Motorradhelm Skully Fenix AR mit Head-up-Display
Betrug oder gescheitertes Projekt?

Auf den Skully-Motorradhelm mit Head-up-Display haben viele gewartet. Vergebens. Schlimmer trifft es aber die, die das Projekt auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo unterstützten, denn das Geld ist futsch.

Skully Head-up-Display
Foto: Skully

Nicht viele neue Motorradhelme haben in der jüngeren Vergangenheit für ähnlich viel Begeisterung und zugleich Frustration gesorgt wie der Skully. Neben den technischen Innovation begeisterte der Motorradhelm mit Head-Up-Display bei seiner Vorstellung im Jahr 2014 auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo auch durch sein sportliches Design. Die weiteren Merkmale des damals vorgestellten Helms: 180-Grad-Kamera auf der Rückseite, Navigationssystem, Sprachsteuerung, Bluetooth-Anbindung, leistungsstarker Akku und Android als Betriebssystem. Der Preis: 1.400 US-Dollar. Entsprechend schnell konnten die beiden Firmengründer Marcus Weller und Mitch Weller das Indiegogo-Kampagnenziel von 250.000 US-Dollar nicht nur erreichen, sondern weit übertreffen. Bereits nach vier Tagen konnten rund 2,5 Millionen US-Dollar gesammelt werden. Genug Geld für den Beginn einer erfolgreichen Serienproduktion, dürfte man meinen.

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Aber falsch gedacht: zunächst wurde der Lieferbeginn mehrmals verschoben. Kurz darauf trennten sich die Investoren von den beiden Firmengründern und schließlich entschied man sich dafür, das Unternehmen vollständig zu schließen. Was mit dem Geld passiert ist, das durch Vorbestellungen eingenommen wurde, ist bis heute nicht sicher. Viele Vorbesteller dürften ihre Anzahlung abgeschrieben haben. Die Aussichten auf eine Rückerstattung oder die Lieferung des Produkts sind quasi aussichtslos.

Aus Skully Inc. wurde Skully Technologies

Skully
Glimpflich davon kam, wer nur Zeit mit Warterei verloren hat. Ärgerlicher ist's für die, die an das Projekt glaubten und Geld vorschossen.

2018 sah es so aus, als könne es für Käufer doch noch ein Happy End geben. Damals wurde bekannt, dass neue Investoren das gescheiterte Unternehmen nun doch weiterführen werden. Neuer CEO des Unternehmens wurde Ivan Contreras, der aus der Motorradbranche stammt und bereits die Unternehmen GasGas und Torrot leitete. Er sollte dem Skully AR-1 doch noch zu einem erfolgreichen Marktstart verhelfen. Als erste Maßnahme wurde der Firmenname angepasst. Aus Skully Inc. wurde Skully Technologies. Danach wurde der Produktname ebenfalls geändert: Skully Fenix AR hieß der Helm dann. Auf der CES 2018 präsentierte das neu formierte Unternehmen den weiterentwickelten Skully als Prototyp auf einem eigenen Stand. Auf der Fachmesse konnten sich Besucher ein eigenes Bild über die Funktionen des Helms machen und ihn auf einer simulierten Testfahrt ausprobieren.

Die technischen Eigenschaften, die die einstigen Skully-Macher einst versprachen, waren weiterhin im Helm intergriert. Die neuen Entwickler hatten sich zum Ziel gesetzt, eine engere Verbindung zum Smartphone herzustellen. Die meisten Anwendungen sollten im Zusammenspiel mit einer auf der Smartphone installierten App funktionieren. Das Display und die Kamera sollten weiterhin auch ohne das Smartphone verwendet werden können. Die Akku-Laufzeit, die ursprünglich neun Stunden betragen sollte, sollte sich auf vier Stunden reduziert haben. Die Standard-Version des Skully Fenix AR sollte 1.899 US-Dollar kosten. Zusätzlich sollte es eine Carbon-Variante geben. Der kommunizierte Liefertermin der ersten Exemplare: Sommer 2018.

Auch neuer Investor machte sich vom Acker

Noch 2018 gab die neue Unternehmensführung bekannt, dass die ersten fertig produzierten Helme im Rahmen einer sogenannten "Make It Right"-Kampagne an diejenigen gehen, die damals leer ausgegangen sind und seit nunmehr zwei Jahren auf ihren Helm warteten. Dabei sollte es sich nach Insider-Informationen um ca. 2.000 Helme handeln, für die damals 1.500 US-Dollar von den Vorbestellern überwiesen wurden. Auf Nachfrage bei der neuen Marketing-Verantwortlichen von Skully Technologies wurde uns bestätigt, dass es auch in Deutschland Vorbestellungen gab, die im Rahmen der "Make It Right"-Kampagne zuerst beliefert werden sollten. Erst daraufhin sollte der allgemeine Verkauf in den USA erfolgen, dann der globale Marktstart beginnen. Doch auch dazu kam es nie. Scheinbar wurde nie auch nur ein einziger Helm ausgeliefert.

Wer sich für die Geschichte des Skully AR-1 interessiert, sollte sich die nachfolgenden Absätze nicht entgehen lassen, in denen der bisherige Verlauf des Desasters "Skully AR-1" abgebildet ist.

Skully – alles begann mit einer Indiegogo-Kampagne

Meldung vom 27.07.2016: Schicht im Schacht für den Skully AR-1. Was sich in den vergangenen Monaten angedeutet hat, ist nun Fakt. Nachdem das junge Start-Up-Unternehmen die Auslieferung des Motorradhelms mit Head-up-Display mehrfach verschoben hat und die beiden Gründer vor zwei Wochen von der Investoren-Gruppe vor die Tür gesetzt wurden, ist nun endgültig Schluss.

Die Investoren-Gruppe hat sich dazu entschlossen, das Unternehmen zu schließen. Knapp 50 festangestelle Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Insgesamt sollen circa 1.500 Exemplare des Helms vorbestellt worden sein. Spannend wird sein, was mit den bereits bezahlten Geldbeträgen geschieht. Sicher ist bislang nur, dass Investoren der Crowdfunding-Kampagne kein Geld erstattet bekommen. Wie es mit Bestellungen aussieht, die auf der offiziellen Website getätigt wurden, ist bisher nicht bekannt. Die Chancen auf eine Rückerstattung dürften allerdings überschaubar sein.
Meldung vom 15.07.2016: Nachdem die nächste Auslieferungs-Deadline verpasst wurde, haben sich die Investoren von den beiden Firmengründern Marcus Weller (CEO) und Mitch Weller (Chef des Stabes) getrennt. Martin Fitcher, bisheriger COO, wird der neue CEO des Unternehmens und soll den Markteintritt des Skully AR-1 nun vorantreiben.

Neben den verstrichenen Deadlines gab es laut Martin Fitcher weitere Differenzen zwischen dem Führungsstab und den beiden Weller-Brüdern. Nachdem die Gründer 2013 angekündigt haben, dass der Skully AR-1 vollständig in den USA produziert werden soll, wurde zuletzt bekannt, dass der Helm derzeit in Kooperation mit MHR (LS2) in Asien produziert wird. Bisher sind durch Investments und Crowd-Funding-Kampagnen insgesamt 15 Millionen US-Dollar in das Projekt eingeflossen. Ob davon noch etwas übrig ist und ob der Skully AR-1 jemals finalisiert wird, darf zumindest bezweifelt werden.

Skully
Die Funktionspläne des alten Skully AR-1.

Meldung vom April 2016: Der Skully AR-1 sollte ursprünglich ab Mai 2015 lieferbar sein, doch dann wurde die Markteinführung auf Dezember 2015 verschoben. Nun wird's noch später: Laut der offiziellen Website soll die Auslieferung im Spätsommer 2016 beginnen. Der Hersteller hat mittlerweile auch Gründe für die Verzögerung genannt: Man habe den Schritt vom Prototypen zum Massenprodukt unterschätzt. Aufgrund von Kostengründen musste die Hauptplatine, die für die Elektronik zuständig ist, neu konzipiert werden. Laut Skully ist die Entwicklung der einzelnen Komponenten mittlerweile abgeschlossen. Die Massenproduktion soll am 20. April 2016 beginnen. Nach weiteren Tests und einer erfolgreichen Zertifizierung des Endprodukts soll letztlich die Auslieferung an den Kunden beginnen.

Auch beim Preis hat Skully einige Anpassungen vorgenommen. Nachdem in der Vergangenheit von 1.400 US-Dollar für die USA und 1.500 US-Dollar für Europa die Rede war, ist der Skully AR-1 nun für 1.499 US-Dollar in den USA vorbestellbar. Für eine Lieferung nach Deutschland fallen zudem zusätzliche Kosten an. Bei einem von uns simulierten Kauf kam so ein Preis von insgesamt 1.828,78 US-Dollar zustande.

Meldung vom September 2014: Ein Motorradhelm mit einem transparenten Display, Sprachsteuerung und einer rückwärtigen Kamera mit 180-Grad-Blickwinkel begeistert Motorradfans derzeit auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo. Ein junges Startup-Unternehmen hatte am 10. August 2014 die Kampagne für den Skully AR-1 gestartet und als Ziel 250.000 US-Dollar angegeben. Bereits vier Tage später wurde dieses Ziel um 436 Prozent übertroffen. Insgesamt konnten 2.446.824 US-Dollar gesammelt werden.

Das Konzept des Integralhelms erinnert in seinen Grundzügen an die Datenbrille Google Glass. Besonders die Kamera auf der Rückseite des Helms in Kombination mit dem im Visier intergrierten Display, die Fahrern einen Blick auf das Verkehrsgeschehen im Rücken ermöglichen soll, begeistert so manch Interessenten. Zusätzlich soll sich die Navigation durch das kleine Display im Auge behalten lassen. Mithilfe der Sprachsteuerung kann während der Fahrt Befehle an das Smartphone übermittelt werden. Wobei das auch Kommunikationssysteme können, die bereits auf dem Markt sind.

Über Bluetooth kann der Skully AR-1 mit dem Smartphone verbunden werden. Der Akku soll neun Stunden lang halten, bevor er über microUSB wieder aufgeladen werden muss. Dank einer GPS-Antenne beherrscht der Helm zudem auch die Straßennavigation. Zusätzlich können Straßenkarten und andere Apps (die in Zukunft erscheinen sollen) auf dem integrierten Speicher abgespeichert werden können. Als Betriebssystem kommt Android zum Einsatz.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023