PS-Leserfrage - Wie funktioniert das Driften?
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PS-Leser Jens Speckmaier möchte, dass sein Motorrad beim Anbremsen in einen kontrollierten Bremsdrift à la Moto2 übergeht und fragt: „Gibt es eine generelle Richtung, die ich beim Setup oder der Geometrie meines Motorrads einschlagen muss?“

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Foto: 2snap

Driften ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, braucht extrem viel Übung und kann, wie PS-Driftexperte Jo Bauer verrät, nur über einigen Bodenkontakt perfektioniert werden. Deshalb ist der Fahrer wohl entscheidender als das Motorrad, weshalb Jo Bauer seine Erfahrungen hier mit einfließen ließ. Wir haben zwar noch kein Rennmotorrad gezielt auf den stabilen Bremsdrift abgestimmt, aber ein Punkt ist ganz wichtig: Der Lenkanschlag sollte nicht zu eng sein, sonst droht schnell ein brutaler Highsider. Wird der Lenkanschlag im Drift nämlich erreicht, lässt sich der Drift über den Lenker nicht mehr weiter kontrollieren.

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Die Lenkgeometrie sollte eher in Richtung stabil, also flacher Lenkkopfwinkel und langer Nachlauf getrimmt werden. Das heißt, das Motorrad vorn etwas anheben und hinten absenken. Damit verbessert man die Stabilität, das Motorrad wird dann bei entlastetem Hinterrad nicht so zappelig.

Topoutfeder könnte hilfreich sein

Beim Stoßdämpfer hinten könnte eine Topoutfeder helfen, damit das Hinterrad sanft an Anpressdruck verliert und nicht abrupt abhebt wie bei einem kurzen, harten Gummi-Endanschlag. Ein Serienfederbein am Sportler damit auszurüsten ist allerdings kaum möglich, da sich die Gesamtbaulänge durch die Verwendung einer Topoutfeder vergrößert.

Wenn keine Rutschkupplung verbaut ist, verhindert das Anheben des Standgases eventuell unliebsames Bremsstempeln. Allerdings beschleunigt dies das Hinterrad, „zieht“ das Motorrad gerade und erschwert somit das Driften. Die einzige wirksame Technik ist das Ziehen der Kupplung. Diese ist am Kupplungsschleifpunkt so zu halten, dass das leicht langsamer (im Verhältnis zum Asphalt) drehende Hinterrad „saugend“ auf dem Asphalt streift – ohne zu stempeln. Je größer der Ausrückweg der Kupplung, desto einfacher findet man diesen Punkt. 

Werner
Profis benutzen eine Topoutfeder für sanfteren Anpressdruck.

Der Driftwinkel stellt sich dann über die Differenz der Hinterrad-Drehzahl zur gefahrenen Geschwindigkeit ein. Dies steuert man über die Menge der Gänge, die man herunterschaltet. Im Idealfall schaltet man vor dem Driften so viele Gänge während des Anbremsens zurück, dass man beim Beenden des Drifts die perfekte Drehzahl zum Beschleunigen hat. Je härter man anbremst und je leichter das Hinterrad wird, desto besser kann man das Hinterrad mittels Lenker und Körperverlagerung steuern.

Thema Hinterradbremse: Fahrer, die viel über das Hinterrad driften, verbauen hinten aggressivere Bremsbeläge, aber vor allem eine thermisch belastbare Bremsscheibe nebst Zange. Wichtig ist, dass die Hinterradbremse wie die Vorderradbremse zu jeder Zeit das gleiche Feedback erzeugt. Der Tanz auf der Reifenflanke in voller Schräglage und im Driftwinkel bedeutet den Flug ins Aus, wenn die Bremse ein Eigenleben entwickelt.

Sitzposition enorm wichtig beim Driften

Ebenso wichtig beim Driften ist die Sitzposition. Diese beim Bremsen mittig belassen, damit sich das Motorrad mit dem Heck leichter nach außen anstellen lässt. Wenn man schon neben dem Motorrad hängt, dreht sich das Bike auf die Seite, auf der mehr Gewicht lastet – also nach innen, was beim Drift ja nicht gewünscht ist. Warum? Weil sich die abgebremste Fahrzeugmasse am Lenkkopf abstützt und um diesen Drehpunkt herum auslenkt.

Man sollte auf der kurvenäußeren Seite nie voll mit dem Knie im Bike hängen, wie man das sonst im Hanging-Off macht. Denn der kleinste Rutscher wird sich sonst wie ein Katapult auswirken (Highsider-Gefahr). Ideal ist viel Druck über den Lenker am Vorderrad. Dies dient dazu, das Heck zu entlasten, und zusätzlich über den Druck an der kurvenäußeren Fußraste den Grip am Hinterrad und somit die Schrägstellung des Hinterrads zu steuern.

Supermotos eignen sich zum Üben

Klingt alles kompliziert? Ist es auch. Tatsächlich hat jeder Driftkönig seine ganz eigenen Tricks, die er perfekt auf seinen „Style“ abgestimmt hat. Und nicht zuletzt sind es genau diese Driftmanöver, die uns Normalos mit offenem Mund staunen lassen. Deshalb ist Übung das einzige Mittel, das einen auch hier zum Meister macht.

Und vielleicht sollte man vor einem Supersportler lieber mit einer kleinen Supermoto üben. Erstens macht es einem so ein Motorrad dank des geringen Gewichts und der Geometrie deutlich einfacher, sich am Limit zu bewegen. Und zweitens wird es nicht gleich so teuer, wenn man es noch nicht beherrscht. Denn Hinlegen ist – laut Jo – Pflicht.

Leserfragen

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PS-Technik-Versteher und Motorrad-Flüsterer Werner „Mini“ Koch tüftelt und bastelt ständig selbst in seiner eigenen Werkstatt, und kein Technik-Thema ist ihm zu verworren. Und weiß er tatsächlich mal selbst nicht weiter, weiß er genau, wo man fragen muss.

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