Restaurierung BMW R 80 G/S, Teil 5 Fahrwerk und Bremsen

Restaurierung BMW R 80 G/S Teil 5, Fahrwerk und Bremsen

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Der Motor läuft geschmeidig, alles ist frisch und schick im Lack. Nun geht es bei unserer Restaurierung der BMW R 80 G/S darum, dem Fahrwerk Beine zu machen. Doch nicht nur das Budget, auch der klare Vorsatz, so viel wie möglich an Originalteilen zu verwenden, zwingt zu emsiger Tüftelei an Chassis und Bremsen.

Teil 5, Fahrwerk und Bremsen Koch
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Eine kräftige Enduro-Gabel würde der BMW R 80 G/S gut zu Gesicht stehen. Fest verspannt in feisten Gabelbrücken, cremig gedämpfte, ellenlange Federwege, das wär‘s. Ich geb‘s zu, die WP-Upside-down-Gabel lag schon bereit, als der Spezl auf ein Werkstatt-Bier vorbeischaute und völlig entsetzt fragte: „Was hast du mit der G/S eigentlich vor? Paris-Dakar? Six Days? Erzberg-Rodeo?“ Ähhh, nee, eigentlich steht für solche Exkursionen ein Yamaha WR 250-Geländesportler vor der Tür. Die G/S sollte das Genuss-Motorrad im Fuhrpark werden. Schotterstrecken, Feldwege, 1,5-Tonnen-Straßen-Endurowandern sagt man dazu. 

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Und das geht auch mit 170 Milli­metern Federweg. Schwupps, verschwindet das WP-Teil wieder im Ersatzteillager, stattdessen liegt die originale ­Gabel seziert auf der Werkbank. Schnelle Analyse: Der simple, mit Bohrungen versehene Dämpferkolben ohne Shims und wirksame Wechselventile lässt keine groß­artigen Verbesserungen zu, er bleibt deshalb unangetastet. Die Federn jedoch, im Serientrimm für eine stabile Frontpartie einfach zu weich, werden mit dem Trennschleifer gekürzt. Am einen Ende werden alle engen Wicklungen entfernt, gegenüber bleiben sechs „weiche“ Wicklungen stehen. Nach dem Kürzen um 80 Millimeter soll jeweils eine 70 Millimeter lange Aluhülse mit zehn Millimeter weniger Vorspannung die BMW R 80 G/S auf einem ähnlichen Niveau halten wie zuvor die weichen, aber stärker vorgespannten Federn im Serienzustand. 

Schraubenfedern durch Kürzen härter machen

Generell lassen sich so alle Schraubenfedern durch Kürzen härter machen. Und zwar genau in dem Verhältnis, in dem man die zur Verfügung stehende Länge des Federdrahtes reduziert. Allerdings funktioniert dies nur dann, wenn der Blockwert (das ist jener bei komplett komprimierter Feder) kleiner ist als der zur Verfügung stehende freie Leerweg. Und die Federn müssen blockfest konstruiert sein, sie dürfen sich bei voll ausgenutztem Hub also nicht setzen. Durch das Kürzen steigt die Federrate der Gabel um rund 25 Prozent. Und damit so, wie wir uns das für ein stabiles Enduro-Fahrwerk vorgenommen hatten. Das Schöne an den Federn der BMW R 80 G/S: Die Enden sind nicht angelegt, ­sondern stecken in – der Federwindung angepassten – Kunststoffhülsen, was ein nachträgliches Anlegen mit Schweißbrenner und Schleifband überflüssig macht.

Bei der Dämpfung greifen wir auf den altbewährten Versuch mit unterschiedlichen Öl-Viskositäten und verschiedenen Ölständen in den Gabelholmen zurück. Das Ergebnis: Für sommerliche 25 Grad und mehr muss ein 15er-Öl in die Gabel der BMW R 80 G/S, wird‘s kühler, so ab zirka 15 Grad abwärts, ist die Dämpfung zu straff und unkom­fortabel und sollte durch ein dünneres 10er-Öl geschmeidig gemacht werden.

BMW R 80 G/S mit zu wenig Bremskraft

Das Luftpolster, mit dem sich eine zusätzliche Federprogression erzielen lässt, wurde bei 180 Millimetern einjustiert. Gemessen wird dabei die komplett zusammengeschobene Gabel ohne Federn und Hülsen. Die komprimierte Luft über dem Gabelöl ersetzt bei unserer Abstimmung die fast gänzlich fehlende progressive Wirkung der serienmäßigen Tragfedern. 

So abgestimmt, stemmt sich die Front der BMW R 80 G/S stabil und ohne durchzusacken selbst massivsten Bremsmanövern ent­gegen. Wobei diese nur mittels schraubzwingenartigem Zugriff am Hebel möglich sind. Obwohl sich die Brembo-Serienbremszange mit neuen Belägen, hochdruckfester Leitung, frischer Bremsflüssigkeit und leichtgängigem Bremshebel in die 320er-Scheibe verbeißt, ist das Wort Bremsen nach heutigen Maßstäben etwas übertrieben. Man könnte eher sagen, die BMW wird bei voller Bremskraft schneller langsam. Für eine vorausschauende Fahrweise genug, für den aus dem Nichts dahertuckernden Traktor zu wenig.

Brembo-Vierkolbenzange aus dem Privatfundus

Also zurück in die privaten Ersatzteilkatakomben, die nach drei Jahrzehnten Rennsport so manches edle Teil ausspucken. Eine goldene Brembo-Vierkolbenzange, ursprünglich an einer Honda RS 250 installiert, wird mittels Adapterplatte aus hochfestem Aluminium verbaut. Die von Haus aus bessere Wirkung wird noch dadurch gesteigert, dass die hydraulische Übersetzung der Zwölf-Millimeter-Handpumpe von 1:20 auf 1:28,5 ansteigt. Fein dosierbar, klasse Wirkung und auch nach der zehnten Vollbremsung ohne Einbruch radiert es dem Heidenau K60 Scout nun die Stollen von der Karkasse.   

Aufgezogen auf den originalen Felgen, die von einem Satz frischer Speichen mit den Naben verzurrt wurden, fahren sich die ostdeutschen Gummis sehr harmonisch, mit durchweg gutem Grip nass wie trocken und ausreichender Traktion auf schlüpfrigem Geläuf. Bei Vollgas mit knapp 180 km/h bleiben die Räder der BMW R 80 G/S ohne Pendeln und Schaukeln in der Spur.

Stabiler Geradeauslauf dank verlängerter Schwinge

Der stabile Geradeauslauf ist sicherlich auch der um 50 Millimeter verlängerten Schwinge zu verdanken, die den Radstand jetzt auf solide 1525 Milli­meter ­anwachsen ließ. Allerdings musste der Schwingenholm im Bereich der Reifenschulter ausgespart und mit einem auf­geschweißten Blech wieder verschlossen werden. Dadurch konnte auf das außermittige Einspeichen der Hinterradfelge verzichtet werden.  

Ein weiterer positiver Effekt der langen Schwinge: Die statische Radlastverteilung bringt jetzt mehr Druck aufs Vorderrad, eine Methode, die grundsätzlich für mehr Ruhe bei hohem Tempo sorgt. Nicht zu vergessen: Die härteren Gabel­federn halten die Front der BMW R 80 G/S im dynamischen Fahrbetrieb höher, wodurch sich der Nachlauf verlängert und der Lenkkopf flacher steht. Damit die stabi­lisierenden Maßnahmen der G/S nicht ihre herzerfrischende Wendigkeit nehmen, wurde das einfache Wilbers-Federbein Typ 630 Road mit Längenverstellung geordert. ­Somit lässt sich die Geometrie durch An­heben oder Absenken der Heckpartie im Handumdrehen ausbalancieren.

Wobei sich jetzt der eine oder andere Klassik-Liebhaber die Frage stellt, ob man eine fast 35 Jahre alte BMW nicht einfach mit all ihren Schwächen und Macken artgerecht und der zeitgenössischen Technik entsprechend behutsam bewegen sollte, anstatt damit durch die Gegend zu ballern? Die Antwort ist eindeutig: sowohl als auch. Das MOTORRAD Classic-Projekt ist allerdings dazu gedacht, den Boxer-­typischen Spaßfaktor noch ein wenig zu steigern und die weniger rühmlichen Eigenschaften abzustellen, ohne die BMW R 80 G/S ihrer grundehrlichen Sachlichkeit und bodenständigen Mechanik zu berauben. Deshalb eben keine WP-Gabel, keine Kennfeldzündung, kein kantig-modernes Enduro-Plastik. Wenn‘s pressiert, kann die R 80 G/S daher mit den Originalteilen wieder in den absoluten Serienzustand zurückgerüstet werden. 

Moral von der Geschicht: Spar an der Boxer-Kupplung nicht!

Doch daran verschwende ich im Augenblick keinen Gedanken. Nach knapp 6000 Kilometern lässt der Spaß am G/S-Boxer nicht nach. Im Gegenteil: Mit jedem Handgriff mehr, den Optimierungen durch ständiges Tüfteln und Schrauben mausert sich die BMW R 80 G/S zum Liebling im privaten Fuhrpark. Ich lerne die Stärken zu schätzen – und die Schwächen zu ignorieren!

Die der Kupplung zum Beispiel. Weil der wackere Schwabe sein Geld streng ­zusammenhält, wird jede Investition zweimal überlegt. Mit dem im Schwäbischen sehr geläufigen Kommentar „Ha, des tut‘s doch noch!“ wurde der 114.000 Kilometer alten Kupplung der BMW R 80 G/S nur eine neue Reibscheibe spendiert. Mit dem Ergebnis, dass die Kupplung 200 Kilometer später wieder auf der Werkbank lag. Nach peniblem Ver­messen und Reinigen wurden die Druck­platten dann nur mit einer neuen Teller­feder montiert, das muss reichen.

Dachte ich. Als das Getriebe, jetzt im Schlaf, zum fünften Mal aus dem Chassis gehoben wurde, kam das Geheimnis ans Licht. Die fest verschraubte Druckplatte hatte sich tellerförmig (3/10 mm) ver­zogen, der Reibbelag trug nur auf etwa der halben Fläche. Die Reibfläche hin­gegen war in einem trügerisch tadellosen Zustand, ohne Verschleiß, ohne blaue Hitzeflecken und absolut plan. Klar, die Reibscheibe hätte sich im Lauf der Zeit der ­tellerförmigen Verformung angepasst, zumal die Kupplung nur im kalten Zu­stand und bei maximaler Beschleunigung durch­rutschte. Aber eine halblebige Kupplung hat in einem Alltagsmotorrad nix zu suchen, basta. 

Jetzt ist der sparsame Schwabe sein Geld für die komplette Kupplung doch noch losgeworden. Und die Moral von der Geschicht: Spar an der Boxer-Kupplung nicht! Einen kompletten Überblick über die Kosten, die Spezialisten und die G/S-Szene gibt‘s im nächsten Teil der MOTORRAD Classic-Serie "Restaurierung der BMW R 80 G/S".

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