Motorräder wurden im Laufe der Jahre nicht nur schneller und schwerer, sondern auch höher. Was manchem Motorradfahrer die Schweißperlen auf die Stirn treibt.
Motorräder wurden im Laufe der Jahre nicht nur schneller und schwerer, sondern auch höher. Was manchem Motorradfahrer die Schweißperlen auf die Stirn treibt.
Das Geschäft mit abgepolsterten Sitzbänken und Umbauteilen zur Tieferlegung läuft wie geschmiert. „Immer mehr Kunden fragen nach einer Möglichkeit, die Sitzhöhe zu reduzieren“, beschreibt der alteingesessene Motorradhändler Herbert Speer aus Reutlingen den Trend, der sich schon seit Jahren abzeichnet. Um zu verstehen, warum die Nachfrage steigt, genügt ein Blick ins MOTORRAD-Archiv. Zu Beginn des großen Motorrad-Booms Anfang der 70er-Jahre kam kein Mensch auf die Idee, sein Motorrad tieferzulegen. Warum auch? Auf einer Honda CB 350, dem Mittelklassemotorrad schlechthin, saß der Fahrer gerade mal 780 Millimeter über Grund, dazu kam die schmale Taille des Zweizylinders, der sich mit seinen 170 Kilogramm zudem kinderleicht rangieren ließ.
Auch 20 Jahre später waren moderate Sitzhöhen an der Tagesordnung. Bei den um 1990 gängigen Mittelklassemaschinen lag die Sitzhöhe von Kawasaki GPZ 500, Suzuki GS 500 E und Konsorten zwischen 770 und 790 Millimetern, das Gewicht deutlich unter 200 Kilogramm. Selbst die Reise-Enduro BMW R 100 GS war mit 850 Millimetern noch lässig zu besteigen.
Trotzdem gab es bereits damals die erste zögerlich Nachfrage nach einer möglichen Tieferlegung der Maschine, respektive der Sitzhöhe. Was den Marketing-Experten der großen Hersteller scheinbar verborgen blieb, denn bis zum Jahrgang 2000 wuchsen die Sitzhöhen im Segment der beliebten Naked Bikes im Schnitt auf über 800 Millimeter an. Ein Trend, der sich bis zum heutigen Tag ungebremst fortsetzt, weshalb bei den gängigen Allerweltsmodellen des Jahrgangs 2011 Sitzhöhen von 815 bis 840 Millimetern erklommen werden müssen. Wer sich für eine vielseitige Reise-Enduro entscheidet, sollte die Leiter nicht vergessen: 850 bis 880 Millimeter Sitzhöhe sind mittlerweile Standard in diesem beliebten Segment.
Mit Verlaub, aber diesbezüglich haben die Konstrukteure und Designer am Kunden vorbeientwickelt. Auch wenn sich bei dem einen oder anderen Modell die Sitzhöhe durch Umstecken der Sitzbank variieren lässt, ist der generelle Trend zu immer höheren Motorrädern für viele etwas kürzer geratene Fahrer und besonders Fahrerinnen der falsche Weg.
Somit bleibt den genervten Zweiradlern nur, ihre Maschine mit den zur Verfügung stehenden Mitteln soweit abzusenken, bis sich beim Rangieren und Parken ein sicherer Umgang einstellt; denn bei normaler Fahrt stört die hohe Fahrerposition eigentlich nicht.
Im Gegenteil: Man hat damit eine perfekte Übersicht über die Verkehrslage und den Streckenverlauf. Zudem verbessern sich durch den höheren Schwerpunkt Handlichkeit und Agilität. Mit ein Grund dafür, dass die Konstrukteure speziell bei Modellen mit breiter Bereifung den Gesamtschwerpunkt aus Maschine und Fahrerposition nach oben verschieben.
Stellt sich nur die Frage, ob dem normalen Motorradfahrer das letzte Quäntchen Handlichkeit so wichtig ist, dass er dafür den peinlichen und oft teuren Umfaller auf dem Parkplatz in Kauf nimmt?
Das grundlegende Problem bei großer Sitzhöhe ist der ungünstige Beinwinkel, um das Motorrad im Stand abzustützen oder gar aus dem Sitzen heraus zu rangieren. Je länger die Beine, desto leichter geht die Prozedur über die Bühne - und umgekehrt. Deshalb gilt für klein gewachsene Motorradfahrer generell die Regel, dass man beim Rangieren, Schieben oder Umdrehen das Motorrad von der linken Seite aus schiebt, und nicht versucht zu fußeln.
Wichtiger Tipp dazu: Das Motorrad rangiert sich leichter, wenn man es nicht über den Lenker in der Balance hält, sondern die Maschine mit leichtem Druck auf die Hüfte fallen lässt. Aus dieser Position heraus kann man bequem über den Lenker und den Hüftkontakt schieben, ohne dass die Maschine droht, auf die Gegenseite zu umkippen.
Was nichts daran ändert, dass der Stopp an abschüssigen Parkplätzen oder auf engstem Raum für manchen zum Alptraum wird. Dann hilft tatsächlich eine abgesenkte Sitzposition enorm weiter. Das liegt in erster Linie daran, dass der Stützfuß durch den größeren seitlichen Winkel mehr Kraft hat, die Maschine im Lot zu halten. Zum anderen sinkt der abzustützende Schwerpunkt, der ja auch durch das Gewicht des Fahrers beeinflusst wird.
Einfache und kostengünstige Lösungen zur Reduzierung der Sitzhöhe
Federvorspannung auf minimal einjustieren:
Bei Motorrädern mit einer einstellbaren Federvorspannung kann man diese nutzen, um das Motorrad um rund zehn bis 15 Millimeter abzusenken. Man verändert dabei die Anteile von Positiv- und Negativfederweg, die mit Fahrer belastetet bei rund 30 Prozent des Gesamtfederwegs liegen. Über den Daumen sind das bei handelsüblichen 120 Millimetern Gesamtfederweg etwa 35 Millimeter vorn wie hinten, die man durch die Reduzierung der Vorspannung auf zirka 45 bis maximal 50 Millimeter erhöht.
Dazu wird einfach die Gewindespindel am oberen Gabelstopfen ganz herausgedreht. Ist keine Verstellmöglichkeit vorhanden, kann nach Demontage des Gabelstopfens die Distanzhülse der Feder entnommen werden. Dieses meist aus dünnem Stahlblech gefertigte Rohr kann nun um den gewünschten Betrag von rund zehn bis 15 Millimeter abgesägt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Schnitt absolut im rechten Winkel erfolgt, da sich die Feder sonst durch die schräge Auflagefläche seitlich auswölbt und am Innenrohr der Gabel reibt. Tipp: Mithilfe eines gleichmäßig aufgesteckten Gummirings lässt sich eine gerade Schnittfläche anzeichnen.
Am Federbein werden die gekonterten Nutmuttern so verstellt, dass die Maschine mit Fahrer besetzt maximal 50 Millimeter des vorhandenen Federwegs aufbraucht. Achtung: Vor der Verstellung unbedingt die serienmäßige Position der Stellringe markieren oder messen, um bei einem unbefriedigenden Ergebnis wieder die ursprüngliche Position herstellen zu können. In keinem Fall darf die Vorspannung soweit reduziert werden, dass der Federteller bei maximal entlastetem, ausgefedertem Hinterrad lose auf der Feder liegt. Er muss unbedingt mit deutlicher Spannung fest zwischen Feder und Federbeinauge verspannt sein.
Bei einer Verstellung über eine Rastermechanik wird ganz einfach die kleinste Position gewählt.
Auswirkungen:
Diese Änderung senkt das Motorrad annähernd synchron ab, ohne dass Vorder- oder Hinterrad bei maximaler Belastung an rahmenfesten Bauteilen anstoßen können. Allerdings neigen die Federelemente dazu, beim Bremsen, auf harten Bodenwellen oder mit Zuladung früher durchzuschlagen. An der Gabel kann dieses Durchschlagen durch Erhöhen des Ölstandes verhindert werden.
Zudem verringern sich die Schräglagenfreiheit und möglicherweise auch die Handlichkeit der Maschine. Bleiben die Änderungen im Rahmen der serienmäßigen Einstellmöglichkeiten, ist keine TÜV-Prüfung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich, eine Eintragung in den Papieren ist damit nicht notwendig.
Die oben genannten Möglichkeiten empfehlen sich in erster Linie für leichte Fahrer oder solche Fahrer, die ihr Motorrad in gemütlichem Tempo bewegen und/oder ohne allzu hohe Zuladungen oder Sozius unterwegs sind.
Frontpartie absenken
Zusätzlich zur Reduzierung der Federvorspannung können unter strenger Berücksichtigung einiger Vorgaben die Gabelholme nach oben durchgesteckt werden, um das Motorrad vorn noch etwas abzusenken. Dazu müssen die Klemmungen der Gabelbrücken und möglicherweise auch der Lenkerstummel auf einer Seite gelöst werden. Dann wird der Gabelholm unter einer Drehbewegung maximal zehn bis 15 Millimeter nach oben durchgeschoben, und die Klemmschrauben werden mit dem korrekten Anzugsdrehmoment festgezogen. Danach folgt der gleiche Arbeitsvorgang auf der anderen Seite. Der Gabelüberstand muss auf beiden Seiten exakt gleich sein.
Um sicherzustellen, dass in dieser Position das Vorderrad in voll eingefedertem Zustand keine Berührung mit rahmenfesten Bauteilen hat, müssen die Gabelstopfen herausgeschraubt und die Tauchrohre um den Betrag des Federweges (siehe Handbuch) eingeschoben werden. Der Mindestabstand zu Bauteilen wie Kühler, Auspuffkrümmer oder Verkleidung muss zwölf bis 15 Millimeter betragen. Auch auf die knickfreie Führung der Brems- und Kabelleitungen ist dabei zu achten.
Bei Upside-down-Gabeln dürfen die Holme nur über den Bereich in den Gabelbrücken verschoben werden, in dem sie zylindrisch abgedreht sind. Verläuft der Durchmesser konisch, ist die Klemmwirkung der Gabelbrücken ungenügend.
Auswirkungen:
Beim Durchstecken der Gabel wird die Frontpartie abgesenkt, was die Sitzhöhe nur um etwa die Hälfte des Betrages nach unten verlagert. Also zehn Millimeter Gabeldurchstoß bringen etwa eine fünf Millimeter tiefere Sitzposition. Die Lenkgeometrie verändert sich in Richtung Handlichkeit (kürzerer Nachlauf, steilerer Lenkkopfwinkel), die Schräglagenfreiheit wird dabei aber geringer.
Das Durchstecken der Gabel sollte möglichst nur in Verbindung mit einem im gleichen Maße abgesenkten Heck erfolgen, um die Balance und Rahmengeometrie der Maschine beizubehalten. Generell sollte das Motorrad nach jeder Änderung auf einer kurvigen, verkehrsarmen Strecke vorsichtig ausprobiert werden, um sich mit dem möglicherweise veränderten Kurvenverhalten und der verringerten Schräglagenfreiheit vertraut zu machen, da „harte“ Bauteile wie Seitenständer oder Lichtmaschinendeckel nun in Kurven früher aufsetzen und das Motorrad aushebeln können.