Pascal Eckhardts Fahrtipps Bremsen

Pascal Eckhardts Fahrtipps für die Rennstrecke Teil 6 - Bremsen

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Wer schnell sein will, muss wissen, wie man bremst. Das klingt paradox, aber die Bremse macht den wahren Racer. PS-Instruktor Pascal Eckhardt erklärt, worum es geht.

Teil 6 - Bremsen Archiv

„Mensch Ecke, wo lass ich nur die Zeit liegen?“ Das ist die wohl häufigste Frage, die ich bei den PS-Trainings gestellt bekomme. Meine Antwort lautet fast immer: „Auf der Bremse.“

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Richtiger Kurvenspeed ist der Schlüssel

Gerade heraus: Gas geben kann heute, wo Traktionskontrollen nicht mehr nur den Werksteams vorbehalten sind, eigentlich jeder. Natürlich kann man auch daran noch arbeiten und sich verbessern, aber zu 99 Prozent schnellt die Rundenzeit bei Hobbypiloten beim Bremsen nach oben. Klingt irrsinnig - was hat Bremsen mit Zeitgewinn zu tun? Ganz schön viel! Denn beim effektiven Bremsen geht es nicht nur darum, den Bremspunkt so weit wie möglich nach hinten zu schieben. Richtig Bremsen ist verdammt komplex. Der bekannte Spruch “Wer später bremst, ist länger schnell“ stimmt nämlich auch nur im Ansatz. Natürlich bin ich vor dem Anlegen der Bremse schneller, aber nur bis die Kurve beginnt. Dann aber muss ich umso mehr Speed abbauen, dass ich den richtigen Kurvenspeed unter Umständen nicht mehr habe. Das aber ist der Schlüssel zu schnelleren Rundenzeiten.

Grundsätzlich geht es darum, die Geschwindigkeit so zu dosieren, dass der Speed für die anstehende Kurve ganz genau passt. Bremsen wir zu viel, sind wir zu langsam für die Kurve und müssen erneut Gas geben - eine Katastrophe für die Rundenzeit! Ähnlich fatal ist es anders herum: Verzögern wir zu wenig und müssen in der Kurve noch einmal korrigieren, sind unser Fluss, das Timing und die Linie dahin. Wir müssen es also schaffen, vor jeder Kurve unsere Geschwindigkeit auf den Punkt genau anzupassen. Aber wie gelingt uns das?

Wir brauchen einen Bezugspunkt

Schritt eins: Wir brauchen als Erstes einen Bezugspunkt, einen sogenannten Bremspunkt, an dem wir uns Runde für Runde orientieren können. Den zu finden braucht Erfahrung und etliche Runden auf der entsprechenden Rennstrecke. Da gibt es leider keine Faustformel. Ihr müsst Euch Stück für Stück herantasten. Im Endeffekt geht es darum, den Punkt zu finden, an dem wir so spät wie möglich auf die für die anstehende Kurve höchstmögliche Kurvengeschwindigkeit herunterbremsen können.

Das geht nur mit probieren und immer wieder probieren - eine Kurve nach der anderen. Beginnt am besten in einer Kurve mit asphaltiertem Auslauf. Wenn es nicht reicht, habt ihr einen „Notausgang“, dafür sind die Auslaufzonen da. Tipp: Nicht nur physische Punkte an der Rennstrecke wie Curbs, Pfosten oder Asphaltflecken können ein Bezugspunkt sein. Auch Drehzahlen und die Gangwahl können uns hier helfen, wenn keine anderen Orientierungspunkte da sind. Doch Achtung, wie das Wort schon sagt, dient es zur Orientierung, nicht als Fixpunkt, der immer stimmen muss. Denn dann müssten wir schon wie Jorge Lorenzo etwa wie ein Uhrwerk fahren und jede Runde genau gleich abspulen.

Aber wir sind äußeren Einflüssen unterworfen. Stellt euch mal vor, ihr hängt mit eurem Bike im Windschatten eures Kontrahenten und fliegt die Parabolika in Hockenheim entlang. Ihr lasst euch ansaugen, schert aus und geht vorbei. Setzt ihr euren Bremspunkt wie immer, geht’s - BÄMM! - 100 Prozent geradeaus. Oder: In der letzten Links vor Start/Ziel auf dem Sachsenring hat euer Vordermann einen harmlosen Rutscher. Nichts Wildes, aber ihr müsst deswegen das Gas etwas zumachen. Jetzt werdet ihr sagen: „Na klar, dadurch bin ich auf der Geraden langsamer, also kann ich später bremsen.“ Stimmt, aber wo? Und kann man das bewusst planen? Habt ihr schon mal, wenn es eng hergeht, im Rennstress, so bewusst gehandelt, dass ihr euch immer genau erinnert, was vor vier Sekunden in der letzten Kurve war? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, ihr werdet am gewohnten Punkt bremsen. Deshalb mein Tipp: Versucht auch mal was anderes und versetzt eure Bremspunkte ganz bewusst im Training und überprüft, was passiert. Es gilt wie in den letzten Folgen: Fahrt so bewusst wie möglich.

"Bremst du eigentlich hinten mit?"

Wenn ich Piloten auf ihr Defizit, das Bremsen, hinweise, taucht regelmäßig die Frage auf: „Bremst du eigentlich hinten mit?“ Ein Blick auf die Balance eines modernen Rennmotorrads liefert darauf schon eine schlüssige Antwort. In der Regel ist das Gewicht bei den heutigen Supersportlern etwa zu 50 Prozent auf Vorder- und Hinterrad verteilt. Wenn wir jetzt im Renntempo ordentlich verzögern (Tipp: Auf einer großen freien Fläche im Fahrerlager geradeaus aus verschiedenen Geschwindigkeiten bremsen und erfühlen, wann das Hinterrad abhebt), dann wird sich je nach Situation das Gewicht zu 90 oder manchmal bis zu 100 Prozent (wenn das Hinterrad dann abhebt) auf das Vorderrad verlagern. Eigentlich hat sich die Frage nach der Hinterradbremse hiermit schon erledigt, in diesem Fall trägt sie sehr wenig zur Verzögerung bei.

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Wie finde ich den richtigen Kurvenspeed? Reifen haben einen Grenz-bereich, aber wer das letzte Zehntel will, muss Stürze mit einplanen.

Ich sage aber ganz bewusst „in diesem Fall“. Die Hinterradbremse hat in anderen Situationen viel mehr Bedeutung, etwa in Kurven oder Schikanen oder beim Beschleunigen. Dazu wird es noch mal ein extra Kapitel geben. Jedenfalls erfordert es eine Menge Aufmerksamkeit, die Balance und das Timing von Vorder- zu Hinterradbremse hinzubekommen oder ein durch die Hinterradbremse ausbrechendes Heck wieder in die Spur zu bringen. Es sieht zwar verdammt cool aus, wenn man komplett quer in die Kurve einbiegt, ob es aber schneller macht, ist eine andere Sache - und im Moment überhaupt kein Thema für uns. Deshalb mein Tipp: Konzentriert euch auf die Punkte oben. Findet den passenden Bremspunkt und die passende Kurvengeschwindigkeit und ihr werdet sehen, das ist der Schlüssel zu schnelleren Rundenzeiten und zu einem flüssigen Fahrstil. Das nächste Mal nehmen wir uns dann gezielt das Anbremsen des Motodroms in Hockenheim vor, um den Ablauf einmal grundsätzlich hinzubekommen.

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