Reportage VHS-Schrauberkurse

Reportage VHS-Schrauberkurse Nur keine Angst!

Nicht wenige Motorradfahrer kapitulieren rasch vor Reparaturen oder selbst einfachen Wartungsarbeiten. Da helfen die Schrauberkurse von Ralf Petersen, um die eigene Maschine technisch besser zu kennen und kein „Freiwild für die Werkstätten“ zu sein.

Nur keine Angst! Schmieder
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Hilfe zur Selbsthilfe – unter diesem Motto bietet Ralf Petersen bereits seit 1994 an den Volkshochschulen Duisburg und Waltrop verschiedene Seminare zur Motorradtechnik an. Sie richten sich besonders an Anfänger und technisch wenig erfahrene Motorradfahrer. So wie heute der Inspektionsworkshop: Ölwechsel, Bremsbelag-Wechsel, Kontrolle von Zündkerzen und Ventilspiel usw. Alles an Ralfs eigener Honda NTV 650. Aus Haftungsgründen darf er in dieser Weiterbildung keine fremden Motorräder warten. Trotzdem sollen die maximal zehn Teilnehmer mit eigenen Maschinen kommen, um direkt Vergleiche ziehen zu können.

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„Am meisten lernt man beim Zuschauen und selber ausprobieren,“ ist sich Ralf als ausgebildeter Lehrer sicher. Sein Lernziel für die zehn heute bis zu 250 Kilometer weit angereisten Motorradfahrer? „Ihr müsst danach nicht alles selber können. Aber ihr sollt euch einfache Arbeiten selber zutrauen und verstehen, was die Werkstatt macht. Um sie dadurch besser zu kontrollieren.“ Bei Inspektionspreisen von 400 bis 1000 Euro, von denen die Kursteilnehmer in der Kennenlernrunde berichten, ein hehres Ziel.

Kilometerstand auf 100 Meter genau notieren

Vor der Technik kommt die Theorie. Welche Literatur man für die Wartung zu Hause haben muss etwa. Werkstatthand­bücher vom Hersteller („die haben eine eigene Ersatzteilnummer“) oder Reparaturanleitungen einschlägiger Verlage zu einzelnen Modellen. Speziell wenn die Garantie abgelaufen ist, kann man mit etwas Wissen vieles selber machen. Ein Tipp: sich vor einer Inspektion beim Händler den Kilometerstand auf 100 Meter genau zu notieren. „Dann wisst ihr hinterher, wie lange die Probefahrt war.“

Sichtprüfungen an Bremsbelägen oder Zündkerzen, das Einstellen des Spiels an Kupplung und Gaszügen sind keine Hexerei. Dies zeigt der Praxisteil rasch. „Die Werkstatt macht es nicht anders“, sagt Ralf, „prüfen und bloß gegebenenfalls einstellen“. Für Vielfahrer empfiehlt Ralf 10.000er-Wartungs­intervalle („die Servicevorgaben vieler Hersteller stammen aus den 70er-Jahren“) oder eine Inspektion pro Jahr. Es gibt kleine und große Inspektionen, je nach Kilometerstand. Ralf empfiehlt, die große Inspek­tion zu Hause auf zwei Tage zu verteilen. Dann kann man Arbeiten am warmen Motor (Ölwechsel, Vergaser einstellen) ohne Zeitdruck von denen trennen, für die er kalt sein muss (Ventilspiel einstellen maximal bis 35 ° Celsius!). Für den Ölwechsel soll der Motor 80 bis 90 ° Celsius heiß sein. Dann fließt das Öl besser und hält Partikel in der Schwe­be, die sich sonst absetzen würden. Tipp: „Arbeitshandschuhe anziehen und das Altöl auf Späne hin durchsieben.“

Bremsbeläge und Bremsflüssigkeit wechseln

Weiter geht’s Schritt für Schritt durch die Baugruppen: Ralf zeigt, wie man Schwimm­sattelbremsen demontiert, mit Bremsenreiniger die Kolben gängig macht und per Schraubzwinge zurückdrückt, wie Kupferpaste („bitte nur auf der Rückseite!“) das Quietschen von Bremsbelägen unterbindet.

Es folgt ein alle zwei Jahre anstehender Wechsel der Bremsflüssigkeit. „Wenn im Hauptbremszylinder die Öffnung zur Bremsleitung stets mit frischer Bremsflüssigkeit bedeckt bleibt, kann man unten schrittweise die alte ablassen, ohne entlüften zu müssen.“ Eine Arbeitserleichterung sind selbst entlüftende Stahlbus-Ventile. Dann gibt es noch den Trick eines Holzklotzes, der so breit ist wie die Bremsscheibe …

Nur beim abgekühlten Motor darf man die Zündkerzen rausdrehen. Und kann nun nach Hochklappen des Tanks und Demontage des Luftfilters die Ventildeckel runternehmen. An Hondas 52-Grad-V2 kann Ralf sehr einfach Ventilspielkontrolle und prin­zipielle -justierung per Stellschrauben demonstrieren. Ein Exkurs erklärt, warum es überhaupt Ventilspiels bedarf, und weshalb die kälteren Einlassventile weniger davon erfordern als die heißeren Auslassventile.

Das Warmlaufen des Motors nutzt Ralf zum Vergasersynchronisieren. Sowohl mit einfacheren klassischen Runduhren als auch mit den genaueren elektronischen Messgeräten. Auch hier geht es darum, Ängste abzubauen. „Das ist eigentlich keine komplizierte Sache.“ Ölwechsel erst recht nicht. Wichtig: Filter, O-Ringe aus Gummi und Kupferdichtringe sollte man auf Vorrat kaufen: „Günstige Sets gibt’s bei Louis, Polo oder Hein Gericke.“ Zum Schluss gibt’s den Kompressionstest als „EKG des Motors“ und eine offene Frage-und-Antwortrunde.

Moderne Elektronik kann entmündigend wirken

„Nach 21 Jahren ist mein Fazit, dass Freude am Schrauben nach wie vor vorhanden ist, es aber am technischen Verständnis fehlt und am Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“, sagt der Kursleiter. Dies sei „logisch, da es immer mehr Büroberufe gibt und die Elektronik an den Maschinen undurchschaubar wirkt, ja entmündigend.“

Zudem lässt nach Ralfs Ansicht die Qualität der Werkstätten nach. Er demonstriert es an einem frisch montierten Hinterreifen: „Ein farbiger Punkt auf der Reifenflanke zeigt als Auswuchtmarkierung den leichtesten Punkt des Reifens an.“ Er soll über dem Ventil stehen, der Stelle, an welcher die ­Felge am schwersten ist. Bridgestone und Dunlop nutzen gelbe Punkte, Heidenau, Metzeler und Pirelli rote. Doch beim Reifen eines Teilnehmers fluchten Markierung und Ventil keineswegs. „Deswegen brauchte der Monteur hier so viele Auswuchtgewichte.“

Wieder etwas gelernt im klasse Unterricht. MOTORRAD startet bald eine neue Serie mit Schrauber-Tipps. Damit niemand Angst haben muss vor oftmals bloß vermeintlich komplizierter Technik.

Kurs-Infos: Wann & wo

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Technik, Funktion und Wartung beim Motorrad begreifen, ermöglicht die VHS Duisburg bereits seit 1994. Alle Seminare sind in sich abgeschlossen und unabhängig von Vorkenntnissen. Eintägige Seminare kos­ten 32, der Zweitages-Kurs 59 Euro.

Infos: Telefon 0 20 65/9 05 84 75,
www.duisburg.de/vhs.

Für Gruppen, Vereine, Betriebe etc. bietet Ralf Petersen Technikkurse auch nach Absprache an. Fürs Frühjahr 2016 stehen zudem Schrauberkurse in Oberhausen mit Übernachtung und Touren zu Ruhrgebiets-Highlights an.

Anfragen und Infos (Anmeldung zum Newsletter!):
Telefon 02 03/7 56 81 90 und www.schrauberkurse.de.ki.

„Frag den Experten“: Schrauber-Fuchs Ralf Petersen beantwortet Technikfragen an diversen Polo-Shops, verrät kostenlos Tipps und Tricks. Zudem hat Ralf Petersen ganz aktuell ein Lehrbuch veröffentlicht: „Motorrad-Technik. Praktisches Basiswissen leicht verständlich“, Reihe „So wird’s gemacht“, Delius Klasing Verlag, Bielefeld; 19,90 €.

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