So vibrierte der Motor mitunter elend, weil Fertigungsqualität und Wuchtung der schweren Kurbelwelle stark schwankten. Auch eine nicht ganz genau (!) eingestellte Zündung ließ den Laverda-Twin wie eine unwillige Erntemaschine schütteln. Und natürlich musste der Gleichlauf der Vergaser ebenfalls korrekt eingestellt sein. Das Fahrwerk war einigermaßen stabil, allerdings bretthart gefedert, egal, ob Marzocchi- oder Ceriani-Federelemente eingebaut waren. Außerdem beeinträchtigten der hohe Schwerpunkt und die starke Kopflastigkeit das Fahrverhalten negativ. Hinzu kam, dass die von Laverda selbst konstruierten und auch hergestellten Trommelbremsen zwar „SF“ wie „Super Freni“ („Super Bremse“) hießen, aber in Wirklichkeit fadingintensive Weichbremsdosen waren, während andere Hersteller längst Scheibenbremsen anboten.
Weitere Kritikpunkte waren die schwer bedienbare Kupplung, eine harte Schaltung auf der „falschen“, weil rechten Seite und die ergonomisch unbefriedigenden Schaltereinheiten am Lenker. Eine echte Katastrophe stellte weiterhin die Elektrik dar. Bei den ersten Modellen liefen alle Kabel in den Steckerleisten innerhalb des Scheinwerfers zusammen, später dann unterm Tank rechts am Rahmen-Oberzugsrohr, ganz zum Schluss unterm Batteriekasten. Deswegen endeten viele Regenfahrten leider unter der nächsten Autobahnbrücke...
Ein echter Schuss in den Ofen war das ab 1973 unter dem Motor durchführende Auspuffkrümmer-Verbindungsrohr mit einem Vorschalldämpfer, weil es schon bei moderater Schräglage aufsetzte und durchschliff. Kamen Bodenwellen dazu, hebelte es den Fahrer rasch aus dem Sattel; meist flogen Fahrer und Maschine dann gemeinsam von der Straße.
So kam es, wie es kommen musste: Unter dem Druck der Konkurrenz wurden die Laverda-Zweizylinder bald in die Ecke des „echten Männermotorrads“ gedrängt, was ihren Piloten zwar den Ruf des „starken Mannes mit der Eisenhand“ einbrachte, aber im Verkauf eher hinderlich war: Wer will sich bei der Ausübung seines Hobbys schon plagen?
Eine Sonderstellung nehmen die SFC-Modelle ein, um sie ranken sich ziemlich viele Legenden. Tatsache ist, dass werksseitig eingesetzte SFC 750 einige Langstreckenrennen gewannen oder zumindest vorne dabei waren. Die ersten Werks-Rennmaschinen von 1969 waren nichts anderes als speziell präparierte Serien-750er, die man mit den üblichen Tuningmaßnahmen auf knapp 70 PS gebracht hatte: polierte Kurbelwelle, größere Ventile, „scharfe“ Nockenwelle, höhere Verdichtung, größere Vergaser (36er-Dellorto SSI) und ein bestialisch lauter 2-in-1-Auspuff reichten aus für Langstreckenrennen. Den nachhaltig berühmtesten Sieg errang Laverda mit seinen Zweizylindern sicherlich 1971 bei den 24 Stunden von Oss in Holland, als drei Laverda-Fahrerteams das Podium besetzten.
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Oranje-Sportler: die 750 SFC, hier mit zulassungsfähigem Auspuff.
Das Rennen fand auf einem schmalen, elendig gefährlichen Kurs statt, den man heute nicht einmal mehr für ein Fahrradrennen freigeben würde: Eine Gerade von rund 1,2 Kilometern Länge, der Rest des Kurses hatte 11 Kurven unterschiedlicher Radien. Eng an diesen „Rennkurs“ schmiegten sich schöne, aber massive Bäume. Dort, wo keine Bäume waren, standen Telegrafenmasten. Natürlich waren alle mit reichlich Strohballen abgesichert, aber nichtsdestotrotz war Oss eine typische Männergeschichte mit Technik- und Wetterdramen vom Feinsten, mit gerissenen Gaszügen, Ketten, Ventilen, Regen, Nebel und allem anderen, was damals zu einem 24 Stunden langen „Ausdauerrennen“ gehörte.
Laverdas Stammfahrer Augusto Brettoni errang bei Langstreckenrennen (sie wurden damals von 500 km über 500 Meilen, 8 Stunden bis hin zu 24 Stunden gefahren) mit der 750er-Zweizylinder und später der 1000er-Dreizylinder 13 Siege und viele Podestplätze, was seiner schnellen und vor allem materialschonenden Fahrweise zu verdanken war. Das weiß übrigens auch heute noch eine Laverda zu schätzen: Sie ist weder ein Kurzstreckenbrenner noch ein leichtes Mädchen, sondern eine gestandene Landfrau!
Noch ein paar Fakten zu Laverda: Die Motorräder des Breganzer Herstellers waren nie wirkliche Massenprodukte. Beste und damit auch teure Teile wie deutsche Bosch-Elektrik, japanische Nippon Denso- Armaturen, italienische Marzocchi-Federelemente und Edelstahl-Schutzbleche wurden mit außergewöhnlichen technischen Lösungen kombiniert. Laverda baute ja nicht nur 750er-Twins, sondern auch 1000er-Dreizylinder mit zunächst 180, später 120 Grad Hubzapfenversatz. 1977 kam eine zierliche 500er-Zweizylinder mit vier Ventilen pro Zylinder, zwei obenliegenden Nockenwellen und Sechsganggetriebe dazu. Davon gab es ebenfalls eine SFC-Variante (zirka 100 Stück).
In den 1980er-Jahren schlitterte Laverda in eine eklatante Absatz- und Finanzkrise. Schuld hatten nicht nur die mittlerweile schwer verkäuflichen Bikes, sondern auch ein Auto-Abenteuer: Laverda entwickelte auf Ausschreibung des italienischen Militärs einen großen Geländewagen, der auch für zivile Zwecke eingesetzt werden sollte. Dieses Projekt drehte der „Moto Laverda“ den Hals um. Nach Pleite und Produktionsstopp Ende der 1980er-Jahre kam Laverda Mitte der 90er mit einer neu entwickelten 650er zurück; der Zweizylinder war zunächst luft- und dann wassergekühlt. Was für eine elende Kiste, schlecht liegend und unzuverlässig wie keine Laverda zuvor! Konsequenz: Laverda sperrte erneut zu.
2002 wurde Laverda von Aprilia geschluckt, die kurz zuvor bereits Moto Guzzi übernommen hatten. Heute gehören die drei Marken zum Piaggio-Konzern, der viel Geld in die Sanierung von Guzzi steckt. Eine Wiederbelebung von Laverda scheint derzeit eher unrealistisch.
Im Detail, Daten
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Die Laverda 750 (Typ 750 SF2).
Mein Gemecker auf den vorhergehenden Seiten war nicht abschreckend genug? Dann sollten Sie noch die folgenden Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten können, bevor Sie sich auf eine Laverda 750 einlassen:
- Ihnen ist bewusst, dass sich Aussehen, Cha- rakter und Klang der Laverda-Motoren von denen anderer Marken grundsätzlich unterscheiden?
- Sie wissen auch, dass sich das Fahrverhalten einer Laverda 750 von vergleichbaren Maschinen jener Zeit (Ducati 750 GT, Moto Guzzi V7 Sport, Le Mans oder auch 850 T3) deutlich unterscheidet?
- Ihnen ist ebenso wenig entgangen, dass eine Laverda viel Zuneigung braucht, viel mehr als eine Honda CB 750 Four, Kawasaki Z 900, Suzuki GS 750 oder gar Honda Gold Wing? (Allerdings nicht ganz so viel wie eine Ducati 750 GT oder eine Königswellen-Desmo!).
- Es schreckt Sie außerdem nicht ab, dass man zum Fahren einer Laverda 750 richtig Kraft braucht? Das geht schon beim Auf- und Abbocken los und hört beim Herumschieben längst nicht auf...
- Sie können mit heutigen Motorrädern, aus welchem Grund auch immer, nichts anfangen?
- Sie wünschen sich ein echtes Motor-Rad, das Ihnen Respekt abfordert - dafür aber ein besonders intensives Fahrerlebnis zurückgibt?
Und, zeigt der Daumen jeweils nach oben? Prima, dann sind sie wirklich bereit für einen Laverda-Twin. Auch als Frau, obwohl die Werbung damals eine Laverda als das „Männermotorrad“ schlechthin anpries. Denn: Auch Frauen können Motorrad fahren, eine schwergängige Kupplung ziehen, rechts schalten und links bremsen!
Fragt sich nur, wo kaufen? Das ist schwer zu sagen, denn der Markt gibt zumindest bei den 750ern nicht viel her. Auch in Italien gibt es keine preiswerten Laverdas. Im Gegenteil, das Meiste, was dort angeboten wird, ist in der Regel ziemlicher Murks. Bleibt also nur, Kontakte zu Laverda-Clubs aufnehmen, Kleinanzeigen studieren und vielleicht auch eine Suchanzeige aufgeben.
Daten (Laverda 750 SF2)
Motor:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine obenliegende Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, Bohrung/Hub 80 mm x 74 mm, Hubraum 744 cm³, Leistung 47 kW (65 PS) bei 7000/min
Kraftübertragung:
Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk:
Stahlrohr-Brückenrahmen, Telegabel, Ø 38 mm, Zweiarmschwinge, zwei Federbeine, Speichenräder, Reifen 3.25 H 18 vorn, 4.00 H 18 hinten, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 280 mm, Trommelbremse hinten
Maße und Gewicht:
Radstand 1465 mm, Gewicht vollgetankt 236 kg
Fahrleistung:
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
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Lenker ganz nach rechts und links bis Anschlag schwenken. Dabei muss ausreichend Platz zwischen Armaturen und Tank bleiben. Hier fehlt es daran. Ursache ist häufig ein verbogener Lenkanschlag als Folge eines Sturzes.
Modellpflege
- 1966: Vorstellung des Prototyps mit 650 cm³ auf der Motorshow in London.
- 1968: Verkaufsbezeichnung Laverda 650. Leistung 50 PS bei 6800/min. 52 Stück wurden gebaut. Frühe Exemplare ohne Rahmen-Homologations-Nummer, späte Exemplare mit Homologations-Nummer DGM.5932.OM. Gewölbte Ventileinstelldeckel. Ceriani-Gabel, Ø 35 mm. Verrippte Grimeca-Trommelbremsen: vorne Duplex, Ø 230 mm, hinten Simplex, Ø 200 mm. Eckige Schutzbleche aus Edelstahl. Breiter Tank mit Gepäckträger und Kniekissen, Seitendeckel aus Blech, Smith-Instrumente mit Laverda-Logo, Tacho bis 190 km/h. Batterie 32 Ah. Auspufftöpfe hinten schräg abgeschnitten („Salamitöpfe“). Länglicher Bosch-Scheinwerfer, Ø 155 mm mit Eindrück-Zündschlüssel.
- Spätjahr 1968: Laverda 750 (ca. 300 Stück gebaut). 52 PS bei 6700/min. Größere Zylinderbohrung (80 mm statt 74 mm), flache (GT-)Kolben, Kompression 7,7:1. Flache Sitzbank.
- 1969: Laverda 750 (ca. 450 Stück), keine Änderungen. Neues Modell Laverda 750 S (ca. 200 Stück) mit 60 PS bei 6900/min. Übergangsmodell mit altem Rahmen, moderner Gabel und Smith-Instrumenten. Tank mit Schraubverschluss, aber ohne Gepäckträger.
- 1970: Laverda 750 S (ca. 1100 Stück), neuer „S“-Rahmen mit schmaleren Oberzügen, schlankerer Tank (17,5 l), sportliche Sitzbank, Ceriani-Gabel mit Faltenbälgen. Modifizierter Primärkettenspanner. Motorgehäuse an Zylinderfuß hinten links mit einer Rippe verstärkt. Schalldämpfer mit Homologation „DGM 5933 S“ und Gummilagern. Späte Anlagen hatten ein Interferenzrohr vorne. Neue Grimeca Bremsen: vorne 230-mm-Duplex mit kurzem Bremsanker und drei runden Öffnungen, hinten 200-mm-Simplex ohne Rippen auf der Ankerplatte. Laverda 750 GT (ca. 650 Stück): hoher Lenker, sonst wie 750er des 1969er-Jahrgangs, ab Fgst-Nr. 2833 mit S-Rahmen und S-Bremse.
- 1971: Laverda 750 SF (ca. 2800 Stück), 60 PS bei 6900/min. Laverda-eigene Duplex-Bremsen vorn und hinten. Überarbeiteter SF-Rahmen, neue Gabel mit nackten Standrohren, Bremspedal über linker Fußraste. Alter Tank mit Kniekissen und Klappverschluss. Doppelsitzbank mit Blechgrundkörper. 1. Gang kürzer übersetzt, hohe S-Kolben, Motorgehäuse an Zylinderfuß hinten links mit einer Rippe verstärkt. Laverda 750 GT (ca. 500 Stück): alte verkleidete Gabel, S-Rahmen, neue Grimeca-Trommelbremsen.
- 1972: Laverda 750 SF (ca. 3300 Stück), Instrumente von Nippon Denso, neuer schlanker Tank mit Schnappverschluss, Doppelsitzbank mit Kunststoffgrundkörper, erstes Kurbelwellenlager links am Primärtrieb mit Rollen- statt Kugellager. Laverda 750 GT (ca. 1000 Stück): 52 PS bei 6900/min. Ab Fgst-Nr. 4xxx mit Rahmen, Bremsen und Gabel vom SF-Typ. Erleichterte SF-Kurbelwelle, flache GT-Kolben, zwei 30er-Dellorto-Vergaser mit Luftfilter.
- 1973: Laverda 750 SF1 (ca. 1200 Stück), 65 PS bei 7000/min, größere Ventile, 36er-Dellorto-Vergaser, Auspuff mit größeren Krümmern und rasch aufsetzendem Sammler unter dem Motor. Schalldämpfer mit langem Konus. Geänderter Rahmen, kleinere Batterie, CEV-Scheinwerfer, Lucas-Schalter am Lenker, Zusammenschlüsse des Kabelbaums rechts unter dem Tank (zuvor im Scheinwerfer), ab Ende 1973 unterhalb des Luftfilters.
- 1974: Laverda 750 SF2 (ca. 1700 Stück), 65 PS bei 7000/min, geänderte Nockenwelle, Schalldämpfer mit kurzem Konus. Instrumente und Lenkerschalter von Nippon Denso, Elektrik von Bosch. Scheibenbremsen von Brembo vorn (einfach oder doppelt), hinten Trommel wie SF1. Späte Modelle mit 16 statt 15 Kühlrippen am Zylinderkopf und 13 statt 14 Rippen an den Zylindern.
- 1975: Laverda 750 SF2 (ca. 800 Stück), 38er-Ceriani-Gabel aus der Dreizylinder-1000er C3.Laverda 750 GTL (ca: 300 Stück): Motor der SF mit 52 PS bei 6900/min, geänderter SF1-Rahmen, Marzocchi-Gabel mit Faltenbälgen, Bremsen der SF1 und geänderter Tankform, an die sich die Seitendeckel fließend anschmiegen. Schaltung links, Bremse rechts. Klappbare Sitzbank mit Staufach. SF2-Auspuff mit Conti-Schalldämpfern.
- 1976: Laverda 750 SF2 (ca. 300 Stück) und GTL (ca. 300 Stück), keine Änderungen.Laverda 750 SF3 (ca. 500 Stück): 65 PS bei 7000/min. Nadellager in Hinterradschwinge. Drei Brembo-Scheibenbremsen (Ø 280 mm), Gussräder und moderne Doppelsitzbank mit Plastik-Bürzel.
- 1977: Laverda SF1: Aus Ersatzteilen werden noch etwa 100 bis 300 Exemplare zusammengebaut.
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Genau hinsehen: Bei dieser Laverda ist unterm Tankemblem eine Lacknase, auch „Trieler“ genannt, zu erkennen. Es ist ein untrügliches Zeichen für eine schlechte Nachlackierung. Bei den Preisverhandlungen berücksichtigen!
Spezialisten
Laverda-Paradies
Andy Wagner, 78467 Konstanz,
www.laverda-paradies.de
Orange Cycle Team (OCT)
53881 Dom-Esch,
www. octeam.de
Cycle Doctor Thomas Eatman,
88171 Weiler-Simmerberg,
Tel. 08387/924154
Sport Connection
64658 Fürth/Odenwald,
www.sport-connection.de
Importeure
Dass sich eigentlich nie so richtig ein Vertrauensverhältnis zwischen Werk und Importeur, Importeur und Händler und von diesem zum Kunden aufbauen konnte, liegt vor allem an der wechselvollen Geschichte der deutschen Laverda-Vertretungen. Hier die Übersicht aller
Importeure:
1969 bis 1970: Georg Suck, Hamburg
1971: Standex, Alzenau
1972 bis 1974: Edmund Bühler, Stuttgart
1975 bis 1978: Detlev Louis, Hamburg
1979 bis 1980: Zweirad Röth, Hammelbach/Odenwald
1981 bis 1992: Witt, Köln
Szene/Foren
www. forum.laverda-register.de
www.laverdaforum.com
www.italobikes.com
www.laverdafreunde.at
www.laverdacorse.it