Selbstschrauber wollen Öl wechseln, Ventile einstellen und verrostete Auspuffe schweißen. Zu Hause klappt das in aller Regel schlecht. Besser geht es in Werkstätten wie der Motorrad Selbsthilfe Altona in Hamburg.
Selbstschrauber wollen Öl wechseln, Ventile einstellen und verrostete Auspuffe schweißen. Zu Hause klappt das in aller Regel schlecht. Besser geht es in Werkstätten wie der Motorrad Selbsthilfe Altona in Hamburg.
Guntram Otzen belegt mit seiner roten Kawasaki GT 550 den dritten Platz. Nicht in einem Rennen, sondern bei Tobias Trapp. Dort steht er jetzt auf Schrauberplatz Nummer drei in der Motorrad Selbsthilfe Altona – kurz MSA. Die Bremse der Kawa packt nicht mehr richtig zu, bei gut 20 Jahre alten Bremsleitungen aus Gummi nicht verwunderlich. Werkstattinhaber Tobias (den alle hier Tobi nennen) fingert ein wenig an Bremshebel und -leitungen herum und verschreibt dem Japan-Youngtimer neue Stahlflexleitungen. Die hängen der Länge nach sauber aufgereiht an der gegenüberliegenden Werkstattwand, montieren muss sie Guntram dann aber selbst.
So funktioniert die Motorrad-Selbsthilfe: Für erschwingliche zehn Euro die Stunde toben sich bereits seit 1996 schraubwütige Kunden in der kleinen Werkstatt in einem Hamburger Hinterhof aus. Sie wechseln Kettensätze, stellen Ventile ein, zerlegen ihre Öfen komplett oder machen einfach nur einen Ölwechsel. Auch der kann zu einem dreistündigen Event werden, wenn man es zu gut gemeint hat mit der Ablassschraube. Alte Regel: Nach fest kommt ab. Für solche Fälle gibt es dann Tobi, der einem hilft, Gewinde auszubohren und neu zu schneiden. Oder einem im Vorbeigehen die Vergaser synchronisiert. Und jede noch so abgenudelte Schraube in Bewegung bringt. Nebenbei berät er noch Kunden am Telefon und hilft da, wo jemand gerade nicht weiter weiß.
Eine BMW R 1200 C rollt auf die Hebebühne von Platz vier. Cruiser-Lenker Peter Schlüter weiß, was er will: Ölwechsel, und zwar flott, denn er hat’s eilig. "Bei BMW isses leider wie beim Edel-Friseur – ohne Termin geht gar nichts", sagt er. Dann fährt er lieber zur MSA: reinkommen, drankommen.
Auch Kai Widmann – mit einer 1983er-Kawasaki Z 750 auf Platz fünf – ist von der Selbsthilfe überzeugt: Schon sieben Jahre lang freut er sich, nicht mehr auf der Straße inmitten zahlloser Hundehaufen schrauben zu müssen. Seine erste Zett von damals hätte er vermutlich sofort wieder verkauft, wäre da nicht die Selbsthilfe gewesen. Kai ist mit dem Verbrauch seiner Kawa nicht zufrieden. Zehn Liter pro Woche Standzeit sind ihm einfach zu viel, darum wird heute der leckende Tank abgedichtet.
Also Tank abbauen, poröse Fläche schleifen, den Rest erledigt Tobi, der ordentlich Kaltmetall-Knete an die marode Spritblase drückt und die inkontinente Kawa somit vom unfreiwilligen Benzinverlust heilt. Leider kann manch vermeintlich simples Problem schon mal zur unbezwingbaren Herausforderung werden, so dass die begonnene Reparatur mit einer Busfahrkarte nach Hause endet, mit gesenktem Haupt und dem Helm in der Hand. Zum Glück ist die MSA auch eine normale Werkstatt. In der "Nicht-Selbsthilfe-Zeit" am Vormittag kümmert sich das MSA-Team um alle Arten von Reparaturen.
Eine giftgrüne 1999er-Speed-Triple faucht herein, über 90 000 Kilometer stehen auf der Uhr. Besitzer Ralf Gävert hat sie gerade zehn Tage lang und 3000 Kilometer durch die Pyrenäen gescheucht. Wenig im Vergleich zu den insgesamt 70 000, die er auf seiner Triumph bereits durch halb Europa geritten ist. Doch nun ist ein Boxenstopp fällig, denn der Lüfter hat sich von seiner Halteplatte losgerissen, ein Original-Neuteil gibt’s aber nur samt Lüftermotor für schlanke 260 Flocken. Ralf ist wie Kai schon länger Kunde und macht sich getreu dem MSA-Motto "Schrott wird flott" an eine individuelle Reparatur, die ihn letztlich knappe 30 Euro kostet.
Puh! Erstmal Kaffee, Kippe – doch keine Zeit für Pause. Nick Gladigau zuckelt mit seiner Honda Rebel bei Kilometer 23657 in die Halle, Platz zwei. Seit drei Jahren gehört ihm die 125er, nur fünf Kilometer hat er bislang mit ihr geschafft. Als er mit 16 durch die Führerscheinprüfung gerasselt ist, verließ ihn die Motivation. Mit 18 hat er jetzt den großen Lappen gemacht, doch die Rebel rebelliert und geht aus, wenn man nicht munter am Gashahn zupft – vermutlich ein Vergaserproblem. Und Treffer: Die Hauptdüse ist so dicht wie die Straßen Hamburgs im Berufsverkehr, eine Folge der langen Standzeit. Düse wieder frei – Kunde glücklich.
Gerade mal sechs Jahre älter – also 24 – war Tobi, als er sich von seinem Studium der Technischen Informatik losriss. Schon lange verdiente er nebenbei Geld mit dem Reparieren von Motorrädern. Freunde, Bekannte – alle kamen zu ihm mit ihren zweirädrigen Problemen. Irgendwann grauste ihn die Vorstellung menschenferner Bildschirmarbeit. Also knickte er eine vermeintliche Karriere in der EDV-Branche und eröffnete seine Werkstatt.
Ob Tobi seine Arbeit Spaß macht? Klar, er liebt seinen Job. Und er liebt das Gefühl, wenn jemand seinetwegen die Urlaubs-Fähre doch noch erwischt. Oder er der Beziehung zwischen Biker und Bike wieder auf die Sprünge geholfen hat. Wenn die Bude brennt, sind Tobi und seine Mannen glücklich. Wenn sie abends dichtmachen können, allerdings auch.
Der Kunde bekommt für kleines Geld Werkzeug und Arbeitsplatz gestellt, an dem er dann nach Herzenslust in Eigenregie Reparaturen, Wartungen und Umbauten durchführen kann. Genau das Richtige für all diejenigen, die weder Werkzeug noch Platz zum Schrauben haben oder solche, denen einfach das nötige Kleingeld für die dringend notwendige Inspektion fehlt. Im Gegensatz zu Selbsthilfewerkstätten für Autos ist das Pendant für Motorräder wesentlich seltener anzutreffen. In Hamburg gibt es die MSA, weiter nördlich die Motorrad Selbsthilfe Kiel. Berlin kann sich mit der Selbstreparaturwerkstatt Pfiffikus hervortun, vereinzelt lassen sich im restlichen Deutschland noch weitere finden. Bei einigen Werkstätten wie der MSA geht die Selbsthilfe über den reinen Werkzeugverleih hinaus. Zusätzlich darf man fundierte Tipps zur Herangehensweise an das jeweilige Problem erwarten.
Die MSA befindet sich in der Stahltwiete 12, 22761 Hamburg. Telefonisch zu erreichen unter 0 40/8 50 89 27, per Mail unter MSAltona@gmx.de. Homepage der Selbsthilfe unter www.metka.de/msa.